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KonflikteUkraine

Ukraine meldet weitere Geländegewinne

30. Juni 2023

Die Hauptkämpfe fänden rund um die zerstörte Stadt Bachmut im Osten statt, so die Regierung in Kiew. Der Friedensbeauftragte des Papstes trifft in Moskau den Patriarchen Kyrill. Ein Überblick.

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Ukraine Krieg l Ein ukrainischer Soldat der 3. separaten Angriffsbrigade spricht über Funk, während ein anderer Soldat 82-mm-Mörser auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Nähe Bachmut feuert (29.06.2023)
Ukrainische Soldaten an der Front bei Bachmut (am Donnerstag)Bild: Alex Babenko/AP/dpa/picture-alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Regierung in Kiew meldet weitere Geländegewinne
  • EU hält sich mit Sicherheitsgarantien zurück
  • Lawrow: Russland wird aus Wagner-Aufstand gestärkt hervorgehen
  • Friedensnobelpreisträgerin will "Putin an die Wand drücken"
  • Papst-Vermittler trifft Patriarch Kyrill

 

Die ukrainischen Truppen rücken nach Angaben der Regierung in Kiew bei ihrer Gegenoffensive in alle Richtungen vor. Seit Beginn der Offensive in diesem Monat hat die Ukraine nach eigener Darstellung eine ganze Reihe von Dörfern zurückerobert. Gleichwohl haben russische Truppen noch immer große Gebiete im Osten, Süden und Südosten unter ihrer Kontrolle. "Wenn wir über die gesamte Frontlinie sprechen, sowohl im Osten als auch im Süden, haben wir die strategische Initiative ergriffen und rücken in alle Richtungen vor", sagte die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar im ukrainischen Fernsehen.

Die Hauptkämpfe fänden rund um die zerstörte Stadt Bachmut im Osten statt, sagte Maljar. Dort kämen die eigenen Truppen an den Flanken weiter voran. Im Süden des Landes sei der Erfolg gemischt, sagte die Vize-Verteidigungsministerin. Dort werde vor allem die Frontlinie begradigt. Unabhängig überprüfen lassen sich Berichte über das Kampfgeschehen nicht.

Ukraine Krieg l  Ein ukrainischer Soldat winkt seinen Kameraden in einem Militärlastwagen zu, als diese an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut vorbeifahren (29.06.2023)
Ein ukrainischer Militärlastwagen an der Bachmuter Front (am Donnerstag)Bild: Alex Babenko/AP/dpa/picture-alliance

Nach Einschätzung des Instituts für Kriegsstudien (ISW) in Washington führt die ukrainische Armee eine breit angelegte Gegenoffensive im Umland von Bachmut. Allerdings beziehen sich auch die US-Experten auf Angaben des ukrainischen Generalstabs. Demnach haben sich die Streitkräfte der Ukraine eine "strategische Initiative" in Richtung Bachmut ergriffen. Es gebe Anzeichen dafür, dass die Armee ihre Offensive weiter ausbaue, schreibt das ISW in seinem aktuellen Bericht

EU hält sich mit Sicherheitsgarantien zurück

Die Europäische Union sagt der Ukraine weitere umfassende Unterstützung zu, hält sich aber mit Sicherheitsgarantien für die Zeit nach Ende des russischen Angriffskrieges zurück. Beim EU-Gipfel in Brüssel konnten sich die 27 Mitgliedstaaten nur auf eine vage Absichtserklärung für "künftige Sicherheitszusagen" verständigen. Grund für die zurückhaltende Wortwahl war die Haltung von Ländern wie Österreich, Irland und Malta. Sie wollen militärisch neutral bleiben und sind deswegen auch nicht Mitglied der NATO.

Sorge macht den EU-Staaten die mögliche Verlegung von russischen Söldnern der Gruppe Wagner nach Belarus. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hatte am Samstag unvermittelt einen Marsch auf Moskau abgeblasen und sich bereit erklärt, ins EU-Nachbarlang Belarus überzusiedeln - mit einer unbekannten Zahl an Söldnern. Die Staats- und Regierungschefs berieten hierüber auch mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, dessen Amtszeit nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP bis September 2024 verlängert werden soll.

Eine junge Frau steht auf einer gelben Tonne, die das Warnzeichen für Radioaktivität trägt. Zwei Personen neben ihr tragen Schutzkleidung und Atemmasken. Menschen um sie herum schwenken die ukrainische und die Europaflagge.
Solidaritätskundgebung für die Ukraine nahe dem Gipfel-Tagungsort in BrüsselBild: Ludovic Marin/AFP/Getty Images

Ein EU-Diplomat sprach im Anschluss von einem "explosiven Cocktail", den die kürzlich erfolgte Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus in Kombination mit der Verlegung von Söldnern bilden könnte. Ähnlich äußerte sich Lettlands Regierungschef Krisjanis Karins. "Die Bedrohung wäre wahrscheinlich nicht eine frontal militärische." Vielmehr könnten feindliche Kräfte unbemerkt in die EU einsickern. Litauen kündigte stärkere Kontrollen an seinen Grenzen zu Russland und Belarus an. Polen hatte bereits am Mittwoch weitere Schutzmaßnahmen für seine Ostgrenze in Aussicht gestellt.

Lawrow: Russland wird aus Wagner-Aufstand gestärkt hervorgehen

Der russische Außenminister Sergej Lawrow erwartet, dass sein Land nach der Revolte der Söldnergruppe Wagner gestärkt dastehen werde. "Russland hat immer alle Schwierigkeiten überwunden", sagte Lawrow in Moskau. "Es wird auch dieses Mal so sein", ergänzte er. Das Land werde durch die Bewältigung von Herausforderungen "stärker und stärker". Die Wagner-Gruppe Jewgeni Prigoschin hatte in der vergangenen Woche mehrere Militärstandorte im Süden Russlands unter ihre Kontrolle gebracht. Prigoschin kündigte einen Marsch auf Moskau an. Nach einer Vermittlung durch den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko brach Prigoschin den Aufstand am Samstagabend ab.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow
Der russische Außenminister Sergej LawrowBild: Vyacheslav Prokofyev/TASS/IMAGO

Die Abmachung sah vor, dass Prigoschin ins Exil nach Belarus geht. Gegen die Aufständischen wurden keine Strafen verhängt, die russischen Geheimdienste erklärten, Untersuchungen gegen die Rebellen eingestellt zu haben. Westliche Beobachter sehen darin ein Zeichen der Schwäche des Kremls.

Lawrow versicherte, die russischen Truppen würden nicht absichtlich zivile Ziele in der Ukraine angreifen. Sie hätten vielmehr nur militärische Infrastruktur oder andere militärische Ziele im Visier. Die Ukraine und ihre westlichen Verbündeten haben der Führung in Moskau wiederholt vorgeworfen, gezielt zivile Infrastruktur, darunter Krankenhäuser, Kraftwerke und Wohngebäude, anzugreifen. Lawrow beschuldigt dagegen die Ukraine, Soldaten und schwere Waffen in zivilen Objekten wie Schulen und Wohnhäusern stationiert zu haben. Solche Taktiken seien Kriegsverbrechen.

Der Außenminister warf dem Westen zugleich vor, den Konflikt in der Ukraine "einfrieren" zu wollen und so mehr Zeit für Waffenlieferungen in das Land zu gewinnen. Das sei eine schizophrene Herangehensweise an den Konflikt, sagte Lawrow. Zuerst wolle der Westen sehen, dass Russland auf dem Schlachtfeld verliere und seine Führungsriege vor Gericht gestellt werde. Erst dann werde der Westen auf einen Frieden in der Ukraine dringen.

Friedensnobelpreisträgerin will "Putin an die Wand drücken"

Die aus Russland stammende Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakowa hat an den Westen appelliert, weiterhin die Ukraine mit allen Kräften zu unterstützen. Dies sei die einzige Perspektive, um einen Frieden im russischen Krieg gegen das osteuropäische Land zu erreichen, sagte Scherbakowa in Hannover. "Putin muss an die Wand gedrückt werden, dann gibt es eine Chance für das andere Russland", betonte die 74-jährige Historikerin und Germanistin. 

Scherbakowa ist Gründungsmitglied der Menschenrechtsorganisation "Memorial", die 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. "Memorial" setzte sich seit 1989 für die Aufarbeitung der stalinistischen Gewaltherrschaft in der früheren Sowjetunion ein. Die Organisation wurde Ende 2021 von den russischen Behörden aufgelöst. Nach dem Beginn des Angriffs auf die Ukraine verließ Scherbakowa ihre Heimat. Heute lebt sie in Berlin. 

