Katholische Kirche erweitert Angebot für queere Gläubige
4. Dezember 2024Flächendeckendes Engagement, eigens dafür ausgebildete Seelsorgerinnen und Seelsorger - zum 1. Dezember hat das katholische Erzbistum München-Freising in Bayern seine Seelsorge für queere Menschen neu aufgestellt. Nun gibt es ein "diözesanes Netzwerk Queer-Seelsorge".
Damit bewege sich die Erzdiözese einen "weiteren großen Schritt" auf queere Menschen zu, sagte Ruth Huber bei der Vorstellung. Huber leitet in der Verwaltungszentrale des Erzbistums, dem Ordinariat, das Ressort Seelsorge und kirchliches Leben. Das Erzbistum heiße queere Personen in der katholischen Kirche willkommen und versuche, für sie einen "safer space" in den Räumen der Kirche zu schaffen.
Huber äußerte sich bei einem nicht öffentlichen Empfang zur Vorstellung des Netzwerks. Bis Ende November zeigte die katholische Kirche St. Paul großformatige Porträts von 14 queeren Menschen, die sich in der Initiative "#OutInChurch" für einen anderen Zugang der Kirche mit queeren Mitarbeitenden engagiert hatten.
Mehr kirchliche Angebote
München-Freising ist nicht das erste deutsche Bistum mit einem entsprechenden seelsorgerlichen Angebot. In mehreren Diözesen, so in Freiburg, Trier oder Berlin, gibt es bereits solche Netzwerke. Aber München-Freising ist eines der wichtigsten Erzbistümer in Deutschland. Hier war einst (1977-1982) Joseph Ratzinger Erzbischof, der spätere Papst Benedikt.
Seit Februar hat die Deutsche Bischofskonferenz einen eigenen "Beauftragten für Queer-Pastoral", den Essener Weihbischof Ludger Schepers. Im DW-Gespräch verweist er darauf, dass er das Amt bereits sechs Jahre "ohne den offiziellen Auftrag" ausgeübt habe. Immerhin tauchte der Begriff "queer" nach der Vollversammlung der Bischöfe im Februar 2024 zum zweiten Mal überhaupt im traditionellen zehn- bis 15-seitigen Pressebericht auf.
Schepers begrüßt den Aufbau des Netzwerks in München. Wahrscheinlich werde "nicht jede Diözese das Thema so groß aufziehen können wie große Erzbistümer wie beispielsweise München oder Freiburg". Deshalb sollten sich die Bistümer untereinander vernetzen. Seine Erwartung ist klar: "Wünschenswert ist aber im Grundsatz, dass vor Ort jedes Personal, vom Priester oder Diakon über die Pastoral- und Gemeindereferent:innen bis hin zur Pfarrsekretärin oder dem Hausmeister, sensibel dafür ist in seiner Wortwahl und dass die Anliegen der Menschen ernst genommen werden. Es sollte zu keinen Diskriminierungen kommen." Die Mahnung hat gute Gründe.
Kampf gegen Diskriminierung
Es ist noch keine zwei Jahre her, dass die Kirche ihr Arbeitsrecht für die rund 790.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Caritas und Kirche liberalisierte. Seitdem will die Kirche nicht mehr auf die private Lebensführung ihrer Mitarbeitenden schauen und auch niemanden mehr entlassen, der eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft eingeht. Über Jahre hatten mutige Mitarbeitende dafür gekämpft und Fälle von Diskriminierung angeprangert.
Im Erzbistum München-Freising soll das Netzwerk nun die Seelsorge der Kirche bewusst für queere Menschen und ihre Angehörigen öffnen. Dafür wurden 17 Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern aus dem Bereich der Seelsorge qualifiziert. Sie sollen Erfahrungen aus der Queer-Seelsorge auch in die offiziellen kirchlichen Gremien einbringen.
Eine der 17 ist Franziska Ilmberger, Pastoralreferentin in der Münchner Hochschulseelsorge. Für sie bedeute Christsein, sich einzusetzen, "wenn Menschen Unrecht getan wird", auch in der Kirche, sagte sie der Münchner "Abendzeitung". Besonders queere Menschen würden in ihrem Leben viel Unrecht erfahren und zum Beispiel dafür verurteilt, wen sie lieben. Dagegen, so Ilmberger, stehe für sie die Botschaft Jesu.
Kevin Hellwig bewertet die Etablierung des Netzwerks als "sehr gut". "Man kommt den Menschen entgegen, die man über Jahrzehnte und Jahrhunderte aus der Kirche vergrault hat. Und reicht ihnen die Hand", sagt der 29-Jährige der DW. Hellwig übernimmt als Mesner viele Aufgaben zur Unterstützung des Geistlichen in einer Pfarrei im Süden von München. Und er ist gleichgeschlechtlich verlobt.
Man könne sicher auch jetzt nicht erwarten, "dass Schwule und Lesben der Kirche die Tür einrennen werden", sagt er. Es sei wichtig, dass die Kirche auch dahin gehe, wo Schwule und Lesben sind und mit ihnen das Gespräch suche. "Das wäre meiner Meinung nach der richtige Weg." Hellwig ist es auch wichtig, dass die Kirche sich mit dem Engagement für queere Menschen gegen rechte Demos stellt, bei denen Katholiken mit geradezu rechtsradikaler Gesinnung ihren Hass gegen jedes LGBTQ+-Leben bekunden.
Bischof: Die Basis ist weiter
Nach Einschätzung von Weihbischof Ludger Schepers aus dem Bistum Essen im Ruhrgebiet im Westen Deutschlands sind die Gläubigen "an der Basis" beim Thema queeres Leben häufig weiter als die Kirche. Sicher gebe es auch Ausnahmen.
Jeder Mensch sei ein Geschöpf Gottes, betont der Geistliche. "Und so wie er oder sie jetzt ist, ist das einfach so… Es gibt kein Weniger und kein Mehr an Würde." Die Offenheit der Basis ist das eine. Aber Schepers rechnet damit, dass es seitens der Bischöfe nicht so schnell weitere Bewegung bei der Beurteilung gleichgeschlechtlicher Liebe geben werde. Das werde sicher ein schwieriger Prozess.
Was in den Texten der Kirche stehe, "ist zeitbedingt und muss angesichts der Erkenntnisse, die wir heute in moraltheologischer und ethischer Sicht haben, überprüft werden". Darum solle es beim kirchlichen Dialogprozess in Deutschland gehen, dem Mitte Dezember tagenden Synodalen Ausschuss: "Daran werden wir weiterarbeiten."
Forderung nach mehr Bewegung in der Kirche
Kevin Hellwig, der Münchner Mesner, hat konkrete Erwartungen. In der katholischen Sexualmoral bleibe "der homosexuelle Akt", die gleichgeschlechtliche körperliche Liebe, "nach wie vor Sünde. Da hat sich überhaupt nichts geändert". Allein auf seelsorgerliche Angebote zu setzen und die lehramtlichen Vorgaben beizubehalten, sei für ihn "Vertröstung".
Das neue Netzwerk sei für ihn, sagt Hellwig, "einfach nur die Hoffnung auf mehr. Da muss die Kirche sich deutlich weiter bewegen." Vielleicht werde das Netzwerk der Seelsorger ja den "Druck nach oben" weiterleiten.