Bedrohen Trumps Gaza-Pläne die Stabilität der Nachbarländer?
28. Januar 2025US-Präsident Donald Trump glaubt offenbar fest daran, dass sein umstrittener Plan aufgehen kann: Er hoffe weiterhin, dass Ägypten und Jordanien künftig Bürger aus dem Gazastreifen aufnehmen würden, erklärte er am Montag (27.01.25). Zuvor hatte er sogar davon gesprochen, den Gazastreifen aufzuräumen beziehungsweise zu säubern ("clean up").
Das Leben in Gaza sei schließlich schon seit längerem die "Hölle", so Trump weiter. Er wünsche den Einwohnern daher, künftig in einem "Gebiet" zu leben, "in dem sie ohne so viele Unruhen, Aufstände und Gewalt leben können". Ob vorübergehend oder dauerhaft, lässt Trump bisher wohl vorsichtshalber offen.
Dass eine solche Maßnahme - Kritiker befürchten hier nichts Geringeres als eine Zwangsumsiedlung - trotz massiver politischer und völkerrechtlicher Bedenken möglich sei, dabei blieb Trump trotz Dementis, ablehnender Äußerungen und - angeblicher - Telefonate mit dem dem jordanischen König Abdullah II. sowie Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi.
"Ich wünschte, er nähme einige", sagte Trump gegenüber Journalisten mit Blick auf seinen ägyptischen Amtskollegen, dessen Büro freilich dementierte, dass es überhaupt zu einem Telefonat zwischen beiden Politikern gekommen sei. Trump hingegen betonte in Bezug auf al-Sisi und Ägypten: "Wir haben ihnen viel geholfen, und ich bin sicher, er würde auch uns helfen."
Ägypten und Jordanien lehnen Trumps Gaza-Pläne ab
Der Vorschlag, die im Gazastreifen lebenden Palästinenser in Nachbarstaaten zu verbringen, hat bereits in den vergangenen Tagen für enorme Kritik gesorgt. Neben der EU und anderen äußerten sich gerade Vertreter Ägyptens und Jordaniens ablehnend.
Ägypten unterstütze das "unerschütterliche Bestehen des palästinensischen Volkes auf sein Land", erklärte das Außenministerium in Kairo laut Nachrichtenagenturen. Ägypten lehne "jegliche Einmischung in diese unveräußerlichen Rechte ab, sei es durch Besiedlung oder Annexion von Land oder durch Entvölkerung dieses Landes in Form von Vertreibung".
Ähnlich die Position Jordaniens: Die jordanische Haltung sei klar, heißt es etwa in der staatsnahen Zeitung "Jordan Times". Das Land sei keine alternative Heimstätte der Palästinenser und werde es auch niemals sein: "Jordanien lehnt jeden Versuch ab, die Sache der Palästinenser aufzulösen oder deren Rechte unter welchem Vorwand auch immer aufzulösen. Die Palästinenser können ihre Heimat nicht aufgeben."
"Regierung müsste mit erheblichem Protest der Bevölkerung rechnen"
Ägyptens ablehnende Haltung erklärt der Politologe Stephan Roll von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) nicht zuletzt mit Solidarität und Unterstützung für das palästinensische Streben nach Eigenstaatlichkeit: "Das ist innenpolitisch ein großes Thema (...) Ägyptisches Land abzugeben, gilt als Tabu, gerade mit Blick auf das Umsiedelungs-Projekt, das vielen Ägyptern als anti-palästinensisch gilt. Die Regierung müsste mit erheblichem Protest der Bevölkerung rechnen."
Vor ähnlichen Problemen stünden Königshaus und Regierung in Jordanien, meint Edmund Ratka, Leiter des dortigen Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die meisten Jordanier seien strikt gegen ein Projekt, das als Aushebelung der "palästinensischen Sache" gelte. "Niemand im Land, auch der König nicht, will in Verdacht geraten, dieser vermuteten Politik zuzuspielen. Dies auch darum nicht, weil das extremistischen Gruppierungen innerhalb Jordaniens Auftrieb geben würde."
