"Solidarität kann Hinrichtungen im Iran stoppen"
31. Januar 2024Nada Al-Nashif, stellvertretende Hohe Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, wird am 3. Februar nach Teheran fliegen. Geplant ist, dass sie eine Untersuchung zu Hinrichtungen und Verletzungen von Frauenrechten durchführt. Die Zahl der Hinrichtungen im Iran sind allarmierend hoch, warnen die Menschrechtsaktivisten.
Am 29. Januar wurden vier weitere Personen hingerichtet. Den vier kurdischen Männern wurde laut Berichten iranischer Staatsmedien vorgeworfen, im Auftrag Israels einen Anschlag geplant zu haben. Die Todesurteile wurden am Montag (29.1.) vollstreckt, nachdem das Oberste Gericht ihre Berufung zurückgewiesen hatte.
Die Familien der Verurteilten bestreiten diese Anschuldigungen und äußern in sozialen Netzwerken: "Während des gesamten Prozesses wurden den Gefangenen grundlegende Rechte wie volle Akteneinsicht verweigert. Besuche von Anwälten und sogar die Kommunikation mit ihren Familien wurden ihnen verboten." Die Geständnisse der Männer seien unter Folter erzwungen worden.
Welle von Hinrichtungen
"Mit den vier Hinrichtungen am Montag ist die Zahl der Exekutionen allein im Januar auf 67 gestiegen", sagt Mahmood Amiry-Moghaddam, Direktor der in Oslo ansässigen Menschenrechtsorganisation "Iran Human Rights (IHR)" im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Wir sehen uns mit einer Welle von Hinrichtungen im Iran konfrontiert. Seit Beginn des Gaza-Krieges werden im Iran im Durchschnitt täglich drei Menschen hingerichtet. Die Zahl der wegen Drogendelikten hingerichteten Menschen ist im Vergleich zu vor drei Jahren um das 20-Fache gestiegen."
Das Desinteresse der Weltgemeinschaft und internationaler Einrichtungen wie der Vereinten Nationen an der Situation im Iran ermutige die Machthaber in Teheran dazu, mit Gewalt und Einschüchterung die unzufriedene Bevölkerung zum Schweigen zu bringen, betont Amiry-Moghaddam. "Es scheint, als ob die Menschenrechtslage im Iran im Allgemeinen und die hohe Zahl von Hinrichtungen im Speziellen nicht zu den Prioritäten der westlichen Länder gehören. Das korrupte und unfähige politische System der Islamischen Republik, das nicht in der Lage ist, angemessene Lösungen für die alltäglichen Probleme der Bevölkerung zu finden, macht sich diese Situation zunutze."
Gefangene im Hungerstreik
Aus Protest gegen die Hinrichtungswelle traten am Dienstag (30.01.) alle 61 weiblichen politischen Gefangenen im Teheraner Evin-Gefängnis in den Hungerstreik. Sie schlossen sich damit zehn männlichen politischen Gefangenen im Qezel-Hesar-Gefängnis an, die am Dienstag ebenfalls in einen Hungerstreik getreten sind.
Menschenrechtsorganisationen wie Iran Human Rights fordern die internationale Gemeinschaft auf, das "Schweigen gegenüber der Welle von Hinrichtungen im Iran" zu beenden. Die Organisation hat UN-Kommissarin Nada Al-Nashif aufgefordert, ihre geplante Reise nach Teheran zu verschieben.
Die Sprecherin des Büros vom Hohen Kommissariat für Menschenrechte der UN, Marta Hurtado Gomez, betont auf Anfrage der Deutschen Welle die Ernsthaftigkeit der Menschenrechtslage im Iran. Sie hebt die Bedeutung hervor, Gespräche über diese Bedenken zu führen. Auf die Frage, was die stellvertretende Hohe Kommissarin für Menschenrechte im Iran erreichen könne, antwortet Sprecherin Hurtado Gomez: "Wir müssen herausfinden, ob es Möglichkeiten gibt, die Menschenrechtslage im Iran zu verbessern."
Todesstrafe im Verborgenen
Auf der langen Liste der Todeskandidaten in iranischen Gefängnissen stehen noch viele politische Gefangene. Die genaue Zahl der zum Tode Verurteilten im Iran wird offiziell nicht veröffentlicht. Die Familien der Verurteilten werden eingeschüchtert, wodurch sie oft zögern, Todesurteile gegen ihre Angehörige öffentlich zu machen. Oder sie machen sich Hoffnung, dass ihre Angehörigen doch noch begnadigt werden. Viele Hinrichtungen kommen erst Jahre später ans Licht, wenn die Hinterbliebenen doch noch den Mut aufbringen, sich zu Wort zu melden.
Nach den landesweiten Protesten mit dem Motto "Frau, Leben, Freiheit" habe die Justiz viele verhaftete Protestierende hinrichten wollen, sagt Amiry-Moghaddam. Aber: "Der politische Druck des Westens war hoch. Die Welt verfolgte aufmerksam, was im Iran geschah. Gegen Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen im Iran wurden Sanktionen verhängt. Das hat die Justiz eine Weile gebremst."
Nun jedoch läuft die Hinrichtungsmaschinerie jedoch wieder auf Hochtouren. So wurde am 23. Januar der 24-jährige Mohammed Ghobadlu hingerichtet; er war während der landesweiten Proteste verhaftet worden. Am selben Tag wurde auch Farhad Salimi exekutiert, ein kurdischer Gefangener, der seit 14 Jahren in Haft saß.
Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi hat die UN-Beamtin Nada Al-Nashif aus Jordanien aufgefordert, aus Protest gegen die Hinrichtugen ihren Besuch abzusagen oder sich während ihres Aufenthalts im Iran auch mit Personen zu treffen, die zum Tode verurteilt sind.