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US-Wahl: Wer ist Vizepräsidentin Kamala Harris?

Darko Janjevic
22. Juli 2024

US-Vizepräsidentin Kamala Harris ist die erste, die Joe Biden ersetzen könnte - sowohl im Weißen Haus als auch im Rennen gegen Donald Trump. Nach einem bemerkenswerten Aufstieg hat sie Jahre in Bidens Schatten gestanden.

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Ein Mann (Joe Biden, links) und eine Frau (Kamala Harris, rechts) stehen an einem Geländer, lachen und winken offenbar Menschen zu.
Große Geste: Joe Biden (l) und Kamala Harris (r) am Unabhängigkeitstag der USA, beim traditionellen Feuerwerk in Washington, D.C.Bild: Tierney L. Cross/newscon/picture alliance

Als Kamala Harris im August 2020 einwilligte, Joe Bidens Vizepräsidentschaftskandidatin zu werden, und beim Nominierungsparteitag der Demokraten auf der Bühne seine Hand ergriff, schien das Duo eine leuchtende Zukunft vor sich zu haben.

Biden war angetreten, Donald Trump zu entmachten und den Vereinigten Staaten ein Gefühl von Normalität zurückzubringen. Dabei kam ihm seine Jahrzehnte lange politische Erfahrung zugute. Und Kamala Harris war die charismatische, energiegeladene Anführerin der neuen Ära.

Als Person of Color und Kind migrantischer Eltern hatte sie sich bis zur Generalstaatsanwältin und Justizministerin des US-Bundesstaats Kalifornien hochgekämpft und war dann in die Politik gegangen. Doch ihr Stern ist in den vier Jahren als Joe Bidens Vizepräsidentin gesunken.

Kamala Harris - eine amerikanische Geschichte

Kamala Harris wurde 1964 in eine hochgebildete Einwandererfamilie in Kalifornien hineingeboren. Ihre Mutter war die aus Indien stammende Brustkrebsforscherin Shyamala Gopalan, ihr Vater der Wirtschaftswissenschaftler Donald J. Harris aus Jamaika. Beide Eltern waren in der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre aktiv.

In ihrer Autobiografie "Der Wahrheit verpflichtet" ("The Truths We Hold") beschreibt Kamala Harris, wie sehr das ihre eigene Karriere beeinflusst hat. Sie erinnert sich, dass die Mutter ihr und ihrer Schwester Maya sagte: "Sitz nicht nur rum und jammere über die Zustände. Tu etwas!"

Zwei Mädchen (Kamala Harris und Maya Harris) und eine Frau (Shyamala Gopalan) stehen auf einer Straße, das mittlere, kleinere Mädchen hält die Mutter an der Hand, das ältere Mädchen schaut in die Kamera.
Kindheit in Kalifornien: Kamala Harris (l) mit ihrer Schwester Maya (m) und ihrer Mutter (r) in Oakland (Januar 1970)Bild: picture-alliance/dpa/Kamala Harris Campaign

Die Ehe ihrer Eltern ging in die Brüche, als Kamala sieben Jahre alt war. Fünf Jahre später bekam ihre Mutter einen Forschungsauftrag in Kanada und sie zogen nach Montreal, wo Kamala die Highschool besuchte. Danach ging sie zurück in die USA, um Politik- und Wirtschaftswissenschaften in Washington sowie Jura in Kalifornien zu studieren.

Harris bekam 1990 die Zulassung als Anwältin und begann, als Bezirksstaatsanwältin zu arbeiten. In ihrer Karriere brachte sie es bis 2011 zur kalifornischen Generalstaatsanwältin - als erste weibliche, afroamerikanische und südasiatisch-amerikanische Person auf diesem Posten.

Kaliforniens oberste Strafverfolgerin

Kamala Harris Karriere als Staatsanwältin war von Widersprüchen gekennzeichnet. Sie trat gerne als Kaliforniens "Top Cop" auf, als "oberster Bulle", aber sie erzürnte Polizisten, weil sie vehement ablehnte, die Todesstrafe zu fordern, selbst in Fällen getöteter Polizisten. Zugleich wurde sie dafür kritisiert, dass sie nicht entschieden genug gegen Korruption in den Strafverfolgungsbehörden vorging.

Sie förderte ein System hoher Geldstrafen und potentieller Inhaftierung für Eltern, deren Kinder zu oft die Schule schwänzten - eine Maßnahme, die überproportional oft People of Color traf. Sie lachte 2014 über den Versuch, Marihuana zu legalisieren, um dann zu betonen, sie sei "absolut dafür", als sie fünf Jahre später Präsidentschaftskandidatin werden wollte.

2015 verkündete sie, dass sie als Senatorin in Washington kandidiere, und organisierte politische Unterstützung für Joe Biden und den damaligen Präsidenten Barack Obama. 2017 wurde sie als zweite schwarze Frau in den US-Senat gewählt. 2019 stieg sie in das Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur ein - mit Biden als einem ihrer Gegner.

Parteiinternes Gezänk mit Biden

Und diesen Gegner ging Harris im parteiinternen Wahlkampf hart an. So warf sie ihm in einer Debatte vor, er arbeite mit Senatoren zusammen, die sich in den 1970er und 1980er Jahren der Aufhebung der Rassentrennung widersetzt hatten.

