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Warum Kamala Harris' Lachen eine Geheimwaffe ist

14. August 2024

Lautes Lachen und Herzlichkeit begleiten den Wahlkampf der designierten Präsidentschaftskandidatin der US-Demokraten Kamala Harris. Damit bietet sie ihren Gegnern eine Angriffsfläche. Doch sie pariert. Mit Humor.

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Kamala Harris steht an einem Rednerpult und lacht.
Zu fröhlich für eine "Staatsmännin"? Kamala Harris punktet mit offenem LachenBild: Kevin Mohatt/REUTERS

Sie habe das Lachen einer Verrückten, wütete Donald Trump. Kamala Harris' Konkurrent um die US-Präsidentschaft wird nicht müde, die amtierende US-Vizepräsidentin zu verunglimpfen. Er macht sich über sie lustig, über sie als Frau, über sie als Person of Color. Seine Anhänger im Netz mischen mit, verbreiten beleidigende Memes und Fake-Videos. Doch diese Angriffe parieren Harris und ihr Wahlkampfteam, indem sie den Spieß umdrehen. Das Netzvolk macht fleißig mit - vor allem auf TikTok. Kanäle, die sich sonst mit Promis aus dem Showbiz beschäftigten, stilisieren Kamala Harris zur Popikone hoch.

Und immer wieder steht dabei eine fröhliche Kamala Harris im Vordergrund, die über sich selbst herzlich lachen kann, die üblen Kampagnen an sich abprallen lässt und auch mal zurückschlägt. So sagte sie, sie habe als Staatsanwältin mit Straftätern aller Art zu tun gehabt. "Verbrecher, die Frauen missbrauchen, Betrüger und Schwindler, die Regeln zu ihrem eigenen Vorteil gebrochen haben. Glaubt mir, ich kenne Typen wie Donald Trump".

Kamala Harris steht an einem Rednerpult und klatscht lachend in die Hände.
Kamala Harris bei einer WahlkampfveranstaltungBild: Charles Rex Arbogast/AP/dpa/picture alliance

Humor kann entwaffnend sein

Sie bringt Trump buchstäblich auf die Palme, indem sie ihn als "weird" bezeichnet - schräg, seltsam, komisch -, um sich dann mit gebotenem  "staatsmännischem" Ernst ihren schwierigen Wahlkampfthemen zu widmen. Mit dieser Taktik kann sie, gemeinsam mit ihrem nicht weniger humorvollen als  Vizepräsidenten  designiertem Mitstreiter Tim Walz punkten, sagt Humorforscherin Eva Ullmann: "Es geht im US-Wahlkampf nicht nur um Humor. Das Duo Harris-Walz hat politisch eine klare Linie, es kann sich durchsetzen und hat einen hohen Status. Das sind keine Kabarettisten, als die wollen sie auch nicht antreten, aber ihr Humor hat was ganz Herzliches und Bodenständiges, was Einladendes, und das ist sehr entwaffnend."

Harris und Walz stehen an einem Rednerpult bei einer Wahlkampfveranstaltung, beide lachen herzlich.
Mit herzlichem Lachen in den Wahlkampf: Tim Walz und Kamala HarrisBild: Kevin Lamarque/REUTERS

Der große Vorteil der beiden gegenüber Trump in Sachen Humor sei, so Ullmann: "Dass sie bei weiten nicht so respektlos sind. Genau dies aber scheint nun auf Trump und sein Gefolge zurückzufallen, weil die Gesellschaft sagt: 'Nee, da haben wir keinen Bock mehr drauf. Wir haben die Nase voll von diesem ewigen Herabsetzen, Beschämen, Hassen, wir wollen diese Form von Humor auch nicht mehr'."

Humor ist nicht gleich Machtverlust

Ullmann, Autorin des Buches "Humor ist Chefsache", ist überzeugt davon, dass sich die Humor- und Lachkultur ändert. "Humor in Machtpositionen wurde ganz lange in Verbindung gebracht mit einer aggressiven Form von Humor, wie ihn Trump praktiziert. Das reicht nicht aus, um Mitarbeiter gut zu führen. Diese Entdeckung, dass es auch Humor gibt, der andere gut dastehen lassen kann, der andere nicht beschämt, das ist tatsächlich eine neue Entwicklung in den Chefetagen. Die größte Angst vor Humor bei Menschen in Machtpositionen ist, dass sie nicht ernst genommen werden, sie haben Angst sich lächerlich zu machen, sich zum Clown zu machen." 

