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KonflikteUkraine

Ukraine startet Offensive in Region Kursk

Veröffentlicht 5. Januar 2025Zuletzt aktualisiert 5. Januar 2025

Ukrainische Soldaten rücken wieder in der umkämpften russischen Grenzregion Kursk vor. Russland hält nach eigenen Angaben dagegen.

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Russland Kursk-Region 2025 | Zerstörtes Gebäude in Iwanowskoje nach ukrainischem Angriff (02.01.2025)
Zerstörtes Gebäude in Iwanowskoje in der Region Kursk (am Donnerstag)Bild: REUTERS

Neue Wendung in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine: Die ukrainische Armee hat ihr Vorgehen auf russischem Territorium offenbar wieder verstärkt. Unerwartet gab es einen Vorstoß in Russlands Grenzregion Kursk, die seit Sommer in Teilen von der ukrainischen Armee besetzt ist. Das wird aus Moskau gemeldet, indirekt aber auch aus Kyjiw.

Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, zwei Angriffe seien zurückgeschlagen worden: "Die Angriffsgruppe der ukrainischen Armee wurde durch die Artillerie und die Luftwaffe besiegt", hieß es in einer Erklärung der russischen Armee. "Die Operation zur Zerstörung der Einheiten der ukrainischen Armee dauert an."

Berichte einflussreicher russischer Kriegsblogger klingen nicht so siegessicher. Demnach hat der jüngste ukrainische Angriff die russischen Streitkräfte in die Defensive gedrängt. Es fänden Artillerie- und Kleinwaffengefechte statt, und die Ukraine nutze westliche Panzerfahrzeuge, um große Mengen Infanterie heranzuschaffen, heißt es in einem Bericht.

Kursk mehrfach Thema in Kyjiw

"Gebiet Kursk, gute Nachrichten: Russland erhält das, was es verdient", schrieb der Leiter des Präsidentenbüros in Kiew, Andrij Jermak, auf seinem Social-Media-Kanal - und bestätigte damit indirekt den Vorstoß.

Ukraine Saporischschja 2024 | Andrij Jermak (12.12.2024)
Präsidentenbüro-Leiter Jermak (Archivbild)Bild: Ukraine Presidency/Ukrainian Press/ZUMA/IMAGO

Im Gebiet Kursk seien die Russen überrascht worden, ukrainische Angriffe liefen in mehrere Richtungen, sagte auch Andrij Kowalenko, der Leiter des Zentrums für die Bekämpfung von Desinformation beim Sicherheits- und Verteidigungsrat, der dem ukrainischen Präsidenten unterstellt ist.

In der täglichen Videoansprache des ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj vom Samstagabend ging es ebenfalls um die Region Kursk. Bei dem Versuch, das Gebiet zurückzuerobern, hätten russische Einheiten schwere Verluste erlitten, so Selenskyj: "Bei Kämpfen heute und gestern allein im Umkreis der Ortschaft Machnowka im Gebiet Kursk hat die russische Armee ein Infanteriebataillon nordkoreanischer Soldaten und russischer Fallschirmjäger verloren", sagte der ukrainische Präsident.

Ukraine 2025 | Ein sichtlich erschöpfter Wolodymyr Selenskyj in seinem abendlichen Selfievideo (04.01.2025)
Präsident Selenskyj in seiner Videobotschaft am SamstagabendBild: Ukrainisches Präsidialamt

Die Ukraine hatte einen Teil der russischen Region Kursk im vergangenen Sommer besetzt. Zur Unterstützung des russischen Präsidenten Wladimir Putin entsandte Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un Einheiten nach Russland. Ein Bataillon der russischen Streitkräfte hat offiziellen Angaben nach eine Truppenstärke von bis zu 500 Mann.

Russische Angriffe trotz eigener Verluste

Das russische Verteidigungsministerium teilte am Samstag mit, dass die ukrainischen Streitkräfte entlang der Kursker Front innerhalb von 24 Stunden mehr als 540 Verluste erlitten und vier Panzer verloren haben. Trotz der eigenen Verluste greifen Russlands Truppen weiter an. Das wird auch von ukrainischer Seite bestätigt.

