Spaniens Regierungschef in Kiew
Veröffentlicht 1. Juli 2023Zuletzt aktualisiert 1. Juli 2023
Das Wichtigste in Kürze:
- Spanien will Kiews EU-Beitrittskandidatur Priorität einräumen
- Selenskyj beklagt Verzögerungen beim Pilotentraining
- Mehr ukrainische Soldaten an die belarusische Grenze
- US-Institut: Wagner Gruppe baut drei Militärlager in Belarus
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez hat bei seinem Besuch in Kiew der Ukraine 55 Millionen Euro an neuen Hilfsgeldern zugesagt. "Spanien wird weitere 55 Millionen Euro bereitstellen, um die Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen in der Ukraine zu unterstützen", sagte er in seiner Rede vor dem Parlament in Kiew, der Werchowna Rada.
Zugleich versicherte der sozialistische Politiker, die Unterstützung der Europäer für die Ukraine bei ihrer Abwehr des russischen Angriffskriegs sei ungebrochen. In seiner Rede erinnerte Sánchez daran, die Europäische Union sei ein Friedensprojekt, geschaffen nach dem Zweiten Weltkrieg, um neue Kriege zu verhindern. Europa sei offen für diejenigen, die dorthin strebten, sagte er mit Blick auf die Beitrittsambitionen der Regierung in Kiew.
In einer gemeinsamen Erklärung des spanischen Ministerpräsidenten Sánchez und des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj heißt es, Spanien bekräftige seine Unterstützung für die EU-Beitrittskandidatur der Ukraine und sehe sie als eine der Prioritäten seiner Präsidentschaft (des Europäischen Rates). Außerdem unterstütze Spanien die "Stärkung der Partnerschaft der NATO mit der Ukraine", auch durch die Schaffung eines NATO-Ukraine-Rates.
Sánchez war am Samstagvormittag in der ukrainischen Hauptstadt eingetroffen. "Ich wollte, dass der erste Akt der spanischen EU-Ratspräsidentschaft in der Ukraine zusammen mit Präsident Selenskyj beginnt", schrieb er im Onlinedienst Twitter. Ziel seiner Reise sei es, der Ukraine die anhaltende Solidarität Europas mit dem überfallenen Land zu übermitteln.
Spanien hat zum 1. Juli für sechs Monate die Ratspräsidentschaft der EU übernommen.
Selenskyj beklagt Verzögerungen beim Pilotentraining
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat dem Westen Verzögerungen bei der Ausbildung ukrainischer Piloten an Kampfflugzeugen aus US-Produktion vorgeworfen. "Ich denke, dass einige unserer Partner hier verschleppen", sagte er in einer Pressekonferenz mit Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez in Kiew. Immer noch gebe es keine festen Termine für den Beginn und keine Zeitpläne für das Pilotentraining.
Im Mai hatten mehrere europäische Staaten die Bildung einer Kampfjet-Koalition für die Ukraine bekanntgegeben, um die Ukraine im Abwehrkampf noch besser zu unterstützen. Washington machte den Weg dafür frei, indem es grünes Licht für die Ausbildung ukrainischer Piloten an F-16-Kampfjets gab.
Im Kampf gegen die russische Invasion hatte der ukrainische Präsident zuvor die Stärke der eigenen Streitkräfte hervorgehoben. "Die Ukraine und die Ukrainer sind viel stärker als irgendjemand das von uns erwartet, manchmal stärker als wir das von uns selbst gedacht haben", sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videobotschaft.
Rückeroberung der Schlangeninsel ein "wichtiger Sieg"
Das Land habe im Kampf gegen die russischen Invasoren der ganzen Welt die Stärke der Ukraine gezeigt. Selenskyj erinnerte in der Rede an die Wiedereroberung der Schlangeninsel im Schwarzen Meer vor einem Jahr. "Das war einer unserer wichtigsten Siege." Damit sei nicht nur die Kontrolle über die Insel, sondern über einen bedeutenden Teil des Schwarzen Meeres zurückerlangt worden.
