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WM 2023: Casey Phair schreibt Fußball-Geschichte

John Duerden
25. Juli 2023

Casey Phair ist die jüngste WM-Spielerin aller Zeiten - und zudem die erste Fußballspielerin mit gemischter Herkunft, die Südkorea bei einer WM vertritt.

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Die Südkoreanerin Casey Phair am Ball - im ersten WM-Spiel  Südkoreas gegen Kolumbien.
Casey Phair gab beim Auftaktspiel Südkoreas gegen Kolumbien ihr WM-DebütBild: Rick Rycroft

Als Südkoreamit einer 0:2-Niederlage in die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland gegen Kolumbien startete, schrieb Casey Phair Fußball-Geschichte. Als sie in der 78. Minute als Einwechselspielerin den Platz betrat, wurde sie mit 16 Jahren und 26 Tagen die jüngste WM-Spielerin aller Zeiten - und zudem die erste WM-Spielerin Südkoreas, die ihre Wurzeln in den USA hat.

Phair, die Tochter eines amerikanischen Vaters und einer südkoreanischen Mutter, ist in den Vereinigten Staaten geboren und aufgewachsen. Sie wurde in den 23-köpfigen Kader der südkoreanischen Nationalmannschaft aufgenommen, den Nationaltrainer Colin Bell am 5. Juli für das Turnier benannt hat. Südkorea trifft in der Gruppe H auch auf Marokko und Deutschland.

Bell: "Immer noch ein Kind"

"Für mich ist sie immer noch ein Kind. Und es ist meine Pflicht, sie zu beschützen, damit sie sich entwickeln und ihr Potenzial voll ausschöpfen kann", sagt Bell. "Sie hat sich sehr gut in die Mannschaft eingefügt. Sie ist dabei, weil sie es verdient hat."

Phair war hocherfreut, dass sie das Heimatland ihrer Mutter vertreten kann. "Ich bin wirklich stolz und fühle mich geehrt, dass ich diese Chance bekomme", sagt sie. "Und ich bin bereit und möchte alles tun, um dem Land zu helfen."

Wendepunkt vor Olympia 2018

Phairs Nominierung ist außergewöhnlich, weil die Verantwortlichen der südkoreanischen Nationalmannschaften bisher nur sehr selten auf Talente zurückgegriffen haben, die in anderen Teilen der Welt leben. "Die Diaspora wurde lange Zeit von vielen Ländern unterschätzt und von einigen sogar völlig ignoriert", sagt Simon Chadwick, Professor für Sport und geopolitische Ökonomie an der SKEMA Business School in Paris, zur DW.

In der jüngeren Vergangenheit hatte es aber einen (notwendigen) Wandel gegeben. Denn nachdem Südkorea das Gastgeberrecht für die Olympischen Winterspiele 2018 erhalten hatte und damit automatisch für alle Wettbewerbe qualifiziert war, stellten die Sportfunktionäre fest, dass es dem Land in mehreren Disziplinen an Athletinnen und Athleten fehlte.

Eines der besten Beispiele dafür war der Eishockeysport: Im Rahmen eines Einbürgerungsprogramms erhielten 19 Menschen koreanischer Abstammung die Staatsbürgerschaft, darunter Danielle Im, die ihre Heimatstadt Toronto verließ, um für das Frauenteam zu spielen. Ähnlich wie der aus Chicago stammende Tyler Bricker, der nun für die Männermannschaft aufs Eis geht.

Für Eishockey eingebürgert

Im Gegensatz zu Eishockey ist Fußball in Südkorea jedoch alles andere als eine Rand-Sportart. Das Land kann auf eine jahrzehntelange Fußballgeschichte zurückblicken. Die Nationalmannschaft der Männer konnte sich zum Beispiel für letzten zehn Weltmeisterschaften qualifizieren. Nur Brasilien, Argentinien, Spanien und Deutschland haben eine längere, nicht unterbrochene Serie vorzuweisen.

