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PolitikUkraine

Was die Reparatur westlicher Waffen in der Ukraine erschwert

13. Januar 2025

Westliche Waffensysteme, die im Krieg beschädigt werden, fehlen der ukrainischen Armee danach oft für lange Zeit. Die Reparatur dauert Monate, die bürokratischen Hürden sind groß. Doch es gibt Aussicht auf Besserung.

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Eine deutsche Panzerhaubitze 2000 in der ukrainischen Region Donezk
Eine deutsche Panzerhaubitze 2000 in der ukrainischen Region DonezkBild: REUTERS

"Ich finde, es sind die besten und präzisesten", sagt der ukrainische Artillerist Bohdan Nahaj über die deutschen Panzerhaubitzen 2000 (PZH 2000), die bei seiner Brigade im Einsatz sind und der Ukraine im Kampf gegen Russlands Angriffskrieg helfen. Es gebe jedoch ein großes Problem, räumt der Divisionskommandeur ein und beklagt Ausfälle aufgrund intensiver Nutzung.

Am häufigsten seien Softwarefehler, oft komme es auch zu einer Überhitzung von Steuerung und Geschützrohren. Dadurch seien zeitweise bis zu zwei Drittel der deutschen Haubitzen unbrauchbar, sagt er der DW. Sogar Reparaturen, die ukrainische Techniker vor Ort durchführen könnten - wie etwa das Auswechseln von Rohren - zögen sich wegen fehlender Teile hin. "Wie lange, hängt vom Ersatz ab - zwischen zwei und sechs Monaten", so der Artillerist.

Joint Ventures und Repräsentanzen

Die Reparaturprobleme sind den Politikern in Deutschland längst bekannt. "Es ist absurd, dass aktuell mehr Waffensysteme wegen fehlender Ersatzteile ausgefallen sind als durch Feindbeschuss", beklagte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, der FDP-Politiker Marcus Faber, bereits im September in der Bild-Zeitung. Seitdem ist das Problem zwar nicht behoben, doch zumindest gab es Verbesserungen. So hat der Haubitzenhersteller, der deutsch-französische Rüstungskonzern KNDS, Anfang Oktober eine Tochtergesellschaft und ein Büro in Kyjiw eröffnet, was die Koordination mit den ukrainischen Behörden und Werkstätten verbessert.

Artilleriesystem CAESAR von KNDS im Einsatz bei der ukrainischen Armee
Das Artilleriesystem CAESAR von KNDS im Einsatz bei der ukrainischen ArmeeBild: Sameer al-Doumy/AFP/Getty Images

"Mit der Gründung von KNDS Ukraine soll unter anderem die ukrainische Industrie befähigt werden, Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an KNDS-Systemen wie Leopard 1 und 2, CAESAR, AMX10 RC, Panzerhaubitze 2000 und dem Flakpanzer Gepard durchzuführen", heißt es in einer Pressemitteilung. Laut KNDS wird der Konzern gemeinsam mit der ukrainischen Industrie 155-mm-Artilleriemunition in der Ukraine herstellen und Ersatzteile unter Einsatz modernster Fertigungstechnologien produzieren.

"Dadurch wird die Lieferung und Produktion der notwendigen Komponenten optimiert", bestätigt das ukrainische Verteidigungsministerium eine Anfrage der DW. Es ist überzeugt, dass Joint Ventures und Repräsentanzen von Herstellern in der Ukraine dazu beitragen werden, die Reparatur westlicher Ausrüstung zu beschleunigen. Insidern zufolge trifft in der Ukraine bereits Ausrüstung aus Deutschland und Frankreich ein, die zur Reparatur von Haubitzen, Panzern und anderem schweren Gerät notwendig ist.

Hilfe bei Reparaturen auch vor Ort

Aus Berlin ist zu hören, dass man mit dem Zusammenlegen von beschädigtem Material, verfügbaren Ersatzteilen, Sonderwerkzeugen und professionellem Personal in der Ukraine in Zukunft in der Lage sein werde, komplexe Schäden an Fahrzeugen verzugslos zu beheben. "Unabhängig davon streben wir weiterhin danach, den ukrainischen Streitkräften umfangreiches Material zur eigenständigen Störbehebung und Wartung zur Verfügung zu stellen. Industrieseitig werden stets neuen Fertigungsmethoden, mögliche Kooperationen oder praktikable technische Lösungen für die Minderung der Ersatzteilproblematik geprüft", heißt es aus dem deutschen Verteidigungsministerium auf Anfrage der DW.

Berlin betont, große Anstrengungen zu unternehmen, um die gelieferten Waffensysteme adäquat zu betreuen. Hierzu werde auch ukrainisches Personal in der Instandhaltung ausgebildet. Ferner werde die Ukraine mit Schwerlastfahrzeugen zum Transport beschädigter Systeme unterstützt. Zudem bekomme Kyjiw auch eine multimediale technische Betreuung und technische Dokumentationen, so das Ministerium.