Etwas Weiteres komme hinzu, so Ratka: Die nicht-palästinensischen Teile der jordanischen Bevölkerung, die das Rückgrat des Staates bilden, hätten die Sorge, dass sich das demographische und machtpolitische Gleichgewicht im Königreich zu ihren Ungunsten verändert - was die Argumentation rechtsgerichteter Kräfte in Israel bestärken könnte, die bereits das heutige Jordanien als einen Staat für Palästinenser ansehen.
Tatsächlich dominierten palästinensisch-stämmige Jordanier bereits heute weite Teile des jordanischen Privatsektors, erläutert Experte Ratka. Laut unterschiedlichen Quellen sind gut die Hälfte der Jordanier palästinensischer Herkunft. "Auch aus diesem Grund sind die alteingesessenen Jordanier gegen den Zuzug weiterer Palästinenser", so Ratka.
Neuer Krieg mit Israel als Schreckensszenario
In Ägypten gebe es hinsichtlich des Trump-Vorstoßes zudem erhebliche Sicherheitsbedenken, sagt SWP-Experte Roll. "Diese spiegeln den Umstand, dass der angrenzende Sinai während der vergangenen Jahrzehnte ohnehin sehr instabil war. Inzwischen hat man das durch massive Militäreinsätze halbwegs stabilisieren können." Würden im Sinai aber nun größere Flüchtlingslager entstehen, bestünde die Gefahr, dass es erneut zu Unruhen kommen könnte, die dann auch in das übrige Land ausstrahlen könnten.
"Parallel dazu besteht natürlich die Sorge, dass aus Flüchtlingslagern oder palästinensische Ansiedlungen heraus Angriffe auf Israel stattfinden könnten. Israel würde dann wohl reagieren - und Ägypten befände sich mit Israel im Krieg. Davor hat man enorme Sorgen", so Roll.
In Jordanien seien diese Sorgen etwas anders gelagert, sagt Edmund Ratka. Im Zuge des Gaza-Krieges infolge des 7. Oktober 2023, dem Tag des Terror-Überfalls der Hamas auf Israel, hätten König und Regierung immer größere Schwierigkeiten, die Bevölkerung vom Sinn ihres auf Konsens und Frieden mit Israel ausgerichteten Kurses zu überzeugen. Denn der israelisch-jordanische Friedensvertrag von 1994 sei damals in der Erwartung geschlossen worden, dass die Palästinenser irgendwann einen eigenen Staat bekämen.
"Wenn das Projekt der Palästinenser-Staatlichkeit aber tot ist, dann müssen in den Augen sehr vieler Jordanier die Beziehungen zu Israel grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt werden. Und in diese Richtung wird auch Trumps jüngster Vorschlag vom Bevölkerungstransfer gedeutet." Dass eine Umsiedlung von Palästinensern in die Nachbarländer nur vorübergehend wäre, glaube in Jordanien mit Blick auf historische Erfahrungen mit Flucht und Vertreibung niemand.
Vertreibung von Palästinensern als Rote Linie
"Amman hat die Vertreibung von Palästinensern aus den palästinensischen Gebieten immer als Rote Linie bezeichnet", so Ratka. "Wenn man sich nun fügt, stünde man gegenüber der eigenen Bevölkerung, aber auch international als schwach und einflusslos da."
Ähnliches gelte auch für Ägypten, meint Stephan Roll. "Insbesondere mit Blick auf den Wiederaufbau und dessen wirtschaftliche Bedeutung möchte Ägypten weiterhin präsent sein. Insofern dürfte man in Kairo versuchen, auf Trump einzuwirken und seinen Plan möglichst zurückzunehmen."
Auf eines weise Trump bei aller Kritik aber durchaus zu Recht hin, so Roll: "Der Gazastreifen ist komplett zerstört. Es dürfte Jahre dauern, ihn wiederaufzubauen. Wo sollen die Palästinenser bis dahin eigentlich leben?"
Hinweis: Dieser Artikel wurde am 29. Januar 2025 ergänzt und überarbeitet.