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PolitikGlobal

Wie sich Elon Musk auf X in die Weltpolitik einmischt

9. August 2024

Der Milliardär nutzt seine Plattform als Megafon, um in Debatten von Großbritannien über Deutschland bis Venezuela einzugreifen. Seine Kommentare folgen oft einem ähnlichen Muster – und Widerstand formiert sich.

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Elon Musk während der Viva Technology-Konferenz in Paris im Jahre 2023.
Nirgendwo werden Musks Ambitionen, Einfluss auf die Politik zu nehmen, deutlicher als auf XBild: Gonzalo Fuentes/REUTERS

Unruhen in Großbritannien. Präsidentschaftswahlen in Venezuela. Der Umgang Deutschlands mit der in Teilen rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD).

Dies sind nur drei aktuelle Beispiele dafür, wie sich Elon Musk, der reichste Mann der Welt, in die politischen Debatten anderer Länder einmischt, fernab von seinem Wohnsitz in Texas.

Vor den US-Präsidentschaftswahlen im November nutzt Musk seine Social-Media-Plattform X nicht nur, um die Kandidatur von Donald Trump zu unterstützen. Häufig twittert der Milliardär an seine mehr als 193 Millionen Follower auch über politische Debatten anderer Länder, oft anscheinend mit begrenztem Verständnis für die Situation vor Ort.

Ist zu viel Reichtum eine Gefahr für die Demokratie?

"Elon Musk ist weit entfernt von einer informierenden, aufgeklärten Position zu den Debatten hier in Europa - was nicht verwunderlich ist, da er in den USA lebt und vor allem in den US-amerikanischen Raum hinein kommuniziert", sagt Jan Philipp Albrecht, Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Trotz einer Vielzahl von Themen folgen Musks Posts meist einem ähnlichen Muster. Oft prangert der Milliardär an, was er als linke Ideale und Tendenzen wahrnimmt, die seiner Meinung nach zum Verfall von Gesellschaften beitragen.

"Er bewegt sich in einer ganz bestimmten Blase von ultra-libertären und rechtspopulistischen, reaktionären Stimmen, zu denen er sich auch zugehörig fühlt. Dementsprechend bezieht er auch seine Informationen vor allem aus diesen Kreisen und verbreitet so häufig Verschwörungsmythen und Desinformation", sagt Grünen-Politiker  Albrecht, ehemals Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein.

"Das ist hochbedenklich, wenn man seine Reichweite und vor allem die Reichweite seiner Plattform betrachtet”, so Albrecht gegenüber der DW.

Wachsendes Vermögen, wachsender politischer Einfluss

Seit der Gründung seines ersten Unternehmens Mitte der 1990er Jahre hat der Unternehmer Musk, geboren in Südafrika, eine Reihe erfolgreicher Firmen aufgebaut und dabei ein geschätztes Vermögen von mehr als 209 Milliarden Dollar angehäuft. In den letzten zehn Jahren hat ihm seine Beteiligung an Unternehmen wie dem Raumfahrtunternehmen SpaceX und dessen Satellitentochter Starlink auch zu stetig wachsendem politischen Einfluss verholfen.

Nirgendwo werden Musks Ambitionen, sich in die Politik einzumischen, jedoch deutlicher als auf X. Im Jahr 2022 kaufte er die Plattform, damals noch Twitter. Seitdem hat sich dort ein ganzes Ökosystem rechtsgerichteter Content-Creators etabliert. Gleichzeitig wurde X bei Anhängern der politischen Rechten immer beliebter, so eine Studie des Pew Research Center aus diesem Jahr.

Musk selbst veröffentlich und teilt mehrere Beiträge pro Tag. Sie reichen von Memes über Ankündigungen seiner Unternehmen, bis hin zu Kommentaren über politische Debatten. 

Eine Abbildung von Elon Musks Account beim Kurznachrichtendienst X
Elon Musk kaufte X, damals noch Twitter, für $44 MillionenBild: IMAGO/ANP

Lange Zeit galt Musk als ideologisch schwer einzuordnen. "Doch seit er die Plattform erworben hat, hat er offen mehr rechte Ansichten und rechte Politikerinnen und Politiker unterstützt", so Matthew Facciani, Sozialwissenschaftler an der Universität von Notre Dame in den USA.

Laut Facciani, der zu sozialen Netzwerken und politischer Polarisierung forscht, deuten Musks Online-Aktivitäten darauf hin, dass der Milliardär "eine beträchtliche Menge an rechten Inhalten auf seiner Plattform konsumiert".

"Viele Menschen können sich in sozialen Medien in Informations-Echokammern verlieren, und Elon Musk scheint da nicht anders zu sein - abgesehen von seinem enormen Reichtum und Einfluss", so Facciani gegenüber der DW. 

Verspottung von Weltpolitikern

Der Drang des Milliardärs, sich in politische Debatten einzumischen, macht an Ländergrenzen nicht halt.

