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KonflikteUkraine

Ukraine aktuell: Endkampf um Bachmut?

8. Mai 2023

Russland möchte die ostukrainische Stadt angeblich bis zum "Tag des Sieges" am 9. Mai erobert haben. Laut Recherchen sollen Demos in westlichen Großstädten von russischen Geheimdiensten unterwandert sein. Ein Überblick.

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Ukraine Krieg Bachmut
Blick auf die umkämpfte Stadt Bachmut in der Region Donezk Bild: Iryna Rybakova/AP/dpa/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Russland intensiviert Angriffe auf Bachmut
  • Kiew und Odessa Ziel russischer Angriffe
  • Wagner-Chef meldet Erhalt von Munition
  • Polen kritisiert Manöver eines russischen Kampfjets
  • Selenskyj: Welt muss "alle Fakten" wissen

 

Russland verstärkt nach Angaben des ukrainischen Militärs den Beschuss von Bachmut, um die Stadt bis Dienstag einzunehmen. Die russischen Streitkräfte setzten modernere Ausrüstung ein und gruppierten ihre Truppen neu, berichtete Generaloberst Olexander Syrskyj, der Befehlshaber der ukrainischen Heeresgruppe Ost, nach einem Besuch an der Frontlinie in Bachmut. "Die Russen hoffen immer noch, die Stadt bis zum 9. Mai zu erobern. Unsere Aufgabe ist es, dies zu vereiteln." Dafür werde man alles tun, versicherte Syrskyj.

Der 9. Mai ist in Russland der "Tag des Sieges" der Sowjetunion über Nazi-Deutschland. Er wird traditionell mit einer Militärparade in Moskau begangen.

Wagner-Chef meldet Erhalt von Munition

Drei Tage nach seiner Abzugsdrohung meldet der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, er habe neue Munitionslieferungen für den Kampf um die ostukrainische Stadt Bachmut erhalten. In einer am Montag verbreiteten Audiobotschaft sagte er, "nach vorläufigen Daten" hätten die Lieferungen für seine Kämpfer begonnen. Am Freitag hatte Prigoschin in Videobotschaften mit dem Abzug seiner Kämpfer aus Bachmut gedroht und Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow mit drastischen Worten vorgeworfen, dringend benötigte Munitionslieferungen zu verzögern.

Laut Prigoschins Angaben in der nun veröffentlichten Audiobotschaft laufen in Bachmut derzeit "heftige" Kämpfe, bei denen die Wagner-Kämpfer vorrückten. Die ukrainische Armee kontrolliere noch "rund 2,36 Quadratkilometer" Gelände in Bachmut. Unabhängig überprüfen lassen sich die Aussagen nicht.

Russen wollen ukrainische Flugabwehr "erschöpfen"

Das russische Militär sucht mit ständig wechselnden Taktiken nach Möglichkeiten, die ukrainische Flugabwehr "zu erschöpfen, und einen Weg zu finden, sie zu umgehen". Die Russen "setzen dabei alles ein, was ihnen zur Verfügung steht", sagte eine Sprecherin der ukrainischen Heeresgruppe Süd. Lediglich an Hochpräzisionswaffen werde gespart. Die ukrainische Flugabwehr ist inzwischen mit einer Reihe modernster westlicher Waffensysteme ausgerüstet, darunter das in den USA hergestellte Patriot- und das deutsche Iris-T-System.

Flugabwehrsystem Iris-T SLM
Auch in der Ukraine stationiert: Flugabwehrsystem "Iris-T" (Archivfoto)Bild: Diehl Defence

Neben Bachmut hatte Russland auch andere Orte in der Ukraine mit einer großangelegten Angriffswelle überzogen. Dabei sind nach Angaben des Generalstabs der ukrainischen Armee erneut Zivilisten getötet worden. Allein in der Nacht seien 16 Raketenangriffe gezählt worden, vor allem auf die Städte Charkiw, Cherson, Mykolajiw und die Region Odessa.