"Die russischen Terroristen brauchten die Schlangeninsel, um den ganzen Süden des Landes zu zerstören, unser schönes Odessa und andere Städte." Das sei ihnen nicht geglückt. Einmal mehr würdigte Selenskyj die verschiedenen Einheiten der ukrainischen Streitkräfte und nannte eine Vielzahl an Kämpfern namentlich, die ihr Leben gegeben hätten für den Sieg der Ukraine.
Grenze zu Belarus im Fokus
Als Reaktion auf eine mögliches Exil der russischen Söldnergruppe Wagner in Belarus lässt der ukrainische Präsident die Grenze zum Nachbarland verstärken. Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj und der zuständige General Sergej Najew seien beauftragt worden, die Sicherheitsvorkehrungen an der Nordgrenze zu verstärken, um "den Frieden sicherzustellen", erklärte Selenskyj. Er verwies auf Informationen von seinen Geheimdiensten und den Grenzwachen zur Lage in Belarus.
US-Institut: Wagner Gruppe baut drei Lager in Belarus
Nach Einschätzung von US-Experten baut die russische Söldnergruppe Wagner drei Militärlager in Belarus auf. "Neue hochauflösende Satellitenbilder, die am 30. Juni gemacht wurden, zeigen auf einer ehemaligen Militärbasis in Belarus mindestens 303 Zelte, in denen 20 bis 50 Personen untergebracht werden können", schrieb das in Washington ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW) in seinem täglichen Lagebericht. Die Zelte seien innerhalb der letzten Woche aufgetaucht. Daneben gebe es Berichte über Pläne für zwei weitere Lager im Westen von Belarus.
In der vergangenen Woche hatten bereits mehrere unabhängige russische und belarussische Medien über den Aufbau von mindestens einem Militärlager in Belarus berichtet, das für die Unterbringung von Wagner-Söldnern gedacht sei. Offiziell wurden diese Berichte bislang nicht bestätigt. Die Satellitenaufnahmen des mutmaßlichen Wagner-Lagers bei der Stadt Assipowitschy veröffentlichten inzwischen auch westliche Medien wie die "Washington Post".
Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hatte nach dem kurzzeitigen Aufstand seiner Kämpfer am vergangenen Wochenende auf Vermittlung des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko eingewilligt, ins Exil nach Belarus zu gehen. Seine Söldner wurden vor die Wahl gestellt, entweder den russischen Streitkräften beizutreten oder ebenfalls ins belarussische Exil zu gehen.
Lukaschenko sagte, seine eigene Armee könnte von den Kampferfahrungen der Wagner-Truppe profitieren. Gleichzeitig aber fügte er hinzu, dass deren militärischer Spielraum in seinem Land begrenzt sei. Die Ukraine hatte schon mehrfach die Befürchtung geäußert, sie könne von Belarus aus angegriffen werden.
Kuleba appelliert an die deutsche Regierung
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba warnte mit Blick auf den kommenden NATO-Gipfel in Vilnius die Bundesregierung davor, den Weg seines Landes in die westliche Allianz zu behindern. Kuleba sagt in einem Interview mit "Bild", "Welt" und "Politico", es gebe zahlreiche Gespräche mit der Bundesregierung auf allen Ebenen zu dem Thema. Sein Appell: "Wiederholen Sie nicht den Fehler, den Kanzlerin Merkel 2008 in Bukarest gemacht hat, als sie heftigen Widerstand gegen jeden Fortschritt für die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine leistete."
Die damalige Entscheidung habe "die Tür aufgemacht für Putins Einmarsch in Georgien und schließlich die illegale Annexion der Krim". Wäre die Ukraine 2014 bereits NATO-Mitglied gewesen, hätte die Krim-Annexion, den Krieg im Donbas und jetzt den Überfall auf das ganze Land nicht gegeben.
se/sti/haz/rb/AR/nob (dpa, rtr, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.