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Wie Kongos Ex-Polizeichef dem Präsidenten droht

Philipp Sandner | Wendy Bashi
12. Oktober 2023

Gerade, als sich Felix Tshisekedis Herausforderer um die Präsidentschaft im Kongo in Stellung bringt, ruft der geschasste General John Numbi zum Ungehorsam auf - bis hin zum Putsch.

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Demokratische Republik Kongo | Der ehemalige Polizeichef von Kinshasa, John Numbi
John Numbi in seiner Zeit als Polizeichef von Kinshasa (Archivfoto von 2011)Bild: JUNIOR KANNAH/AFP/Getty Images

Er war eine der wichtigsten Figuren um den ehemaligen kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila. Doch unter Nachfolger Félix Tshisekedi geriet er aus dem Sichtfeld. Jetzt, zum Ende von Tshisekedis Amtszeit, meldete er sich zurück: John Numbi, ehemaliger Polizeichef und Generalinspektor der Armee der Demokratischen Republik Kongo.

In einer Videobotschaft in den Sozialen Netzwerken wandte sich Numbi an seine Landsleute. Er fühle sich verpflichtet, sein Schweigen zu brechen, sagte er - und rief mehr oder weniger offen zum Aufstand gegen den Staatschef auf: "Wenn der Commander-in-Chief durch seine Unreife, seine notorische Inkompetenz und seinen Nepotismus selbst zu einer Gefahr wird, sind die Armee und die Polizei nicht mehr verpflichtet, ihm zu gehorchen", sagte Numbi.

Präsidentschaftskandidaten bringen sich in Stellung

In Umlauf brachte Numbi diese Botschaft am vergangenen Sonntag - just, als die Frist für die Kandidatur zur Präsidentschaftswahl ablief. Sofern alle Kandidaten bestätigt werden, wird sich Tshisekedi bei den Wahlen am 20. Dezember mit einigen ernstzunehmenden Herausforderern messen müssen.

Darunter der einflussreiche Fußballmagnat Moïse Katumbi, der wie John Numbi aus Katanga stammt und sich als Gouverneur der Provinz einer enormen Beliebtheit erfreute. Nach seinem Bruch mit Kabila ging er wegen gerichtlicher Verfolgung ins Exil - und wurde 2018 an der Einreise gehindert, so dass er seine Kandidatur nicht einreichen konnte. Aber auch der Friedensnobelpreisträger und Aktivist für den Frieden im Ostkongo Denis Mukwege bewirbt sich um das höchste Staatsamt, ebenso Martin Fayulu, Tshisekedis größter Gegenspieler bei den Wahlen von 2018, dem Wahlbeobachter die meisten Stimmen attestiert hatten - bevor das offizielle Ergebnis Tshisekedi vorne sah.

Bildkombo DR Kongo Felix Tshisekedi Moise Katumbi Denis Mukwege Martin Fayulu (v.l.o. nach r.u.)
Die vier aussichtsreichen Kandidaten (v.l.o.n.r.u.): Amtsinhaber Felix Tshisekedi, der frühere Gouverneur von Katanga Moïse Katumbi, Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege sowie der Mitfavorit von 2018, Martin FayuluBild: AFP/Getty Images, picture alliance, G. Kusema, DW

Damals ging das Gerücht, dass Tshisekedi sich in einem geheimen Treffen mit Joseph Kabila auf eine Art Machtteilung eingelassen und so Fayulu ausgebotet hatte: Kabila, dessen PPRDM immerhin die wichtigste Partei im neuen Parlament war, könnte weiter die Strippen ziehen, und "Fatshi", wie der neue Präsident im Volksmund genannt wird, würde den Wunsch der Bevölkerung nach einem Machtwechsel nach außen befriedigen.

