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Kamala Harris: Wo steht die US-Vizepräsidentin politisch?

23. Juli 2024

Nach dem Rückzug von US-Präsident Joe Biden scheint US-Vizepräsidentin Kamala Harris die neue Präsidentschaftskandidatin der Demokraten zu werden. Kann sie Donald Trump schlagen? Und für welche Politik steht Harris?

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US-Vizepräsidentin Kamala Harris steht bei einer Wahlkampfveranstaltung an einem Rednerpult vor der US-amerikanischen Flagge
Kamala Harris: Geht sie gegen Donald Trump ins Rennen um das Weiße Haus?Bild: Kyle Mazza/NurPhoto/picture alliance

Die Präsidentschaftskampagne von Kamala Harris ist in vollem Gange. US-Präsident Joe Biden war der erste, der ihr den Rücken stärkte. Kurz nachdem er über die sozialen Medien seinen Rückzug aus dem Rennen um die US-Präsidentschaft bekannt gegeben hatte, rief Biden dort dazu auf, Harris als demokratische Präsidentschaftskandidatin zu unterstützen.

Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton und Ex-US-Außenministerin Hillary Clinton, Nancy Pelosi, ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses und Grande Dame der Demokratischen Partei, sowie zahlreiche demokratische Kongressmitglieder und Gouverneure folgten diesem Beispiel.

Und für Harris' Kampagne wurde seitdem eifrig gespendet: In den ersten 24 Stunden seit Bidens Appell gingen für ihre Kandidatur 81 Millionen Dollar an Spenden ein - ein Rekord in so kurzer Zeit. Ein weiterer wichtiger Faktor: Das Geld floss von mehr als 888.000 Einzelspendern von der Basis. Und wiederum zwei Drittel von ihnen spendeten in diesem Wahlkampf zum ersten Mal. Sie spendeten also nicht für Bidens Kampagne sondern explizit für Kamala Harris.

Als Vizepräsidentin hat Harris überdies auch Zugang zu allen Geldern, die bisher für Biden gesammelt wurden. Der Wahlkampffonds des derzeitigen Präsidenten erreichte insgesamt fast 96 Millionen Dollar - und wurde vergangenen Sonntag an Harris überwiesen.

Harris selbst sagte in einer Erklärung, sie werde alles in ihrer Macht Stehende tun, "um die Demokratische Partei - und unsere Nation - zu vereinen, um Donald Trump zu besiegen".

Die Demokraten müssen Harris erst nominieren

Die Einigung der Demokratischen Partei ist ein wichtiger erster Schritt, denn Harris ist noch nicht die offizielle Kandidatin. Dazu muss sie die Mehrheit der Delegiertenstimmen auf dem Parteitag der Demokraten gewinnen, der vom 19. bis 22. August in der Stadt Chicago stattfindet.

"Im Moment muss sie eine doppelte Kampagne führen", sagt Stormy-Annika Mildner, Geschäftsführerin des Aspen Institute Germany, einer transatlantischen Denkfabrik mit Sitz in Berlin. Harris müsse "die Demokraten vereinen, damit sie hinter ihr stehen, und mit Blick auf die Wahlen im November auch das [amerikanische] Volk ansprechen und für ihre Kampagne gewinnen."

Als einzige Kandidatin darf Harris die bereits von der Biden-Kampagne gesammelten Spenden in Millionenhöhe verwenden, weil sie Teil des Teams war, für das die Spenden eingingen. Außerdem ist sie als Vizepräsidentin in den USA bekannter als mögliche andere Kandidaten.

Was spricht gegen Kamala Harris als US-Präsidentschaftskandidatin?

"Ihr großer Schwachpunkt ist, dass ihre Beliebtheitswerte nicht viel besser sind als die von Biden", sagt Mildner im DW-Gespräch. Eine weitere Schwäche: Harris war mit der Eindämmung der massiven irregulären Einwanderung aus Mittel- und Lateinamerika betraut - ihre Gegner kritisieren immer wieder, sie sei dieser Aufgabe nicht gewachsen.

"Hier könnte man sage, sie habe versagt. Ich denke, das ist ein bisschen unfair, weil die Situation an der Grenze so schwierig ist", meint Mildner. "Aber das wird in der Trump-Kampagne als starkes Argument gegen sie verwendet werden."