Der Generalstab in Kyjiw sprach in seinem abendlichen Lagebericht von knapp 150 Gefechten im Tagesverlauf, davon allein 40 im Raum Pokrowsk. Dort ist der Schwerpunkt der Kämpfe, nachdem die Ukrainer vor Kurzem Berichten des Militärblogs "Deep State" zufolge die Kontrolle über Kurachowe aufgeben mussten. Die Kämpfe um Pokrowsk selbst, das ebenfalls als strategisch wichtiger Knotenpunkt gilt, könnten laut ukrainischen Medienberichten bereits in der kommenden Woche beginnen, nachdem die russischen Einheiten bis kurz vor die Stadtgrenze vorgerückt sind.

Ukraine Swesa 2025 | Rettungskräfte nach russischem Luftangriff auf Wohngebäude im Einsatz (04.01.2025)
Zerstörungen in Swesa in der ukrainsischen Region Sumy (am Samstag)Bild: Press service of the State Emergency Service of Ukraine in Sumy region/Handout via REUTERS

Selenskyj berichtet in seiner Videobotschaft auch über einen weiteren schweren Luftangriff auf die ukrainische Grenzregion Sumy. Dort hätten russische Bomben ein Mehrfamilienhaus zerstört. Unter den sieben Verletzten sei auch ein zweijähriges Mädchen, sagte Selenskyj.

In der Nacht zum Sonntag wurde die Ukraine offenbar erneut von Russland mit Drohnen angegriffen. Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe konnten 61 von 103 ferngesteuerten Fluggeräte abgeschossen werden. 42 weitere Drohnen seien "verloren" gegangen, was auf den Einsatz "elektronischer Kriegsführung" auf Seiten der Ukraine hindeutet. Bislang gibt es keine Berichte über größere Schäden oder Opfer.

Sturmversuche für bessere Verhandlungsposition?

In den vergangenen Wochen sind immer wieder Videos aufgetaucht, die Sturmversuche russischer Einheiten - teilweise verstärkt durch nordkoreanische Soldaten - im Gebiet Kursk zeigen sollen. Vielfach zu sehen in den Aufnahmen: zerstörte gepanzerte Fahrzeuge der russischen Armee und getötete Soldaten.

Militärexperten erklären die überhastet wirkenden Angriffsversuche mit dem anstehenden Machtwechsel in den USA. Russlands Strategie sei es, noch vor der Amtseinführung des designierten US-Präsidenten Donald Trump möglichst viel Boden gutzumachen. Ziel der Führung in Moskau sei, in den erwarteten Verhandlungen eine gute Ausgangsposition zu haben.

Drohungen aus Moskau

Das russische Militär hat nach eigenen Angaben einen ukrainischen Angriff mit weitreichenden US-Raketen auf die Grenzregion Belgorod abgewehrt und droht mit einem Gegenschlag. Die Ukraine habe am Freitag versucht, "einen Raketenangriff auf die Region Belgorod mit ATACMS-Raketen aus US-amerikanischer Produktion zu starten", vermeldete das russische Verteidigungsministerium am Samstag. Alle ATACMS seien von der russischen Luftabwehr abgeschossen worden.

Auf den Angriff werde Russland entsprechend reagieren. Diese von "westlichen Fürsprechern" unterstützen Aktionen würden "mit Vergeltung" beantwortet.

Start einer US-ATACMS-Rakete (21.06.2023)
Start einer US-ATACMS-Rakete (Archivbild)Bild: U.S. Army/Avalon/Photoshot/picture alliance

Kremlchef Wladimir Putin hatte im vergangenen Monat damit gedroht, Russlands neue ballistische Hyperschallrakete Oreschnik auf das Zentrum von Kyjiw abzufeuern, sollte die Ukraine ihre Angriffe auf russisches Territorium mit von den USA gelieferten ATACMS-Raketen nicht einstellen.

US-Präsident Joe Biden hatte der Ukraine zuvor die Erlaubnis erteilt, die ATACMS-Raketen auch im russischen Hinterland einzusetzen. Die vom amerikanischen Konzern Lockheed Martin hergestellten Waffen haben eine Reichweite von 300 Kilometern. Der designierte US-Präsident Trump sagte im vergangenen Monat in einem Interview, er sei "sehr vehement" gegen den Einsatz dieser Waffen durch die Ukraine, da dies den Konflikt "eskalieren" würde.

AR/wa/se (dpa, rtr, afp)