In einem Raum stehen mehrere Menschen beieinander und lachen.
In ihren Seminaren bringt Eva Ullmann (rechts) die Menschen zum LachenBild: Waltraud Grubitzsch/dpa/picture alliance

Die Angst vorm Lachen ist archaisch

Diese Angst ist sehr tief in der Menschheitsgeschichte verankert. Verhaltensforscher sind davon überzeugt, dass das Lachen am Anfang der menschlichen Kommunikation stand - die Urmenschen lachten, bevor sie sprechen konnten. Der Psychologe und Lachforscher Michael Titze erklärt, wie vor gut 400.000 Jahren aus einem lustigen Lachen auch eine Bedrohung werden konnte: "Das Lachen gab innerhalb der Bezugsgruppe ein Gefühl von Nähe, Verbundenheit und Wohlbefinden. Sobald aber zwei Sippen aufeinandertrafen, etwa weil sie sich wegen eines Jagdgebiets bekämpft haben, konnte das Lachen der anderen auch bedeuten: 'Wir sind besiegt worden, die dominieren und wir werden ausgelacht.' Dieses Ausgelachtwerden ist etwas ganz Archaisches - und davor fürchtet sich jeder Politiker."

Platon ging zum Lachen in den Keller

Schon in der Antike wurde das Lachen politisiert. Der griechische Philosoph Platon etwa war der Meinung, dass Lachen staatsgefährdend sei; wer sich dem Lachen hingebe, sei nicht mehr in der Lage, vernünftig zu denken und verliere Macht. Dessen Schüler Aristoteles wiederum lachte gerne und vertrat die Ansicht, das Lachen unterscheide den Menschen vom Tier.

Vielleicht wäre die Weltgeschichte anders verlaufen, wäre man Aristoteles gefolgt. Aber nein, das Christentum kam und mit ihm eine Religion, in der Frohsinn und Gelächter lange Zeit geächtet wurden.   

Papst Franziskus I. grüßt und lacht herzlich.
Längst dürfen auch allerhöchste kirchliche Würdenträger fröhlich lachenBild: Pressebildagentur ULMER/picture alliance

Lachen in verschiedenen Weltregionen

Das hat sich über die Jahrhunderte bis heute erheblich gelockert, doch die uralte Furcht vor Machtverlust durch Frohsinn - Experten nennen diese Angst vorm Ausgelachtwerden "Gelotophobie" - steckt immer noch in so manchen Köpfen - in manchen Weltregionen noch mehr als in westlichen Ländern. Eine multinationale Studie in 73 Ländern im Auftrag der Züricher Universität hat 2009 festgestellt, dass in bestimmten Kulturen wie etwa im Nahen Osten oder Asien, dort, wo besonders viel Wert auf Ehre und Gesichtswahrung gelegt wird, das Lachen auch ganz anders wahrgenommen werden kann. "Da kann ein Lächerlichmachen, ein Ausgelachtwerden zu unglaublichen Reaktionen führen, es kann sogar Kriege auslösen", sagt Michael Titze. "Von daher ist es so, dass das Lachen als solches durchaus sehr ambivalent ist."

Humor ist genetisch angelegt

Donald Trump steht an einem Rednerpult und grinst.
Ein breites Grinsen allein reicht nicht, um Herzen zu öffnenBild: Dennis Van Tine/STAR MAX/IP/zz/picture alliance / zz/Dennis Van Tine/STAR MAX/IPx

Zurück zu Kamala Harris: Sie könne, so Titze, die negativen Aspekte des Lachens der anderen einfach weglachen: "Sie wird kritisiert, und sie fängt dann herzlich an zu lachen, und zwar so, dass es ihre Gegner schwächt." Die lebensfrohe Art von Kamala Harris sei auch eine Art Kommunikation. "Nach dem Motto: 'Schau mal, wie ich das mache, und wenn du willst, komm zu mir und wir machen den Rest gemeinsam'."

Wenn jemand - wie Harris - lauthals lacht, schüttet das Gehirn Botenstoffe aus, die ein gutes Gefühl vermitteln. Nicht umsonst sagt der Volksmund: "Lachen ist die beste Medizin." Fröhliche Menschen wirken anziehend. Lachforscher Michael Titze stellt allerdings klar, dass Lachen genetisch angelegt sei: "Man kann Humor nicht lernen, man kann ihn nicht spielen oder erzwingen, denn dann wirkt es verkrampft. Das individuelle Potential der Humorentstehung ist angeboren." 

Wuensch Silke Kommentarbild App
Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online