Anfang August geriet er mit der britischen Regierung aneinander, als er auf X schrieb, dass nach Angriffen auf Moscheen und Hotels, in denen Asylbewerbende untergebracht sind, in Großbritannien "ein Bürgerkrieg unausweichlich" sei.

Demonstranten setzen eine Mülltonne vor einem Hotel in Rotherham in Großbritannien in Brand
Mit seinen Kommentaren zu Ausschreitungen hat Elon Musk die britische Regierung empörtBild: Hollie Adams/REUTERS

Nachdem ein Regierungssprecher seine Äußerungen mit den Worten zurückgewiesen hatte, es gebe dafür "keine Rechtfertigung", holte Musk erneut aus und bezeichnete den britischen Premierminister Keir Starmer als "Zwei-Klassen-Keir": anscheinend eine Anspielung auf ein in rechten Kreisen kursierendes Narrativ, wonach die britische Polizei gegen weiße rechtsextreme Protestierende härter durchgreife als gegen Minderheiten.

Vor seinen Äußerungen zu Großbritannien war Musk nach der umstrittenen Wiederwahl von Venezuelas Präsident Nicolas Maduro in einen heftigen Streit mit dem sozialistischen Politiker geraten. Im Laufe dessen bezeichnete Musk Maduro als "Diktator" und schrieb, er würde ihn persönlich "auf einem Esel" in das US-Gefangenenlager Guantanamo Bay tragen. Wenige Tage später ordnete Maduro per Dekret eine zehntägige Sperrung von X im Land an.

Sympathien für Deutschlands Rechtspopulisten

In Deutschland hat Musk wiederholt Schlagzeilen gemacht mit Sympathiebekundungen für die AfD, die der Verfassungsschutz als in Teilen rechtsextrem einschätzt.

Im Herbst 2023 teilte der Unternehmer einen Beitrag, in dem der Umgang der deutschen Regierung mit irregulärer Migration kritisiert und Unterstützung für die AfD geäußert wurde. Im Juni dieses Jahres antwortete er auf die Äußerung einer in rechten Kreisen beliebten Influencerin, dass sie die AfD gewählt habe: "Es heißt immer 'rechtsextrem', aber die Politik der AfD, über die ich gelesen habe, klingt nicht extremistisch."

Widerstand formiert sich, Strafen drohen

Es stehe Musk frei, seine Meinung im Rahmen der bestehenden Rechtslage zu äußern, sagt Grünen-Politiker Albrecht, einer der lautesten Kritiker von Musks Äußerungen zu deutscher Politik.

Das Problem sei, so Albrecht, dass er dafür X nutze - seine eigene Plattform, die er gekauft hat und nun kontrolliert. Dies stelle die Neutralität des Netzwerks und damit auch ein Neutralitäts-Privileg in Frage, das die frühere Plattform Twitter wie andere Social-Media-Plattformen in der Europäischen Union genieße.

Als in den 2000er Jahren die ersten Netzwerke aufkamen, beschlossen europäische Gesetzgeber, diese generell als neutrale Kommunikations-Plattformen zu behandeln, ähnlich wie Telekommunikationsanbieter. Jetzt, da ein neues EU-weites Gesetzpaket für soziale Medien, das Digitale-Dienste-Gesetz (DSA), in Kraft getreten ist, sei es an der Zeit, diesen Ansatz neu zu diskutieren.

Jan Philipp Albrecht, im blauen Anzug, während eines Foto-Shootings
Seit 2022 ist Jan Philipp Albrecht einer von zwei Vorständen der Grünen-nahen Heinrich-Böll-StiftungBild: Sibylle Fendt/OSTKREUZ

Die Europäische Kommission hat unter dem neuen DSA bereits eine Untersuchung gegen X wegen schädlicher Inhalte auf seiner Plattform eingeleitet. Sollte die EU zu dem Schluss kommen, dass X geltende Vorschriften zur Bekämpfung illegaler Inhalte und Desinformation oder ihre Transparenzanforderungen nicht einhält, könnte Brüssel das Unternehmen mit saftigen Geldstrafen von bis zu 6 Prozent seines weltweiten Umsatzes belegen.

"Die Europäische Kommission muss jetzt das Recht gegenüber einem Akteur wie Elon Musk mit aller Härte durchsetzen", fordert Albrecht, der von 2009 bis 2018 im Europäischen Parlament saß. "Es geht nicht darum, dass diese Plattform verschwinden soll, und es geht auch nicht darum, dass Elon Musk seine Meinung nicht äußern darf - aber er muss sich an die Regeln halten wie alle anderen auch. Und wer sich nicht an die Regeln hält, muss eben mit Strafen belegt werden."

Kommentarbild Janosch Delcker
Janosch Delcker Chefkorrespondent für Technologie