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Musik

Wacken-Chef: "Wir haben noch Träume"

Reiner Schild tön
1. August 2019

Ein paar Tage campen und Rock'n'Roll feiern, das wollten die Wacken-Macher Thomas Jensen und Holger Hübner auf einer norddeutschen Kuhwiese. Daraus wurde DAS Metal-Mekka. Ein DW-Gespräch über Wackens Anfang und Zukunft.

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Wacken Open Air Gründungsmitglied Thomas Jensen
Wacken Open Air-Mitbegründer Thomas JensenBild: picture-alliance/abaca/J. Reynaud

DW: Vor 30 Jahren hast Du das Festival gegründet und mit deiner Band Skyline auf der Bühne gestanden. Hast Du Dir damals vorgestellt, dass das Festival einmal solche Ausmaße annimmt?

Thomas Jensen: Nein, überhaupt nicht. Wir haben nie einen Masterplan gehabt, und wir haben auch immer noch keinen. Wir haben nicht zu träumen gewagt, so lange in der Musikbranche überleben zu können. Wir haben schon gedacht: "Wäre schön, wenn das öfter stattfindet."

Aber dass es so groß wird, dieses Geschenk der Fans, dass die uns das machen lassen, das kann man gar nicht hoch genug anrechnen. Die ganzen Komponenten da drin, Völkerverständigung, Heimat. Ganz viele große Worte. Irre.

Wie war das denn damals 1990?

Wir stehen hier ja an einem historischem Ort. Wenn ich in die Richtung schaue, da war die Bühne. Hier, wo wir jetzt gerade stehen, im sogenannten "Artist Village", war unser erster Campingplatz.

DW-Reporter Reiner Schild (links) und Wacken-Macher Thomas Jensen
Thomas Jensen (rechts) mit DW-Reporter Reiner Schild Bild: DW/R. Schild

Es hat ja alles in dieser Mehrzweckkuhle der Gemeinde Wacken irgendwie angefangen. Hier auf der rechten Seite, entlang dieses Knicks, stand unser Party-Zelt. Wir hatten immer schon das Konzept korrespondierender Bühnen, die sich abwechseln und versucht, Bill Haleys "Rock Around the Clock" umzusetzen.

Warum habt Ihr denn überhaupt ein Festival gegründet damals?

Weil es nichts gab. Unsere Musik war chronisch unterrepräsentiert hier, würde ich mal sagen. Es gab zwar damals das Lübeck Open Air, das war auch ziemlich gut, da haben auch mal Judas Priest, aber eben auch Acts wie Santana gespielt. Wir wollten was Pures, wir wollten auch mehr Power, wollten unsere Musik abfeiern. Am besten rund um die Uhr, mindestens zwei Tage, besser noch länger. Camping sollte dabei sein und eben Rock'n'Roll.

Wie hat sich das Festival seitdem entwickelt?

An den Grundelementen hat sich nichts geändert: Es ist Rock'n'Roll geblieben, mit einem gehörigen Schuss Craziness. Wir haben uns auch ein bisschen Naivität bewahren können, glaube ich, also machen immer wieder mal den einen oder anderen Fehler oder probieren gerne mal das eine oder andere aus.

Ansonsten ist alles größer, professioneller geworden. Aber wir haben unseren Traum wahr machen können: ganz viele Künstler, von denen Holger und ich vor 1990 Fans waren, einladen zu dürfen. Da sind dieses Jahr irre viel dabei: Slayer, D-A-D...

30 Jahre Warten auf Metallica 

Was sind für dich dieses Jahr die Highlights?

Highlights ohne Ende. Ich sag' mal "only killers, no fillers". Ganz emotionale Sachen. Rose Tattoo spielen am Mittwoch, die manage ich, bin schon ganz aufgeregt. Sabaton wird ganz großes Kino auf zwei Bühnen. Das sind ja auch alles Kumpels von uns. Und ich freue mich, dass wir viele junge Bands da haben, exemplarisch seien The Wild! oder The New Roses genannt. Alles Rock'n'Roll-Bands, die die Szene in den letzten zwei, drei Jahren sehr bereichert haben.

Aber Ihr habt noch nicht all Eure Träume erfüllt. Warum hat es nie geklappt, Metallica zu engagieren?

Na ja, Lars (Metallica-Schlagzeuger Lars Ulrich, Anm.d.Red.) hat gesagt, sie wollen irgendwann mal kommen. Jetzt gab es ein Statement, dass sie mindestens noch zehn Jahre weitermachen werden. Also, wir haben Geduld.

Emporgereckte Hände im Sonnenuntergang machen die "Pommesgabel" beim Wacken-Open Air
Lebt von seinen Fans: das Wacken Open AirBild: picture-alliance/dpa/A. Heimken

Warum ist Wacken nicht einfach so ein Festival, was ist das Alleinstellungsmerkmal?

Na ja, eins können sie uns alle nicht nehmen: Wacken kann nur in Wacken stattfinden. Der geographische Ort, wo wir aufgewachsen sind, das große Wort "unsere Heimat". Auf der anderen Seite ist da die Symbiose zwischen Dorf und Fans. Wir achten und schätzen uns und feiern hier 'ne Riesenparty. Das müssen andere uns erstmal nachmachen.

Kinder "Made in Wacken"

Und die Beziehung zwischen Publikum und Festival, ist die bei Euch anders?

Die Fans konsumieren das Festival nicht, sie gestalten es ganz extrem mit. Für die Fans ist es ihr eigenes Festival. Auch dadurch, dass wir diese Konstanz haben, Gäste, die seit 25 Jahren kommen. Einige behaupten, sie wären alle 30 Jahre da gewesen. Ich war ganz sicher alle 30 Jahre hier, bei allen anderen gilt es, das noch zu beweisen. Wir haben ganz, ganz viele Stammgäste. Und die kennen die Historie besser als ich. In den ersten Jahren waren wir viel zu beschäftigt, um uns was zu merken.

Drei rüstige Rentnerinnen sitzen in einem Bus und zeigen das Wacken- bzw. Metalsymbol, die "Pommesgabel" oder Teufelshörner, mit Zeigefinger und kleinem Finger
Nie zu alt für die Pommesgabel: Rentner auf dem Weg zum Wacken 2019Bild: picture-alliance/dpa/A. Heimken

30 Jahre Wacken: Kommt das Festival nicht langsam in die Jahre, wird es nicht langsam langweilig?

Nö. Wir haben ganz viele junge, kluge Leute, Fans, die zum Teil hier gezeugt wurden und das auch stolz verlautbaren, auf T-Shirts etwa: "Made in Wacken". Wir haben drei, wenn nicht sogar vier Generationen hier. Wir träumen ja immer von einem Rock'n'Roll-Altersheim hier in Wacken. Aber hier auf dem Infield (Festival-Gelände) ist das definitiv nicht.

Wie siehst Du denn die Zukunft von Wacken?

Rosig. Wir wollen weitermachen, das Dorf will weitermachen, die Fans. Wir sind ja nicht am Ziel unserer Reise durch das Metal-Universum. Ich habe das Gefühl, der Zug, der Metal Train ist gerade erst losgefahren. Mal gucken, wo uns die Reise hinbringt.

Wie wichtig ist es Euch, Bands aus Ländern wie Bangladesch oder Libanon beim Bandwettbewerb Metal Battle dabei zu haben?  

Der Metal Battle zeigt, wo Metal überall stattfindet: in Krisengebieten, Kriegsgebieten. Da ist Musikmachen sicher ein ganz anderes Statement als hier bei uns. Wenn wir dafür eine Bühne bieten können, finden wir das großartig. Gerade aus Regionen dieses Planeten, die man in Wacken nicht gerade vermutet. Wir haben es geschafft, die Jungs von Doch Chkae aus Kambodscha zu holen, die letztes Jahr leider kein Visum bekommen haben - von den deutschen Behörden, muss man ganz klar sagen. Dieses Jahr hat es geklappt. Vielen Dank an alle Visa-Beamten!

Metal, sagen alle, ist wahnsinnig konservativ. Ist Metal nicht over, nicht schon Altersheim?

Ne, würde ich nicht sagen. Wenn du den Metal Battle siehst, was sich da weltweit tut, wie frisch die Bands sind. Ich finde, auch die Musik entwickelt sich permanent weiter. Das kannst du nicht in zwei Sätzen beschreiben, da muss man irgendwie dabei sein. Für die, die nicht verstehen, ist es eh alles nur Krach.

Thomas Jensen, Jahrgang 1966, ist Geschäftsführer der das Wacken-Festival veranstaltenden GmbH und managt Bands und Musiker aus dem Metal-Genre.

Das Gespräch führte Reiner Schild.