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PolitikAsien

UN-Bericht: Schwere Vorwürfe gegen den Iran

19. März 2024

Bei der brutalen Unterdrückung der Proteste im Iran sind laut UN-Untersuchungskommission Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt worden. Opfer fordern Gerechtigkeit.

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Viviana Krsticevic, Sara Hossain und Shaheen Sardar Ali
Dokumentieren Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Viviana Krsticevic, Sara Hossain und Shaheen Sardar Ali, Mitglieder der UN-Untersuchungskommission zur Lage im IranBild: Martial Trezzini/picture alliance/KEYSTONE

Der Abschlussbericht der UN-Untersuchungskommission zur Lage im Iran umfasst mehr als 300 Seiten. Am Montag wurde er im Rahmen der 55. ordentlichen Sitzung des Menschenrechtsrates in Genf (26. Februar bis 5. April 2024) vorgestellt. UN-Ermittler erheben schwere Vorwürfe gegen die Regierung in Teheran. Bei der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste im Iran seien Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt worden, erklärte Sara Hossain, die Vorsitzende der Untersuchungskommission.

Die Kommission war zwei Monate nach dem Tod von Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam und den darauffolgenden Protesten im Iran zusammengestellt worden. Sie geht auf eine Initiative Deutschlands und Islands im November 2022 zurück. Der UN-Menschenrechtsrat (MRR) mandatierte daraufhin in einer Sondersitzung die Fact-Finding-Mission zum Iran (FFM). Sie sollte die gewaltsame Niederschlagung der Proteste untersuchen und Verbrechen gegen die iranische Bevölkerung dokumentieren.

Tausende Iraner außerhalb des Landes solidarisieren sich während der landesweiten Proteste im Iran im Jahr 2022 mit den Protestierenden im Iran
Tausende Iraner außerhalb des Landes solidarisieren mit den Protestierenden im Iran, die im Jahr 2022 landesweit auf die Straße gegangen waren. Bild: Sachelle Babbar/ZUMA/picture alliance

Schon damals bestand der Verdacht, dass staatliche Stellen bei der Niederschlagung der Proteste mit dem Slogan "Frau, Leben, Freiheit" unverhältnismäßige Gewalt angewandt haben könnten. "Es wurden Verbrechen begangen", bestätigte Hossain vor dem UN-Menschenrechtsrat am Montag in Genf. Als Beispiele nannte sie außergerichtliche Tötungen, Folter, Vergewaltigung, Verschwindenlassen und geschlechtsspezifische Verfolgung.

Zeugenaussagen und viele Dokumente

Die UN-Kommission hat nach Angaben von Sara Hossain für ihren Bericht zahlreiche Quellen gesichtet und bewertet. Im Gespräch mit der DW sagte sie: "Wir haben Regierungsdokumente und öffentliche Erklärungen von Regierungsbeamten analysiert. Zudem haben wir eine Reihe von Berichten geprüft, die vom Hohen Rat für Menschenrechte des Iran erstellt wurden."

Die renommierte Rechtsanwältin aus Bangladesch, die für den Obersten Gerichtshof von Bangladesch tätig war, fügte hinzu: "Wir haben mehr als hundert Zeugenaussagen für unseren Bericht ausgewertet. Zudem haben wir eine enorme Menge an Open-Source-Informationen, also digitale Informationen, analysiert, darunter Einsicht in medizinische Unterlagen. Des weiteren haben wir viele juristische Dokumente analysiert. Das alles bildete unsere Materialgrundlage. Somit konnten wir Beweise sowohl aus Primär- als auch Sekundärquellen heranziehen und besaßen so eine solide Grundlage für unsere Untersuchung und unsere Erkenntnisse."

