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USA: Unternehmen fördern Vielfalt weniger - auch wegen Trump

Laura Kabelka | Annika Sost
13. Januar 2025

In den USA wächst der Widerstand gegen eine Politik, die Diversität und Integration fördert. Große Unternehmen schrauben ihre Bemühungen zurück. Donald Trumps zweite Präsidentschaft könnte diesen Trend verstärken.

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USA | Kunden in einer Walmart-Filiale
Walmart, der größte private Arbeitgeber in den USA, ist Teil einer Reihe von Konzernen, die ihre Diversitätsziele zurückschraubenBild: Scott Olson/Getty Images

Das Kürzel DEI steht in den USA für Diversity, Equity and Inclusion, also Vielfalt, Chancengerechtigkeit und Inklusion. Gemeint sind damit Maßnahmen und Programme mit dem Ziel, Menschen nicht aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Hautfarbe zu diskriminieren.

Das DEI-Kürzel ist inzwischen politisch sehr aufgeladen: Progressive sehen darin einen Beitrag zu einer gerechteren Gesellschaft, für Konservative ist es ein Schimpfwort, ähnlich wie "Genderwahn" oder "Quotenfrau" im Deutschen.

Einige große Unternehmen haben nun begonnen, ihre Programme zur Förderung der DEI-Ziele zurückzuschrauben, darunter die Fast-Food-Kette McDonald's, der Supermarkriese Walmart, der Flugzeugbauer Boeing und der Autohersteller Ford.

Das heiße nicht unbedingt, dass ihnen Diversität oder Geschlechtergerechtigkeit nicht mehr wichtig sind, sagen Experten. Vielmehr zeige es, dass Firmen ihre Strategien überdenken, weil sie Ärger vermeiden wollen. In zahlreichen Online-Kampagnen und Gerichtsprozessen argumentieren Konservative, die Diversitätsprogramme seien selbst diskriminierend - etwa gegenüber weißen Männern. 

"Jede Geschäftsführung sollte wissen, dass DEI im Jahr 2025 noch viel kontroverser wird und ein wachsendes Risiko darstellt, um das sie sich kümmern muss", sagt Lily Zheng der DW. Zheng berät Firmen zum Thema DEI und schreibt Bücher.

Was ist DEI und wer profitiert davon?

In den vergangenen Jahrzehnten - und insbesondere seit der Black-Lives-Matter-Bewegung im Jahr 2020 - hat DEI in den USA einen Aufschwung erlebt. Viele Unternehmen haben Schulungen zur Erkennung von Vorurteilen eingeführt, Mentorenprogramme für unterrepräsentierte Gruppen, Einstellungspraktiken zur Förderung der Diversität oder transparente Beförderungskriterien.

Diese Maßnahmen zielen darauf ab, ein faires Umfeld nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch im Bildungswesen und in Institutionen zu schaffen. Systemische Ungleichheit und Diskriminierung sollen so vermieden werden. Gefördert werden soll dagegen die Beteiligung von Menschen unterschiedlicher Geschlechter, Ethnien, Fähigkeiten, sexueller Orientierungen und anderer Identitätsmerkmale. 

Bei DEI gehe es darum, "gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle zu schaffen", sagt David Glasgow, geschäftsführender Direktor des Meltzer Center for Diversity, Inclusion, and Belonging an der New York University.

Neben moralischen Gründen gebe es für Unternehmen auch handfeste geschäftliche Argumente für DEI-Programme, so Glasgow zur DW. Studien hätten gezeigt, dass die Erschließung eines breiteren Spektrums an Talenten zu mehr Innovation und Kreativität führt. Außerdem könnten Unternehmen so einen diverseren Kundenstamm erreichen.

Fortschritt in Wellen

Aber längst nicht jeder oder jede ist ein Fan von DEI. "Seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Affirmative Action im Juni 2023 haben die Klagen gegen DEI deutlich zugenommen", sagt Glasgow. Das Urteil erklärte die in den USA verbreitete Praxis für verfassungswidrig, bei der Zulassung zu Colleges und Universitäten die Ethnie zu berücksichtigen, etwa durch Quoten für Schwarze. Auch außerhalb des Bildungswesen hat das Gerichtsurteil folgen.

Konservative Aktivisten wie Robby Starbuck nutzen verstärkt Social Media, um Firmen für ihre Diversitätsprogramme anzugreifen. Im November 2024 behauptete Starbuck sogar, er habe maßgeblich dazu beigetragen, dass der Handelsriese Walmart sein DEI-Programm beendet hat.