Kann Kamala Harris Donald Trump tatsächlich schlagen?

Bisher konzentrierte sich der Wahlkampf des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump auf und gegen Biden. Nun muss sich sein Kampagnen-Team auf die neue Kandidatin einstellen. Wie aber stehen die Chancen von Harris, die Wahl am 5. November zu gewinnen, sollte sie tatsächlich von den Demokraten als Gegenkandidatin zu Trump aufgestellt werden?

"Wie wir in einigen ersten Umfragen sehen, die sie direkt mit Donald Trump vergleichen, liegt sie mindestens gleichauf mit ihm oder schlägt ihn um zwei bis drei Prozentpunkte", berichtet Cathryn Clüver Ashbrook, Transatlantikexpertin bei der deutschen Bertelsmann-Stiftung, der DW. "Es gibt noch nicht viele Anhaltspunkte, aber zumindest scheinen die Umfragen stabil zu sein - und zu zeigen, dass sie mit Donald Trump mithalten kann. Und sie hat ein enormes Potenzial, in den nächsten 107 Tagen noch mehr zu erreichen."

Die Demokraten hoffen, dass die neue Kandidatin dem Wahlkampf neuen Schwung verleiht. Harris Befürworter sind der Ansicht, dass sie Menschen begeistern kann, die für den Kandidaten Biden vielleicht nicht zur Wahl gegangen wären, so Mildner: junge Menschen, Frauen und People of Color.

Kamala Harris spricht auf einer Wahlkampfveranstaltung vor jungen Menschen
Als Kind einer Einwandererfamilie könnte Kamala Harris junge Menschen, Frauen und Menschen unterschiedlicher Hautfarben zur Wahl motivierenBild: Hu Yousong/picture alliance

Bei den Wählerinnen könnte Harris vor allem ein Faktor helfen: Nachdem der mehrheitlich konservative Oberste Gerichtshof das verfassungsmäßige Recht auf Abtreibung aufgehoben hatte, sprach sich Harris wiederholt gegen das Urteil aus. Sie "war eine führende Stimme bei der Verteidigung des Rechts von Frauen, sich eigenständig zu entscheiden", so Clüver Ashbrook. "In dieser Frage hat sie sich im Wahlkampf sehr lautstark und erfolgreich geäußert."

Wie steht Harris zur NATO, zur Ukraine und zu Israel?

Auf dem Gebiet der Außenpolitik habe Harris noch nicht viel erlebt, so Clüver Ashbrook. Allerdings machte die Vizepräsidentin auf der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang dieses Jahres, wie auch auf dem Treffen 2023, sehr deutlich, dass sie die Mitgliedschaft der USA in der NATO sehr schätzt, was Trump nicht tut.

Und Harris will nicht nur die Zusammenarbeit mit den europäischen Verbündeten fortsetzen. Auch der Wert von US-Bündnissen im indopazifischen Raum sei für sie klar, sagt Clüver Ashbrook. "Und natürlich wird die Tatsache, dass sie indische Wurzeln hat, in einigen Teilen der indisch-pazifischen Allianz begrüßt werden."

Mit Blick auf den anhaltenden Krieg in der Ukraine ist Harris wie Biden der Meinung, dass Kiew unterstützt werden muss. Natürlich müsste sie als Präsidentin mit dem Kongress zusammenarbeiten, um finanzielle und militärische Hilfspakete zu verabschieden. Aber sie würde sich wahrscheinlich genauso wie Biden für diese Hilfe einsetzen, weil "sie Russland als große Bedrohung ansieht", meint Stormy-Annika Mildner vom Aspen Institute.

Wie aber würden sich die USA unter einer möglichen Präsidentin Kamala Harris zum Gaza-Krieg positionieren? Diese Frage ist besonders interessant, weil Bidens entschiedene Unterstützung Israels vor allem bei jungen Menschen und arabischen US-Bürgerinnen und Bürgern auf Kritik gestoßen war.

"Ich denke, dass sie den Palästinensern gegenüber etwas mitfühlender war und die humanitäre Katastrophe in Palästina etwas stärker kritisiert hat", so Mildner. "Ich könnte mir also vorstellen, dass sich der Ton ein wenig ändert. Aber die Unterstützung für Israel - das wird sich nicht ändern."

Adaption: Jeannette Cwienk

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker