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"Symbol des Versagens"

11. Juli 2015

Zum 20. Jahrestag des Massakers von Srebrenica hat Bundespräsident Gauck den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl übermittelt. Srebrenica sei das "schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs".

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Bundespräsident Joachim Gauck (Foto: picture alliance/dpa/R. Jensen
Bild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Seine Gedanken seien bei den Angehörigen und Freunden der Opfer, heißt es in einem am Samstag übermittelten Brief des Bundespräsidenten an den Bürgermeister von Srebrenica, Camil Durakovic. Es liege an allen, dass das Verbrechen nicht in Vergessenheit gerate. "Verbrechen müssen als Verbrechen und Völkermord als Völkermord benannt werden", schreibt Gauck.

Der Ort sei auch zum Symbol für das Versagen der Völkergemeinschaft geworden, so Gauck weiter: "Nur mit großer Scham kann ich daran denken, dass wir sie allein gelassen haben." Die internationale Staatengemeinschaft habe Srebrenica nicht geschützt, obwohl es eine UN-Schutzzone war.

Wunden noch nicht verheilt

Außerdem heißt es in dem Schreiben: "Es waren schon drei lange schwarze Jahre, als Srebrenica eingekesselt war von serbischen Einheiten: eine Enklave, bedrängt vom Hunger und von Kälte, bedroht von Kugeln, Granaten und Bomben. Aber es waren die schwärzesten Tage für Srebrenica, als die Truppen des Generals Mladic die Stadt Anfang Juli 1995 überrannten."

Auch nach 20 Jahren seien die seelischen Wunden nicht verheilt. Viele Täter seien immer noch nicht zur Verantwortung gezogen worden. "Und solange sich Täter und Opfer auf der Straße begegnen, ohne dass das Verbrechen gesühnt ist, bleibt den Trauernden die Rückkehr ins Leben versperrt."

Gedenkfeier mit Regierungschefs

In Sebrenica gedenken am Samstag Zehntausende trauernde Menschen der Opfer des Massakers. Frauen vieler Opfer verteilten als Anstecker die "Blume Srebrenicas". Sie erinnert mit ihrem Blütenweiß an die Unschuld der Ermordeten und mit dem grünen Zentrum an das Prinzip Hoffnung.

Auch zahlreiche Staats- und Regierungschefs der Region sind in die Stadt gereist, ebenso wie viele Parlamentarier. Sie trugen sich in Kondolenzbücher ein, die im ehemaligen Hauptquartier der niederländischen UN-Truppen ausgelegt worden waren. Das sogenannte Dutchbat hatte das Massaker nicht verhindern können, obwohl Srebrenica von den Vereinten Nationen zur "sicheren Schutzzone" erklärt worden war. Im Rahmen der Feierlichkeiten sollen am Nachmittag weitere 136 identifizierte Opfer des Verbrechens beigesetzt werden.

Serbischer Ministerpräsident vertrieben

Wie stark die Erinnerung an das Massaker auch 20 Jahre danach noch schmerzt, zeigt ein heftiger Zwischenfall auf der Gedenkfeier: Aufgebrachte Demonstranten buhten den Ministerpräsidenten Serbiens, Aleksandar Vucic, so laut aus und bedrängten ihn so heftig, dass dieser den Gedenkort verlassen musste.

In einem offenen Brief hatte Vucic die Tat zuvor als ein "monströses Verbrechen" verurteilt. Sein Land sei "angewidert von allen, die sich daran beteiligten, und wird sie weiter vor Gericht bringen", so der Ministerpräsident Serbiens.

Debatte über Begriff "Völkermord"

Im Juli 1995 hatten Truppen der bosnischen Serben in Srebrenica mehr als 8000 Männer und Jungen getötet. Das Massaker, das am 11. Juli begann, wurde vom Internationalen Gerichtshof und dem UN-Kriegsverbrechertribunal zu Ex-Jugoslawien als Völkermord eingestuft.

Serbien und Russland lehnen diesen Begriff als "einseitige Stigmatisierung" des serbischen Volkes ab und sprechen stattdessen von den Taten einzelner Verbrecher. Am Mittwoch hatte die UN-Vetomacht Russland im Sicherheitsrat einen von Großbritannien eingebrachten Resolutionsentwurf zu Srebrenica blockiert, der ebenfalls den Begriff "Völkermord" enthielt. Damit und mit der einseitigen Schuldzuweisung an die Serben werde die Versöhnung auf dem Balkan erschwert, begründete Moskau sein Veto.

Bis heute wurden 6241 identifizierte Opfer des Massakers an der Gedenkstätte in Srebrenica begraben. 230 weitere Opfer wurden auf anderen Friedhöfen beigesetzt.

gri/se (epd, afp, dpa)