Stephen Miller, ehemaliger Politikberater Donald Trumps und für einen Posten in der kommenden Regierung vorgesehen, hat zahlreiche Klagen eingereicht, unter anderem gegen Meta, den Mutterkonzern von Facebook und Instagram, und den Onlinehändler Amazon. Miller behauptet, DEI-Initiativen würden Weiße diskriminieren. 

Einige Klagen waren bereits erfolgreich. Im September gab der Risikokapitalgeber Fearless Fund bekannt, sein Programm zu Förderung schwarzer Unternehmerinnen dauerhaft einzustellen. Vorausgegangen war ein juristischer Streit mit der konservativen Gruppe "American Alliance for Equal Rights" des Aktivisten Edward Blum. In der Klage wurde behauptet, das Programm verstoße gegen das Bürgerrechtsgesetz von 1866, da es eine Diskriminierung aufgrund der Ethnie darstelle.

USA |  Der designierte US-Präsident Donald Trump hält eine Rede in Mar-a-Lago in Palm Beach
Donald Trump hat angekündigt, er wolle auf Bundesebene "alle Programme für Vielfalt, Chancengerechtigkeit und Inklusion beenden"Bild: Brian Snyder/REUTERS

Solche Klagen könnten noch größere Aussichten auf Erfolg haben, wenn Donald Trump am 20. Januar sein Amt als US-Präsident antritt, glaubt Glasgow von der New York University. "Er wird mehr Richter ernennen, die das Antidiskriminierungsrecht konservativ auslegen. Ich erwarte deshalb, dass in einigen der von uns beobachteten Gerichtsverfahren gegen DEI-Programme entschieden wird." 

Glasgow räumt ein, dass es bei DEI auch Kritikwürdiges gibt - etwa Initiativen, die auf Schuldzuweisungen und öffentliche Beschämung setzen ("blame and shame”), auch mangele es manchmal an Präzision und Wirkung. "Aber es gibt in der Gesellschaft auch eine Gegenbewegung zu Fortschritten bei sozialer Gerechtigkeit", so Glasgow.

Supreme Court: "Affirmative Action" verfassungswidrig

Die DW hat Walmart gefragt, warum der größte private Arbeitgeber der USA sein Trainingsprogramm zur Gleichbehandlung aller Ethnien eingestellt hat. Walmart ließ die Anfrage unbeantwortet.

Ein weiteres großes Unternehmen, das seine DEI-Anstrengungen zurückgefahren hat, wollte sich aus Angst vor Reaktionen nicht dazu äußern.

Lily Zheng glaubt, dass einige Geschäftsleitungen verunsichert sind. In einem zunehmend riskanten Umfeld müssen sie "Entscheidungen treffen, die große Auswirkungen haben auf ihren Gewinn, den Ruf ihrer Marke, die Mitarbeiterbindung und die Arbeitsmoral”.

Eine Frage des Rebrandings? 

Derzeit verfügt noch eine große Mehrheit der US-Firmen über DEI-Richtlinien, so eine Studie von The Conference Board, einem Forschungsinstitut. Rund 80 Prozent der befragten Unternehmen planen, ihre Mittel für DEI-Programme in den nächsten drei Jahren beizubehalten oder zu erhöhen.

Aber selbst Unternehmen, die ihre DEI-Programme reduzieren und ihr Engagement nicht mehr so publik machen, könnten den damit verbundenen Werten immer noch treu bleiben, glaubt Lily Zheng.

"Vielleicht nennen sie es Zugehörigkeit, vielleicht Fairness. Wie auch immer, der Großteil der bestehenden Verpflichtungen scheint sich nicht zu ändern", so Zheng. 

Tatsächlich aktualisierte Walmart nur wenige Wochen nach Donald Trumps Wahlsieg seine Website und benannte dort einen Abschnitt um: aus "Zugehörigkeit, Vielfalt, Chancengerechtigkeit und Inklusion" wurde einfach "Zugehörigkeit". 

Walmart und andere Unternehmen wollten mit ihrem Strategiewandel nicht ausdrücken, dass ihnen "ein vielfältiger Arbeitsplatz nichts mehr bedeute", glaubt David Glasgow von der New York University. Die Botschaft sei vielmehr: "Bestimmte Arten von DEI-Programmen werden wir nicht mehr anbieten."

Doch ohne klare Diversitätsziele werde in diesem Bereich auch weniger investiert, warnt Lily Zheng. Wenn Führungskräfte zögern, Stellung zu beziehen und ihr Engagement für diese Werte zum Ausdruck zu bringen, so Zheng, "könnten wir die Kontrolle darüber verlieren, wie über das Thema gesprochen wird".