In seiner Rede beschuldigte John Numbi Tshisekedi offen, das Abkommen gebrochen zu haben, indem er Korruption und ethnischer Diskriminierung freien Lauf lasse. Er selbst habe mit seinem Einsatz dafür gesorgt, dass Tshisekedi akzeptiert worden sei. Dieser hingegen habe "auf alle gespuckt, die für seine Macht gekämpft haben".

Kein Putsch in Sicht im Kongo

In den vergangenen Jahren haben sich nicht nur in Westafrika die Putsche gehäuft. Auch im Zentralen Afrika stehen Tschad und Gabun unter Militärführung. Es sind Entwicklungen, die offenbar auch unter den Mächtigen Ängste vor weiteren Aufständen schüren - so haben zuletzt einige Autokraten ihre Militärführung neu besetzt.

Gabun, Libreville | Republikanische Garde patrouilliert in den Straßen
Putsch in Gabun: im Kongo gilt eine vergleichbare Aktion als wenig wahrscheinlichBild: Scott Ngokila/REUTERS

Für den kongolesischen Sicherheitsexperten Jean-Jacques Wondo deutet zunächst allerdings noch nichts auf einen Putsch im Kongo hin: "Die kongolesische Armee ist aus dem Zusammenschluss mehrerer Armeen der Kriegsparteien entstanden, die sich seit 1996 bekämpft haben", sagt Wondo im DW-Gespräch. Anders als die republikanischen Armeen Westafrikas könne man diese am ehesten als "Armee der Milizen" bezeichnen. "Es ist schwer vorstellbar, dass ein Militär entscheidet, den Präsidenten zu entlassen, und damit die Unterstützung anderer bekommt." Allerdings sei es denkbar, dass ein Einzelkämpfer oder eine kleine Gruppe, die ihre Macht überschätzt, ein großes Blutvergießen anrichte.

Zudem bestehe die Gefahr, dass im Militär als Antwort auf Numbis Aufruf eine Art Hexenjagd auf dessen - und Kabilas - Verbündete beginne, die ihrerseits zu einer Eskalation führen könne, befürchtet Wondo.

Numbi "versucht, seine Verbrechen zu vertuschen"

Der Einfluss des alten Generals mag zurückgegangen sein. Er selbst lebt seit zwei Jahren im simbabwischen Exil: Zurzeit läuft gegen ihn ein Prozess wegen des Mordes am Menschenrechtsaktivisten Floribert Chebeya im Mai 2010. Chebeya hatte auf Menschenrechtsverletzungen innerhalb des Militärs gewiesen. Am Tag seines Verschwindens war er im Polizeihauptquartier in der Hauptstadt Kinshasa, wo er Numbi - damals Polizeichef - hätte treffen sollen. Später wurde er in einem Vorort tot aufgefunden.

DRK Oppositionspolitiker Floribert Chebeya
Floribert Chebeya galt bis zu seinem gewaltsamen Tod 2010 als einer der einflussreichsten Menschenrechtsaktivisten der DR KongoBild: Etienne Ansotte/dpa/picture-alliance

Kurz nach dem Mord wurde Numbi suspendiert - doch er blieb im Machtzirkel von Präsident Kabila, der ihn noch 2018, kurz vor der Wahl seines Nachfolgers Tshisekedi, zum Generalinspektor der Armee ernannte. Tshisekedi brach mit einigen von Kabilas Gefolgsleuten. In Simbabwe ersuchte er um die Auslieferung Numbis bei seinem Amtskollegen Emmerson Mnangagwa. Die Angst vor dem General bleibt.

Zwischen den scharfen Tönen drängt Numbi im nun veröffentlichten Video immer wieder auf einen demokratischen Machtwechsel. Der Präsident dürfe diesen nicht behindern. Aktivist Franck Citende vom nationalen Netzwerk der NGOs für Menschenrechte Rhenadoc empört sich über diesen Ton: "General John Numbi ist ein Deserteur, dem es nicht zusteht, irgendjemand zu belehren", sagt Citende der DW. "Er denkt, er kann ein Ablenkungsmanöver starten, um seine Verbrechen zu vertuschen."