Während Japan und China bereits Fußball-Spielerinnen ausgewählt haben, die im Ausland geboren wurden, ist die Nominierung von Phair in die Frauen-Nationalmannschaft dagegen eine Premiere für Südkorea und könnte auch politisch Vorteile haben.

Es besteht die Hoffnung, dass Phairs Nominierung, insbesondere wenn sie bei dem Turnier gut spielt, zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Südkoreanern und deren im Ausland lebenden Landsleuten beitragen könnte. "Es gibt eindeutig eine Kluft zwischen den Koreanern in Südkorea und den koreanischen Amerikanern in den USA", sagt Steve Han, ein südkoreanischer Fußballjournalist, gegenüber DW. 

Fußball als Mittel zur Annäherung

Han merkt an, dass es für die Akzeptanz von Phair durchaus hilfreich sein könnte, dass sie weiblich ist. Der Grund: Die Südkoreanerinnen und Südkoreaner haben eine sehr hohe Meinung vom Niveau des Frauenfußballs in Amerika.

"Vielleicht ist die Frauen-WM in diesem Sommer dafür noch zu früh. Aber wenn Casey eines Tages eine tragende Rolle für Südkorea im Frauenfußball spielen kann, besteht die Hoffnung, dass der Sport tatsächlich dazu beitragen kann, die Kluft zwischen den beiden Gemeinschaften zu überbrücken", so Han.

Niedrige Geburtenrate

Südkorea ist nach wie vor eine äußerst homogene Gesellschaft, in der sich weniger als fünf Prozent der rund 51 Millionen Einwohner als Nicht-Koreaner bezeichnen würden. Und das hängt mit dem zusammen, was als das größte Problem des Landes bezeichnet wurde.

Südkorea hat die weltweit niedrigste Geburtenrate von nur 0,78 Babys pro Frau und liegt damit weit unter einem Wert, der zur Aufrechterhaltung der Bevölkerungszahl erforderlich ist. Die Regierung in Seoul hat umgerechnet rund 190 Milliarden Euro für Bemühungen ausgegeben, den Geburtenrückgang umzukehren - allerdings mit wenig Erfolg.

"Das Problem der niedrigen Geburtenrate ist ein wichtiges nationales Thema", sagte Präsident Yoon Suk-yeol im März dieses Jahres und fügte hinzu, dass Korea eine "Notstandsmentalität" einnehmen müsse, um das Problem zu lösen.

Änderung einer nationalen Mentalität

Eine offensichtliche mögliche Lösung ist die Einwanderung, die andere Länder nutzen, um die auf der alternden Bevölkerung liegende Last zu lindern. Doch Südkorea hat die Einwanderung nie begrüßt. Selbst die relativ geringe Zahl jemenitischer und afghanischer Flüchtlinge, die zwischen 2018 und 2022 ins Land kamen, hat Kontroversen ausgelöst.

Colin Bell, Trainer der südkoreanischen Frauenfußballmannschaft, gibt eine Pressekonferenz
Südkoreas Nationaltrainer Colin Bell hofft auf eine gute Leistung seines TeamsBild: Yonhap/picture alliance

Einige hoffen, dass die Teilnahme Phairs an der Weltmeisterschaft in diesem Sommer ein erster wichtiger Schritt ist, diese Einstellung bei der Bevölkerung zu ändern. "Man darf nicht vergessen, dass sie immer noch eine gebürtige Koreanerin ist und mit einem koreanischen Elternteil aufgewachsen ist", sagt Han. Das sei für die Koreaner einfacher zu akzeptieren.

Doch ihre Nominierung ist nur der Anfang. Der nächste und viel größere Schritt wäre, so Han, wenn ein nicht in Südkorea geborener Einwanderer das Land repräsentieren würde. "Das wäre wahrscheinlich der Punkt, an dem der Sport beginnen könnte, eine Rolle bei der Öffnung der südkoreanischen Gesellschaft zu spielen".

Der Text wurde aus dem Englischen übersetzt und nach dem WM-Debüt Phairs aktualisiert.