Wie Europa auf Trumps Wahlsieg reagiert
6. November 2024Schon als sich Donald Trumps Wahlsieg abzuzeichnen begann, gingen die ersten Glückwünsche aus Europa ein: Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, Rechtspopulist und als Trump-Fan bekannt, eröffnete den Reigen und pries Trumps Wahlsieg als "größtes Comeback in der Geschichte der US-Politik" und einen "dringend benötigten Sieg für die Welt." Auch der britische Premierminister Keir Starmer gratulierte zu einem "historischen Sieg" und sagte, er freue sich auf die Zusammenarbeit in den kommenden Jahren.
Etwas verhaltener waren die Glückwünsche anderer Staats- und Regierungschefs auf X (vormals Twitter). Der französische Präsident Emmanuel Macron gratulierte und kündigte an, bereit zur erneuten Zusammenarbeit zu sein - allerdings "mit Ihren und meinen Überzeugungen". Außerdem griff er zum Telefonhörer und vereinbarte nach eigener Auskunft, sich mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz in diesem neuen Kontext für ein "geeinteres, stärkeres und souveräneres Europa" einsetzen zu wollen.
Staatschefs wollen bilaterale Verbindungen stärken
Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sprach von einer "unerschütterlichen Allianz" zwischen Italien und den USA und zeigte sich davon überzeugt, dass diese "strategische Verbindung" nun noch weiter gestärkt werde. Auch Irland wolle die historischen und unverbrüchlichen Bande zwischen den beiden Ländern vertiefen und stärken, schrieb der irische Premierminister Simon Harris auf X. Die lettische Ministerpräsidentin Evika Silina fügte ihren Glückwünschen den Hinweis an, ihr Land gebe mehr als drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aus.
In seiner letzten Amtszeit von 2017 bis 2021 bestand Donald Trump darauf, dass alle NATO-Staaten das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel erreichen. Demnach müssen NATO-Mitglieder mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigungsausgaben investieren. In der Vergangenheit hat Trump immer wieder erklärt, dass er einem säumigen NATO-Mitgliedstaat im Angriffsfall nicht beistehen würde.
Auch NATO-Generalsekretär Mark Rutte gratulierte Donald Trump bereits am Morgen, wie er später auf X mitteilte. Trumps Führung werde entscheidend sein, um die Stärke der Allianz zu erhalten, sagte der Niederländer.
Brüssel sorgt sich um wirtschaftliche Beziehungen
Auch die Brüsseler Institutionen gratulierten Donald Trump. Von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hieß es in einem Statement, die EU und die USA seien "mehr als nur Verbündete." Vielmehr handele es sich um eine Partnerschaft, die 800 Millionen Bürger vereine. An dieser transatlantischen Partnerschaft, die den Bürgern Vorteile bringe, wolle sie gemeinsam arbeiten. Millionen von Arbeitsplätzen und Milliardenbeträge für Handel und Investments hingen von den Wirtschaftsbeziehungen ab.
Donald Trump hatte im Vorfeld seines Wahlsieges Zölle in Höhe von 10 bis 20 Prozent für Waren aus der EU angekündigt. In Brüssel sorgt dies zusammen mit den Erfahrungen aus der Vergangenheit für Furcht vor Handelsstreitigkeiten zwischen der EU und den USA. Im Gespräch mit der DW betonte David McAllister, Mitglied der konservativen EVP-Fraktion, am frühen Morgen, dass solche Zölle sehr schädlich für Europa und vor allem Deutschland wären. Man müsse den amerikanischen Partnern klar machen, dass man die Mittel habe, zurückzuschlagen und dass dies beide Seiten zu Verlierern machen würde. Auch der Vorsitzende des Handelsausschusses, der Sozialdemokrat Bernd Lange, erwartet "unberechenbare und unruhige" Zeiten in der Handelspolitik.
Bereits während seiner vorherigen Amtszeit hatte Donald Trump Stahl und Aluminium aus der EU mit Importzöllen belegt. Diese wurden unter Präsident Joe Biden ausgesetzt. Auch ein bereits länger andauernder Streit über Subventionen von Airbus und Boeing ist derzeit pausiert. Der Warenhandel zwischen der EU und den USA machte laut EU-Kommission 2022 rund 870 Milliarden Euro aus.
Ian Lesser, Leiter des Brüsseler Büros des Thinktank German Marshall Fund, erwartet dass Trumps"America First"-Ansatz eine Rolle spielen wird. Denn dieser "Wirtschaftsnationalismus" sei der Kern von Trumps Weltanschauung und werde sicher von vielen, die in die Regierung kämen, geteilt werden. Dies werde gerade mit Blick auf die Sicherheitslage, in der es mehr Zusammenhalt brauche, eine schwierige Situation werden, erwartet Lesser.
Was bedeutet der Wahlsieg Trumps für die EU aus geostrategischer Sicht?
Der ausscheidende Ratspräsident Charles Michel betont bei seinen Glückwünschen, dass man sich als "Verbündete und Freunde" auf die Fortsetzung der konstruktiven Zusammenarbeit freue. Die EU werde ihren Kurs als "starker, geeinter, wettbewerbsfähiger und souveräner Partner" fortsetzen und das multilaterale System verteidigen.
Innerhalb der EU herrscht insbesondere Sorge, dass Trump Hilfen für die Ukraine streichen könnte. Nach Angaben der NATO wäre die EU nicht in der Lage, diese Lücke zu füllen, berichtet die Nachrichtenagentur AFP.
Innerhalb der EU herrscht bereits seit längerem die Überzeugung, dass man sich unabhängiger machen müsste von den USA. Die USA würden von den Europäern erwarten, dass sie mehr für ihre eigene Sicherheit und Verteidigung täten und dies gelte unabhängig von dem Ausgang dieser Wahl, sagte McAllister, Vorsitzender im Außenausschuss des EU-Parlaments. Die Schaffung des Postens eines Verteidigungskommissars durch Kommissionspräsidentin von der Leyen sei ein richtiger Schritt.
Auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, betonte, die EU müsse die Konsequenz ziehen "europäisch" zu denken und sich aus sich selbst heraus zu stärken.
Ist Brüssel vorbereitet?
Von Seiten der EU-Kommission hieß es am Mittwoch, man habe sich auf auf das Wahlergebnis vorbereitet und einzelne, die EU betreffende Politikbereiche geprüft. Zu konkreten EU-Maßnahmen, wollte sich ein Sprecher am Mittwoch nicht äußern. Dies sei zu früh.
Ian Lesser vom German Marshall Fund, sagte im Gespräch mit der DW, dass die EU zwar vielleicht in mentaler Hinsicht auf das Ergebnis vorbereitet gewesen sei, jedoch eher nicht auf die tatsächlichen Folgen. So handele es sich etwa bei der Wettbewerbsfähigkeit und Verteidigungsfähigkeit um tiefgreifende Politikbereiche, die nicht so schnell reformierbar seien. Allerdings bestünden diese Probleme unabhängig vom Wahlausgang in den USA. Durch diesen seien lediglich einige Dinge deutlicher geworden, sagt Lesser.
Die EU-Staats- und Regierungschefs werden sich ab Donnerstag in Budapest treffen. Dort werden sie die Gelegenheit zu einem Austausch über die transatlantischen Beziehungen haben - und um eine gemeinsame Position ringen.