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"Usbekistan bleibt Sorgenkind in Sachen Menschenrechte"

29. Oktober 2009

Vier Jahre nach dem Massaker im usbekischen Andischan mit Hunderten Toten hat die EU ihre Sanktionen gegen das Land aufgehoben. Gerechtfertig sei das nicht, meint der SWP-Experte Uwe Halbach im DW-Interview.

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Uwe HalbachBild: SWP

Deutsche Welle: Herr Halbach, Europa wolle Usbekistan ermutigen, mehr für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu unternehmen. So begründeten die europäischen Außenminister in Luxemburg ihren Beschluss, die Sanktionen gegen Taschkent aufzuheben. Haben die Sanktionen überhaupt irgendwelche Früchte getragen?

Uwe Halbach: Über diese Frage gibt es unterschiedliche Urteile. Usbekistan hat auf die Sanktionen durchaus reagiert, indem es einige Gesten zur Verbesserung der Menschenrechtssituation im Lande eingeleitet hat. Dazu gehörte die Abschaffung der Todesstrafe, die Einführung des Habeas-Corpus-Prinzips ins Strafrecht, die Entlassung einiger Menschenrechtsaktivsten. Aber die Reaktionen waren bei weitem nicht ausreichend, so dass man nicht sagen kann, die Situation in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtswahrung in Usbekistan hätte sich so grundlegend verbessert, dass eine Aufhebung der Sanktionen wirklich gerechtfertigt ist.

Es muss doch Gründe geben, warum die Sanktionen aufgehoben wurden. Entweder waren sie ineffektiv oder sie haben ihr Ziel doch erreicht, oder es gibt noch ganz andere Gründe...

Die Bedingungen, die seinerzeit im Oktober 2005 für die Aufhebung der Sanktionen gestellt wurden, sind in ihrem vollen Umfang nicht erfüllt worden. In Usbekistan hat sich die Menschenrechtssituation keineswegs grundlegend gewandelt. Nach wie vor ist Usbekistan das Hauptsorgenkind für internationale Menschenrechtsbeobachtung im GUS-Raum. Was sich in den letzten vier Jahren geändert hat, ist das Interesse an Usbekistan von Seiten bestimmter Akteure in der EU. Dazu wird besonders Deutschland gezählt. Diese Sanktionspolitik war ein Beispiel für den Spannungszustand zwischen zwei Prinzipien, die die europäische und die deutsche Außenpolitik leiten, nämlich einerseits wertegebundene Außenpolitik und andererseits interessengeleitete Außenpolitik, und hier hat es einen gewissen Ausschlag hin zur interessengeleiteten Außenpolitik gegeben. Dazu zählt vor allem die Situation um Termez, die deutsche Basis im Süden Usbekistans, die für die Versorgung der Truppen in Nordafghanistan wichtig ist, und dazu zählen einige andere Themen, die offenbar dazu geführt haben, dass man Usbekistan gegenüber freundliche Gesten praktizieren wollte, um mit der Regierung in Taschkent im Einvernehmen zu bleiben.

Welche Bedeutung hat Usbekistan für die regionale Sicherheit in Zentralasien?

Es ist für die Sicherheitspolitik natürlich ein Schlüsselland, weil Usbekistan an alle anderen Staaten der Region grenzt, einschließlich Afghanistan. Usbekistan hat bis heute ein teilweise sehr angespanntes Verhältnis zu anderen Nachbarstaaten. Usbekistan ist für den Wunsch das Schlüsselland, den die EU immer wieder an Zentralasien herangetragen hat, nämlich eine bessere intraregionale Kooperation. Ohne Usbekistan geht keine EU-Zentralasien-Strategie. Usbekistan spielt auch eine Schlüsselrolle bei der neuen Afghanistanpolitik in der GUS, das heißt bei der Bereitschaft von Russland bis zu den zentralasiatischen Staaten, nördliche Versorgungsrouten nach Afghanistan zu öffnen. Insofern hat Usbekistan eine Schlüsselbedeutung für die Zentralasien-Politik eines jeden externen Akteurs, ob das Russland ist, ob das EU oder USA sind. Man kann eine Zentralasienpolitik nicht an Usbekistan vorbei machen.

Autor: Vitali Volkov / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Birgit Görtz