Sie beschuldigte ihn, mit ihnen zusammen gegen das Busing gearbeitet zu haben - eine antirassistische Maßnahme, bei der (meist afroamerikanische) Kinder aus armen Gegenden mit ethnischen Minderheiten in überwiegend weiße Schulen gefahren wurden - und umgekehrt. Biden entgegnete, dass sie seine Position "falsch darstelle" und er sich eben eher als "öffentlicher Verteidiger" sehe denn als Strafverfolger. 

Entschlossen und pragmatisch

Ihre Jahre als Staatsanwältin holten Kamala Harris während ihres Wahlkampfes für die Präsidentschaftskandidatur in Form eines "Kamala ist ein Cop"-Memes wieder ein, das sie in Polizeiuniform darstellte. Sie zog sich schließlich aus dem Rennen zurück und unterstützte Biden, der sie dann zu seiner Vizepräsidentschaftskandidatin machte.

Migrationspolitik: Vertrauen und Versagen

Biden und Harris fochten gemeinsam einen harten, erbitterten Wahlkampf und schlugen schließlich den damaligen US-Präsidenten Donald Trump und seinen Vize Mike Pence. Am 20. Januar 2021 legten sie ihren Amtseid ab - zwei Wochen, nachdem ein gewalttätiger Mob ins Kapitol eingebrochen war und verlangt hatte, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen.

Harris schrieb erneut Geschichte: Sie war die erste Frau, die erste Schwarze und die erste Indisch-Stämmige als Vize. Das Amt ermächtigt Harris, die Regierung zu übernehmen, falls der Präsident stirbt oder nicht mehr in der Lage ist, seinen Pflichten nachzukommen.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris bei einem Guatemala-Besuch - sie sitzt an einem Tisch mit einer schwarzen Corona-Atemschutz-Maske vor dem Gesicht, im Vordergrund ist unscharf der Rücken einer Person zu erkennen.
Treffen mit Menschen in Guatemala - Kamala Harris bei dem Versuch, Fluchtursachen zu erkennen und zu beheben (Juni 2021)Bild: Jim Watson/AFP

Sie hat es aber in den vier Jahren im Weißen Haus nicht geschafft, ihr Profil zu schärfen. 2021 wies Biden ihr die Aufgabe zu, in der Migrationspolitik die Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu bekämpfen. "Ich kann mir niemanden vorstellen, der besser dafür qualifiziert ist", sagte Biden über Harris. "Wenn sie spricht, spricht sie auch für mich."

Das Geschenk war ein vergiftetes. Trotz Harris' Bemühungen und ihren Treffen mit lateinamerikanischen Regierungschefs stieg die Zahl der irregulären Grenzübertritte. Vergangenes Jahr erreichte sie einen neuen Rekord. Die Republikaner titulierten sie umgehend als "Grenz-Zarin" und kritisierten sie scharf dafür, die Zahl der einreisenden Migranten nicht verringert zu haben.

Recht auf Abtreibung: "Alles steht auf dem Spiel"

In der Zwischenzeit fand Harris ein neues Schlachtfeld, auf dem sie ihre politische Gegner bekämpft. Als der Oberste Gerichtshof der USA, der Supreme Court, 2022 die Grundsatzentscheidung Roe v. Wade aufhob und damit Schwangerschaftsabbrüche in weiten Teilen des Landes faktisch unmöglich machte, wurde Harris zu einer kraftvollen Stimme für das Recht auf Abtreibung.

Anfang dieses Jahres startete sie ihre "Fight for Reproductive Freedoms"-Tour für reproduktive Selbstbestimmung, mit der sie in den USA unterwegs ist. "Extremisten im ganzen Land greifen weiterhin unsere hart und mühsam erkämpften Freiheiten an", zitierte das Weiße Haus die Vizepräsidentin. Trump befürwortete die Entscheidung des Supreme Court und beanspruchte ihn als seinen Verdienst.

USA, Arizona: Frauen in blauer Kleidung mit orangefarbenen Schildern und Transparenten stehen zusammen bei einem Protest gegen eine Einschränkung des Rechts auf Abtreibung. Sie tragen Sonnenbrillen, eine trägt einen breitkrempigen Hut. Im Hintergrund ist ein Mann in der Menge erkennbar.
Kampf um das Recht auf Abtreibung: Protest im US-Bundesstaat Arizona im April 2024Bild: Joel Angel Juarez/The Republic/USA TODAY Network/IMAGO

Wenige Tage vor der TV-Debatte zwischen Trump und Biden Ende Juni 2024 warnte Harris, im Fall eines Trump-Sieges stehe für die Reproduktionsrechte "alles auf dem Spiel".

Die Zukunft der Demokratischen Partei

Nach Bidens schwachem Auftritt in der TV-Debatte war Kamala Harris unter seinen ersten und vehementesten Fürsprechern, selbst als andere demokratische Politiker ihren Namen als Ersatz für Biden im Präsidentschaftswahlkampf ins Spiel brachten.

Karine Jean-Pierre, Pressesprecherin des Weißen Hauses, sagte kurz danach, Biden habe sich 2020 für Harris als Vize unter anderem deswegen entschieden, weil sie "die Zukunft der Partei" sei.

Als Biden nach wochenlangen Debatten um seine Fitness schließlich den Ausstieg aus seiner Kampagne zur Wiederwahl erklärte, empfahl er Kamala Harris als neue Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Einflussreiche Stimmen in der Partei, darunter Ex-Präsident Bill Clinton und seine Frau Hillary, die Gouverneure von Kalifornien, Pennsylvania und North Carolina, sprangen Harris rasch zur Seite.

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.