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US-Wahlen 2024: Druck auf Joe Biden wächst weiter

18. Juli 2024

Und dann auch noch COVID. Um die Debatte über den Gesundheitszustand von US-Präsident Joe Biden zu beenden, fordern einige Demokraten eine vorzeitige Nominierung. Die Debatte mitten im Wahlkampf verschärft die Krise.

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USA, Washington | Ansprache an die Nation von US-Präsident Joe Biden am 14. Juli
US-Präsident Joe Biden bei einer TV-Ansprache am 14. JuliBild: Erin Schaff/Pool/REUTERS

Mitten im Wahlkampf ist unter den US-Demokraten eine Debatte über den Zeitpunkt der Nominierung von US-Präsident Joe Biden als Kandidat für die Wiederwahl bei den Präsidentschaftswahlen am 5. November ausgebrochen. Die Stimmungslage in der Partei schwankt zwischen angespannt bis verzweifelt.

Für Filippo Trevisan, Professor an der American University in Washington D.C., befindet sich die Partei in einer "Pattsituation". "Eine Option wäre natürlich, einen anderen Kandidaten (statt Biden) zu finden. Aber dies wäre mit Risiken behaftet. Eine andere Möglichkeit wäre, mit neuen radikalen Vorschlägen das Narrativ der Kampagne von Biden zu verändern", erklärt er auf DW-Anfrage. "Die Demokraten brauchen ein neues Wahlkampfthema, das in der Lage ist, die Aufmerksamkeit der Wähler zu fesseln."

Porträtaufnahme US Politikwissenschaftler Filippo Trevisan
Politstratege Filippo Trevisan lehrt öffentliche Kommunikation an der School of Communication der American University in Washington, D.C.Bild: Courtesy American University

Nominieren ja, aber wann?

Der Streit um eine vorzeitige Nominierung Joe Bidens als Präsidentschaftskandidat der Demokraten zeigt: Befürworter und Gegner scheinen sich in der Partei unversöhnlich gegenüber zu stehen.

Die einen fordern eine vorgezogene offizielle Nominierung von Biden, und zwar vor dem demokratischen Nominierungsparteitag vom 19. bis 22. August in Chicago. Die anderen wollen dies auf jeden Fall verhindern und am Zeitplan keine Änderungen vornehmen.

"Es gibt keinen rechtlichen Grund für eine vorzeitige Nominierung durch eine virtuelle namentliche Abstimmung", heißt es in einem Briefentwurf an die Mitglieder des Organisationskomitees für den Nominierungsparteitag der Demokraten. "Eine solche Abstimmung wäre kontraproduktiv und würde die Einheit und den Zusammenhalt der Partei untergraben".

Preisträger Kennedy Honors | George Clooney
Filmstar George Clooney schrieb am 10. Juli in der New York Times: "Ich liebe Joe Biden. Aber wir brauchen einen anderen Kandidaten" Bild: Chris Pizzello/Invision/AP/picture alliance

"Eine schreckliche Idee"

Der umstrittene Brief der Gegner einer vorzeitigen Nominierung wurde von dem demokratischen Kongressabgeordneten Jared Huffmann aus Kalifornien aufgesetzt. Der US-Demokrat hat bereits zahlreiche Unterstützer gewonnen.

In dem Briefentwurf heißt es, die Debatte über Änderungen auf dem Wahlzettel sei "eine schreckliche Idee". Eine vorzeitige Nominierung des demokratischen Präsidentschaftskandidaten komme "zum denkbar schlechtesten möglichen Zeitpunkt".

Die Befürworter einer vorzeitigen Nominierung setzten nach Medienberichten ebenfalls ein Schreiben auf. Dieses richtet sich an die Ausschussmitglieder des demokratischen Nominierungsparteitages, der "Democratic National Convention" (DNC). Sie fordern die Partei auf, die vorzeitige virtuelle Abstimmung zu genehmigen. 

Jaime R. Harrison, Vorsitzender des Democratic National Committee, stellte auf X, ehemals Twitter, klar: "Wir werden die Frist am 7. August einhalten und unser Kandidat wird im November in Ohio auf dem Stimmzettel stehen. Schluss mit dem Hin und Her."

Druck auf Biden wächst

Ob es gelingt, dieses "Hin und Her" zu beenden, ist jedoch alles andere als sicher. US-Präsident Biden steht seit Wochen wegen seines Alters und den Zweifeln an seiner mentalen Fitness massiv unter Druck.

Nach dem Attentat auf Trump am 13. Juli hat die Angst vor einem gescheiterten Wahlkampf unter den Demokraten noch stärker zugenommen. Am Mittwoch (17.7.) musste Biden nun wegen einer COVID-Infektion erneut alle Kampagnentermine absagen.

Mehr als zwei Dutzend demokratische Politiker, darunter auch die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, haben Biden in den vergangenen Wochen dazu aufgefordert, sich aus dem Rennen zurückzuziehen.

Biden selbst äußerte sich erstmals am 17. Juli in einem Interview mit dem US-Sender BET News zu dem Thema: "Ich würde aus dem Rennen aussteigen, wenn mein Arzt mir sagen würde, dass ich ernste Gesundheitsprobleme habe", erklärte er gegenüber Reporter Ed Gordon.

Aufnahme von Vize-Präsidentin Kamala Harris und mit US-Präsident Biden m Unabhängigkeitstag, 4. Juli, in den USA, Washington D.C.
Joe Biden über Vize-Präsidentin Kamala Harris: "Sie Könnte Präsidentin der USA sein"Bild: Tierney L. Cross/newscon/picture alliance

Zuvor hatte Biden bei einem Wahlkampfauftritt bei der Schwarzen Bürgerrechtsorganisation NAACP in Las Vegas Kamala Harris gelobt. "Sie ist nicht nur eine gute Vize-Präsidentin, sie könnte auch die Präsidentin der USA sein", so Biden.

Angesichts der unvorhersehbaren Lage bezweifelt der Politikwissenschaftler Trevisan, dass eine vorzeitige Nominierung von Biden die Debatte über dessen Gesundheit und das fortgeschrittene Alter beenden würde. "Jedes Mal, wenn Biden einen Fauxpas begeht oder sich nicht auf einen ungeschriebenen Austausch mit Journalisten und Wählern einlassen will, wird das wieder Zweifel an seiner Gesundheit aufkommen lassen", erklärt er. Eine vorzeitige Nominierung würde daran nichts ändern.

Die US-Expertin Andrea Römmele von der Hertie School geht dennoch davon aus, "dass Biden im Rennen bleibt". In einem Interview mit dem deutschen TV-Sender ZDF fragte sie: "Wie soll man einen neuen Kandidaten in einer so kurzen Zeit neu aufbauen?" Man könne Biden keinen Vorwurf daraus machen, dass er 81 Jahre alt ist. Für Biden komme es jetzt darauf an, bis zum Herbst durchzuhalten und die wirtschaftlichen Erfolge in den Vordergrund zu stellen.

Der Politstratege Trevisan erinnert daran, dass es auch in der Vergangenheit kontroverse innerparteiliche Diskussionen über die Präsidentschaftskandidaten gab - etwa 2016 über Hillary Clinton. "Die US-Demokraten haben ein breiteres ideologisches Spektrum als die meisten progressiven Parteien in Europa", erklärt er. "Dieser Pluralismus kann sich zu einem strategischen Nachteil entwickeln."