Kowsar Eftekhari - Iranische Demonstrantin "Frau, Leben, Freiheit"
Der 24-jährigen Kosar Eftekhari aus Teheran wurde ins Auge geschossen. Sie ist seither einseitig erblindet.Bild: Bamdad Esmaili/DW

Viele Zeugen, die vor der Kommission ausgesagt haben, weisen noch immer die Spuren gezielter Schüsse der Sicherheitskräfte auf. Kosar Eftekhari ist eine von ihnen. Die 24-jährige Frau aus Teheran wurde während der Proteste 2022 von einem Gummigeschoß ins Auge getroffen. Seither ist sie auf diesem Auge blind. Damit nicht genug, wurde sie wegen ihrer Teilnahme an den Protesten, "Verschwörung gegen die Sicherheit des Landes" und "Propaganda gegen das Regime" vor das Revolutionsgericht in Teheran gestellt.

"Aufgrund enormer Repressalien bin ich vor zwei Monaten aus dem Land geflohen", sagte sie im Gespräch mit der DW. Kosar lebt nun in Deutschland und hat in Genf vor der Kommission ausgesagt. Sie erzählt: "Ich habe an einem friedlichen Protest teilgenommen, der brutal von den Sicherheitskräften niedergeschlagen wurde. Sie haben mir absichtlich und aus nächster Nähe ins Auge geschossen. Für mich ist es wichtig, als direkte Zeugin der Welt zu erzählen, was wir erlebt haben und wie die Protestierenden unterdrückt wurden."

"Systematischer Angriff auf die Zivilbevölkerung"

Laut dem Bericht der UN-Kommission sind 551 Menschen von Sicherheitskräften getötet worden, darunter mindestens 49 Frauen und 68 Kinder. Von den Menschenrechtsverletzungen seien Frauen, Kinder und Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten besonders stark betroffen. Diese Methoden seien Teil eines systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung, erklärte die Vorsitzende der Untersuchungskommission in der Sitzung des Menschenrechtsrates der Vereinigten Nationen in Genf. Sie forderte die iranische Regierung auf, die Hinrichtungen von Protestierenden zu stoppen, alle im Zusammenhang mit den Protesten Inhaftierten freizulassen, Schikanen gegen die Opfer und ihre Familien einzustellen und ihnen Wiedergutmachung zukommen zu lassen.

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Die Arbeit der UN-Untersuchungskommission sei für die Zivilbevölkerung im Iran von enormer Bedeutung, erläutert der iranische Menschenrechtsanwalt Saeid Dehghan im Gespräch mit der DW: "Zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik wurden Verbrechen der Machthaber gegen die Bevölkerung dokumentiert. Zum ersten Mal steht der Begriff "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" in einem offiziellen Bericht zur Lage im Iran. Das hat eine historische Bedeutung." Dehghan, der seit 2022 in Kanada lebt, hat ein weltweites Netzwerk von iranischen Anwälten gegründet. Er leitet ein Rechtszentrum namens Parsi Law, das Rechtsberatung für Menschen im Iran anbietet. Das Rechtszentrum unterstützt auch internationale Organisationen wie etwa der UN, die die Menschenrechte im Iran fördern. Obwohl der Iran den Bericht ablehnt, könnten iranische Verantwortliche außerhalb des Iran, wie zum Beispiel in den westlichen Ländern, auf Basis des Berichts der UN-Kommission vor Gericht gestellt, ihre Vermögen eingefroren oder ihre Einreise verweigert werden.

Tatsächlich präsentiert sich der Iran als Opfer und behauptet, die Arbeit der UN-Kommission sei politisch motiviert. Teheran verurteilte die UN-Ergebnisse aufs Schärfste und erklärte, sie beruhten auf "unbegründeten Behauptungen" sowie "falschen und voreingenommenen Informationen ohne jede Rechtsgrundlage". Die Behörden verweigern die Zusammenarbeit mit der Kommission und wollen verhindern, dass deren Arbeit verlängert wird.

Das Mandat der UN-Untersuchungskommission läuft am 5. April 2024 aus. Über die Verlängerung sowie über alle anstehenden Resolutionen wird der Menschenrechtsrat in der nächsten Sitzung Anfang April abstimmen.

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