Geschützrohre werden dringend benötigt

Doch der Krieg deckte zahlreiche Defizite in der europäischen Rüstungsindustrie auf. Dass Geschützrohre besonders schnell verschleißen, wird durch eine unzureichende Standardisierung in der EU verschärft. Es zeigt sich, dass nicht alle Hersteller, auch innerhalb der Europäischen Union, ihre Produkte für alle Waffentypen zertifizieren. "Die Ukrainer verwenden für deutsche Haubitzen alle möglichen 155-mm-Geschosse, die sie finden können. Doch ohne Zertifizierung können nicht alle davon auf Panzerhaubitzen eingesetzt werden, ohne dass dies ein Risiko für die Ausrüstung darstellt", so ein Gesprächspartner der DW.

Haubitzen in einer Produktionshalle von Rheinmetall in Deutschland
Haubitzen in einer Produktionshalle von Rheinmetall in DeutschlandBild: Philipp Schulze/dpa/picture alliance

Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall, der die Rohre für die PZH 2000 produziert, versichert, die Ukraine auch mit Ersatzteilen und Reparaturen nach Kräften zu unterstützen. "Dazu betreibt Rheinmetall mittlerweile eigens ein Instandsetzungswerk in der Ukraine. Im Bereich der Rohrfertigung haben wir die Kapazitäten bereits massiv erhöht, um der Nachfrage entsprechen zu können", teilte der deutsche Konzern auf Anfrage der DW mit.

Vereinfachung von Waffentransporten

Die Reparatur militärischen Geräts wird aber auch durch Bürokratie verlangsamt. In Deutschland muss für die Lieferung jedes einzelnen Ersatzteils eine Ausfuhrgenehmigung für Rüstungsgüter eingeholt werden, was sich laut einem Vertreter eines Rüstungsunternehmens Monate hinziehen kann. Ihm zufolge blicken die Hersteller gespannt der Schaffung eines "militärischen Schengenraums" entgegen, den kürzlich Bundeskanzler Olaf Scholz angeregt hatte.

Die Idee besteht darin, die Gesetzgebung der EU-Länder so zu harmonisieren, dass es im Bedarfsfall innerhalb der Gemeinschaft ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gibt, das den Waffentransport zwischen den EU-Ländern beschleunigt - ohne Exportlizenzen in ihrer jetzigen Form. Es wäre wichtig, dass die Ukraine Teil dessen würde, betonte ein Gesprächspartner aus einem deutschen Rüstungskonzern gegenüber der DW.

Ein mit einer Haubitze vom Typ PZH 2000 beladener LKW auf dem Weg in die Ukraine
Ein mit einer Haubitze vom Typ PZH 2000 beladener LKW auf dem Weg in die UkraineBild: Thomas Frey/dpa/picture alliance

Solange es aber keinen "militärischen Schengenraum" gibt, fällt europäisches militärisches Gerät, das zur Reparatur in ein EU-Land gebracht werden muss, über Monate aus. Da die Ukraine kein EU-Mitglied ist, gibt es schon Probleme bei der Zollabfertigung an der Grenze, beispielsweise mit beschädigten Panzerhaubitzen 2000, die zur Reparatur in die Slowakei gebracht werden. "Wenn sie dort ankommen, werden sie ein Jahr lang repariert, vielleicht auch länger", sagt Artillerist Bohdan Nahaj. Ihm zufolge wird der Mangel an Artilleriesystemen durch langwierige Reparaturen verschärft, was der ukrainischen Armee große Probleme auf dem Schlachtfeld bereite.

"Wir versuchen, uns so gut wie möglich selbst zu helfen"

Gespräche der DW mit ukrainischen Militärs zeigen, dass es bei allen westlichen Waffen Reparaturprobleme gibt. Daher suchen ukrainische Techniker auch auf eigene Faust nach Ersatzteilen, die den Originalen entsprechen. Doch das geht nicht bei Hightech-Komponenten. "Anfang 2022 gab es noch Ersatzteile von unseren Partnern, doch dann begannen die Probleme. Wir haben mittlerweile Fachleute in ukrainischen Unternehmen gefunden, die einige Teile selbst nachbauen können", sagt ein Techniker aus der 17. Panzerbrigade mit dem Rufnamen "Kynologe".

Auch Viktor (Name geändert), Mechaniker einer in der Region Donezk kämpfenden Einheit, erzählt der DW von seiner eigenen Ersatzteilproduktion. Ihm hätten Freiwillige geholfen, sogar in Frontnähe eine Werkstatt einzurichten. "In über zwei Jahren habe ich 16 amerikanische Mörser zur Reparatur geschickt. Von denen kamen aber nur zwei repariert zurück", erzählt Viktor. "Deshalb versuchen wir mittlerweile alles, um uns so gut wie möglich selbst zu helfen."

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk