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Vucic von Gedenkfeier vertrieben

11. Juli 2015

Aufgebrachte Demonstranten haben Serbiens Ministerpräsidenten Aleksandar Vucic mit Steinen beworfen und leicht verletzt. Abgeschirmt von Bodyguards musste der Premier die Feierlichkeiten verlassen.

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Serbiens Regierungschef wird von Bodyguards in sein Auto gebracht (Foto: rtr)
Bild: Reuters/A. Bronic

Der serbische Ministerpräsident war gerade dabei, ein Blumengebinde am Mahnmal niederzulegen, als Demonstranten anfingen, ihn auszubuhen und Schuhe und Steine nach ihm zu werfen, berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP. Vucic wurde von einem Stein im Gesicht getroffen und leicht verletzt. Die Angreifer hatten auch ein Transparent mit einer alten problematischen Aussage des Ministerpräsidenten ausgerollt.

Demonstranten erinnern an Vucic-Zitat

"Für jeden getöteten Serben 100 Muslime", hatte er ein paar Tage nach dem Völkermord im Parlament verlangt. Vucic rechtfertigte sich später, die Bemerkung sei aus dem Zusammenhang gerissen worden.

Abgeschirmt von seinen Leibwächtern musste der Premierminster vom Gedenkort fliehen. Serbiens Außenminister Ivica Dacic nannte den Zwischenfall "einen Angriff auf Serbien".

Vucic selbst äußerte sich zurückhaltend zu der Attacke. "Meine Hand bleibt gegenüber den Bosniern weiter ausgestreckt", sagte er nach einer Sondersitzung der Regierung in Belgrad. Der Ministerpräsident rief seine Landsleute auf, keine Revancheangriffe auf Bosnier zu unternehmen, denn Hass und Wut hatbe es genug gegeben.

Vom Mladic-Unterstützer zum Premierminister

Vucic war nach Srebrenica gereist, um an der zentralen Gedenkfeier teilzunehmen, die an das Massaker erinnert, das bosnisch-serbische Soldaten vor 20 Jahren an mehr als 8000 muslimischen Jungen und Männer in der ostbosnischen Kleinstadt verübten.

Das Massaker von Srebrenica gilt als größtes Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945. Die im Westen übliche Einstufung des Massakers als "Völkermord" wird von Serbien und Russland nicht geteilt. Auch Serbiens Premierminister weigert sich, das Wort "Völkermord" zu verwenden.

Vucic gehört zu den führenden Politikern, die in den 90er Jahren an der großserbischen Kriegspolitik mitgewirkt hatten. Heute bezeichnet er das als Fehler. Auch den früheren General der bosnischen Serben, Ratko Mladic, hatte Vucic noch bis vor wenigen Jahren unterstützt. Mladic muss sich vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag wegen Völkermord verantworten.

"Verbrechen gegen die gesamte Menschheit"

An der Feier nahmen insgesamt Zehntausende Menschen teil, darunter zahlreiche Politiker aus dem Ausland wie der damalige US-Präsident Bill Clinton. Der Vorsitzende des UN-Kriegsverbrechertribunals, Theodor Meron, nannte den von Serben in Srebrenica organisierten Völkermord an den Muslimen "ein Verbrechen gegen die gesamte Menschheit". Der Bürgermeister von Srebrenica, Camil Durakovic, beschrieb das unfassbare Massaker mit den Worten: "Die meisten meiner damaligen Spielkameraden und damit meine Kindheit liegen heute begraben in der Gedenkstätte Srebrenica."

Gedenken an den Völkermord in Srebrenica vor 20 Jahren
Symbolischer Handschlag: Serbiens Premier Vucic und Munira Subasic, Vorsitzende der "Mütter von Srebrenica"Bild: Reuters/A. Bronic

Frauen vieler Opfer verteilten als Anstecker die "Blume Srebrenicas". Sie erinnert mit ihrem Blütenweiß an die Unschuld der Ermordeten und mit dem grünen Zentrum an das Prinzip Hoffnung. Auch zahlreiche Staats- und Regierungschefs der Region erwiesen 136 neu identifizierten Opfern die letzte Ehre.

Drei Generationen auf einmal ermordet

Diese wurden im Rahmen der Feierlichkeiten in einer Gedenkstätte beigesetzt. Das jüngste Opfer von ihnen ist ein 16-Jähriger, das älteste ein 74-jähriger Mann. Von einer Familie wurden gleichzeitig drei Generationen bestattet, die bei dem Massaker umgebracht wurden: Sohn, Vater und Großvater. Bis jetzt haben in der Gedenkstätte 6241 Opfer des Völkermords ihre letzte Ruhestätte gefunden.

Großes Leid: Frauen weinen am Grab ihrer Angehörigen, die nach der Gedenkfeier in Srebrenica beigesetzt werden sollen (Foto: rtr)
Großes Leid: Frauen weinen am Grab ihrer Angehörigen, die nach der Gedenkfeier in Srebrenica beigesetzt werden sollenBild: Reuters/D. Ruvic

Viele Gäste trugen sich in Kondolenzbücher ein, die im ehemaligen Hauptquartier der niederländischen UN-Truppen in einer alten Batteriefabrik ausgelegt worden waren. Das sogenannte Dutchbat hatte das Massaker nicht verhindern können, obwohl Srebrenica von den Vereinten Nationen zur "sicheren Schutzzone" erklärt worden war.

cw/cr (dpa, afp, rtr)