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LiteraturNordamerika

Stimme gegen Rassismus - der US-Autor James Baldwin

Sabine Kieselbach
31. Juli 2024

James Baldwin ist einer der wichtigsten afro‐amerikanischen Schriftsteller. Am 2. August wäre er 100 Jahre alt geworden.

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James Baldwin mit Zigarette
Der US-Autor James Baldwin wäre am 2. August 100 Jahre alt gewordenBild: Imago Images

Die Welt, in die James Baldwin 1924 hineingeboren wird, ist eine zutiefst rassistische. Seine Zukunft im New Yorker Stadtteil Harlem - vorhersehbar. Viele Menschen sind arm, es herrscht Polizeigewalt. Baldwin wächst mit acht Geschwistern auf, der Stiefvater ist ein sittenstrenger Baptistenprediger, er hat großen Einfluss auf den jungen James, der zunächst sogar selbst Prediger wird.

Aber James Baldwin will die Begrenzungen, die die Gesellschaft für ihn vorgesehen hat, nicht akzeptieren. Er hat einen Traum, und der heißt: schreiben. Anfangs veröffentlicht er Rezensionen, bald auch Essays und Kurzgeschichten. New York, nein, ganz Amerika, wird ihm zu eng. Hier fühlt er sich als Schwarzer und Homosexueller unterdrückt. Bald 40 Jahre dauert sein Exil in Frankreich - mit Unterbrechungen.

Ein Wanderer zwischen den Welten

Untergehakt: James Baldwin auf einem historischen Foto von 1963 mit anderen Führern der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung
An vorderster Front der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung: James Baldwin (rechts) im Jahre 1963 Bild: Jacob Harris/AP/picture alliance

In seiner französischen Wahlheimat entstehen die Romane, die James Baldwin bekannt machen: "Von dieser Welt" 1953, in dem er seine Kindheits- und Jugenderfahrungen in der heimatlichen Baptistenkirche niederschreibt, und "Giovannis Zimmer" 1956. Dieser Roman wird zum Skandal, denn darin geht es um eine schwule Identitätssuche - eine Auseinandersetzung auch mit seiner eigenen Homosexualität.

Wichtige Figur der Bürgerrechtsbewegung

Für einige Jahre kehrt James Baldwin noch einmal zurück in die USA. Es ist die Zeit der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung, für die er zu einer wichtigen Figur wird. Er ist befreundet mit Martin Luther King, Malcolm X und Nina Simone. Baldwin ist angetrieben von der Hoffnung auf Veränderung, auf Versöhnung. Er will keine weiße Nation, und er will auch keine schwarze. Seine Vision ist eine Nation von Individuen, weder weiß noch schwarz. Eine Vision, die so, wie er glaubt, nur in Amerika erreicht werden könne. Und doch ist da auch eine große Wut, wie er 1961 in einem Radiointerview bekennt:

James Baldwin
Starke Stimme der afroamerikanischen Minderheiten: James Baldwin im Jahr 1979Bild: Raph Gatti/AFP/Getty Images

"Ein Schwarzer in diesem Land zu sein und das relativ bewusst zu erleben, bedeutet, sich fast immer - auch bei der Arbeit - in einem Zustand der Wut zu befinden."

Baldwins zwiespältiges Verhältnis zu Afrika

Die 1960er-Jahre sind nicht nur die Zeit der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA, sondern auch die Zeit der Unabhängigkeitsbewegungen auf dem afrikanischen Kontinent, zu dem James Baldwin lange eine zwiespältige Beziehung hat. Seine Vorfahren waren noch als Sklaven in die USA gebracht worden. Das, so schreibt er, habe ihn und alle Nachfahren entwurzelt und von Afrika entfremdet. Bei einer Reise nach Westafrika fühlt er sich als Eindringling. Seinen Plan, eine Artikel-Serie über Afrika zu schreiben, verwirft er, aus Respekt, wie er sagt.

Buchcover: René Aguigah: James Baldwin. Der Zeuge.
Zum 100. Geburtstag erschienen: das Baldwin-Porträt von René AguigahBild: C.H. Beck Verlag

Der Berliner Journalist René Aguigah hat soeben eine Biografie über James Baldwin vorgelegt: "James Baldwin. Der Zeuge". Im Interview mit der DW sagt er: "Afrika war wichtig für Baldwin. Zu jener Zeit haben sich viele African Americans für Afrika interessiert - und damit auch für ihre eigene Geschichte. Bei Baldwin kam hinzu: In seiner Familie lebte auch die Mutter des Stiefvaters, und die ist noch in der Versklavung geboren worden. Das heißt, er war auf Tuchfühlung mit dieser Geschichte."

Von "Black Lives Matter" wiederentdeckt

Mit der Ermordung der Bürgerrechtsikonen Martin Luther King und Malcom X ist auch die Bürgerrechtsbewegung am Ende. James Baldwin kehrt nach Europa zurück, resigniert, auch wütend. Der amerikanische Traum, erklärt er, sei für ihn ausgeträumt. Sein Blick auf die USA wird zu dem eines distanzierten Beobachters. Baldwin selbst gerät ein wenig in Vergessenheit.

James Baldwin, Sammy Davis Jr., Dr. Martin Luther King auf einer historischen Aufnahme
Historische Aufnahme von James Baldwin (links) mit dem Tänzer Sammy Davis Jr. und dem US-Bürgerrechtlicher Dr. Martin Luther King (rechts)Bild: Imago Images

Es ist die Black Lives Matter-Bewegung, die ihn und sein Werk zurück ins öffentliche Bewusstsein holt, allen voran seine scharfsichtigen Essays. In ihnen analysiert er die alltägliche Gewalt und den Rassismus, die bis heute nicht überwunden sind. Baldwins Biograf René Aguigah empfiehlt Baldwin-Neulingen denn auch einen seiner Essay-Bände als Einstiegslektüre: "The Fire Next Time" aus dem Jahr 1963 (deutsch: "Nach der Flut das Feuer"). Es sei ein Rundumschlag zur Lage der African Americans Anfang der 1960er-Jahre und ein schöner Einstieg deswegen, weil Baldwin darin viele Aspekte aus seinem eigenen Leben berühre - mit dem Blick auf die großen politischen Umstände.

James Baldwin stirbt 1987 im Alter von 63 Jahren an Krebs. Er liegt auf dem Ferncliff Cemetery, Hartsdale, in New York begraben.