Papst-Vermittler trifft russische "Kinderrechtsbeauftragte" und Patriarch Kyrill

Der Friedensbeauftragte des Papstes ist in Moskau mit der per internationalem Haftbefehl gesuchten russischen "Kinderrechtsbeauftragten" Maria Lwowa-Belowa zusammengetroffen. "Wir haben humanitäre Fragen in Zusammenhang mit militärischen Operationen und dem Schutz der Rechte von Kindern erörtert", teilte Lwowa-Belowa auf Telegram nach dem Treffen mit dem italienischen Kardinal Matteo Zuppi mit.

Nach Angaben der ukrainischen Regierung wurden bis Februar mehr als 16.000 Kinder aus der Ukraine nach Russland oder in russisch kontrollierte Gebiete verbracht. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) erließ wegen der mutmaßlichen Verschleppungen Mitte März Haftbefehle gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin und gegen Lwowa-Belowa. Moskau weist die Anschuldigungen zurück und behauptet, die Kinder wieder mit ihren Familien zusammenführen zu wollen.

Kardinal Matteo Zuppi  und Patriarch Kyrill sitzen sich mit ihren Begleitern an einem Konferenztisch gegenüber
Kardinal Matteo Zuppi (2. v. l.) bei Patriarch Kyrill (2. v. r.) in MoskauBild: Moscow Patriarchate Press Service/Handout/REUTERS

Zuppi traf zudem den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill, einen treuen Unterstützer Putins und der russischen Offensive in der Ukraine. Dieser erklärte, "alle Kräfte, die Frieden und Gerechtigkeit erhalten wollen", müssten sich vereinen "in einem Moment, in dem die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen vor großen Problemen stehen". In einer Mitteilung Zuppis heißt es: "Als Christen müssen wir uns gegenseitig helfen, um zu verstehen, wie wir handeln sollen."

Der Kardinal, der auch Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz ist, will Moskau nach Vatikanangaben "zu Gesten der Menschlichkeit" ermutigen und so dazu beitragen, Wege für einen gerechten Frieden zu finden. Am Mittwoch hatte er mit Juri Uschakow, dem außenpolitischem Berater des Kremlchefs, unter anderem humanitäre Fragen in Zusammenhang mit dem Krieg erörtert - ohne dass konkrete Entscheidungen oder Vereinbarungen bekannt geworden wären.

Selenskyj empfängt Ex-US-Vizepräsident Pence

Mit einem Besuch in der Ukraine hat sich der frühere US-Vizepräsident Mike Pence klar an die Seite des angegriffenen Landes gestellt. Damit machte er auch seine Position im Wettbewerb um die Präsidentschaftskandidatur der US-Republikaner für die Wahl 2024 deutlich. "Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Amerika auf der Weltbühne weiterhin führt und dass wir uns der nackten Aggression, die wir hier gesehen haben, entgegenstellen", sagte der 64-Jährige in einem Interview mit dem US-Sender NBC.

Wolodymyr Selenskyj und Mike Pence schütteln sich die Hände
"Unterstützung der USA ist lebenswichtig": Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Ex-US-Vizepräsident Mike Pence in KiewBild: Ukrainian Presidential Press Office/picture alliance

Pence kam in der Hauptstadt Kiew auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zusammen. "Die Unterstützung der USA für unseren Freiheitskampf ist lebenswichtig", sagte Selenskyj. Pence geht gegen seinen früheren Chef, den vormaligen US-Präsidenten Donald Trump, ins Rennen um die Kandidatur seiner Partei, die in den Vorwahlen entschieden wird. In Umfragen liegt Trump bisher weit vor den anderen republikanischen Bewerbern.

Spaniens Ministerpräsident Sánchez in Kiew erwartet

Zum Auftakt von Spaniens EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli wird auch der spanische Regierungschef Pedro Sánchez nach Kiew reisen. Mit dieser ersten Amtshandlung solle die "uneingeschränkte Unterstützung" der Europäischen Union für die Ukraine in allen Bereichen verdeutlicht werden - "militärisch, wirtschaftlich und humanitär", erklärte das Büro von Sánchez. Die Ukraine hat den Status eines EU-Beitrittskandidaten und hofft noch in diesem Jahr auf den Startschuss für formelle Beitrittsgespräche.

jj/rb/nob/AR/kle/fab (dpa, afp, rtr, kna)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.