Ukraine Drohnenangriff auf Kiew
Bürger Kiews inspizieren die Trümmer einer DrohneBild: Oleksandr Khomenko/REUTERS

In der Nacht zum Montag wurden zudem neue russische Angriffe auf die ukrainische Hauptstadt Kiew und Odessa am Schwarzen Meer gemeldet. Dabei dürfte die ukrainische Flugabwehr wieder zum Einsatz gekommen sein. In Kiew gab es laut Bürgermeister Vitali Klitschko mehrere Verletzte. In Odessa sei ein Lebensmittellager in Brand geraten, schrieb ein Sprecher der Militärverwaltung des Gebiets. Ein Mensch wurde getötet und mehrere verletzt.

Polen kritisiert Manöver eines russischen Kampfjets 

Polens Regierung hat das Manöver eines russischen Kampfjets, der sich nach Angaben aus Warschau einem polnischen Flugzeug gefährlich genähert haben soll, als Provokation kritisiert. Moskau wolle mit solchen Aktionen von seinen militärischen Misserfolgen im Angriffskrieg gegen die Ukraine ablenken und die eigene Bevölkerung beeindrucken, sagte Regierungssprecher Piotr Müller dem öffentlich-rechtlichen Sender TVP.

Am Freitag hatte sich nach Angaben von Polens Grenzschutz ein russischer Kampfjet einem polnischen Flugzeug genähert, das über dem Schwarzen Meer auf einem Patrouillenflug für die EU-Grenzschutzbehörde Frontex unterwegs war. Das russische Jagdflugzeug vom Typ Su-35 habe "aggressive und gefährliche Manöver" ausgeführt. Die Besatzung der polnischen Maschine habe durch die ausgelösten Turbulenzen vorübergehend die Kontrolle über das Turboprop-Flugzeug verloren, das in der Höhe abgesunken sei, hieß es.

Russland Kampfflugzeug Suchoi Su-35
Ein russisches Kampfflugzeug vom Typ Suchoi Su-35 (Archivbild)Bild: SNA/IMAGO

Zu dem Zwischenfall sei es im internationalen Luftraum innerhalb des von Rumänien ausgewiesenen Einsatzgebiets gekommen. Über dem Schwarzen Meer kommt es immer wieder zu Annäherungen zwischen EU- und NATO-Flugzeugen sowie russischen Jets. In der Vergangenheit kam es dabei mehrmals zu brenzligen Situationen.

Ukraine-Krieg "wird am Boden gewonnen"

Die in naher Zukunft erwartete Offensive der ukrainischen Streitkräfte zur Rückeroberung besetzter Gebiete wird Russland nach den Worten des stellvertretenden ukrainischen Verteidigungsministers Wolodymyr Hawrylow "in Panik versetzen". Die Russen hätten immer noch nicht verstanden, dass ihre Propaganda ihnen ein falsches Bild von der Lage zeige, sagte Hawrylow der britischen Zeitung "The Independent". Der Kreml habe die Wahrheit über die russischen Verluste in diesem Krieg lange vor der eigenen Bevölkerung verschleiert. Doch "dieser Krieg wird am Boden gewonnen, und nicht an den Fernsehbildschirmen oder im Internet", führte der Politiker weiter aus.

Einen Zeitpunkt für die seit langem angekündigte Offensive wollte Hawrylow nicht nennen. "Wir werden unsere Gegenoffensive starten - wann und wo ist im Moment nicht wichtig." Den Beweis für eine zunehmende Schwäche der russischen Kriegsmaschinerie sah der Vizeminister in den monatelangen Kämpfen um Bachmut. Russland werde dort "früher oder später" unweigerlich ein Desaster erleben, meinte er.

Selenskyj: Welt muss "alle Fakten" wissen

Die internationale Staatengemeinschaft muss nach Ansicht des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj "alle Fakten des russischen Terrors" gegen die Ukrainer erfahren. "Es ist wichtig, dass die Welt darüber spricht, was der terroristische Staat tut, und wie wir Leben schützen", sagte Selenskyj in einer weiteren Videobotschaft. Er sprach in diesem Zusammenhang von ständigen russischen Artillerieüberfällen auf Cherson und Charkiw, ebenso wie über "den Terror gegen Dörfer in den Grenzgebieten der Regionen Tschernihiw und Sumy, die Hölle in der Region Donezk".

Screenshot Präsident Wolodymyr Selenskyj
Wolodymyr Selenskyj während seiner Ansprache am SonntagabendBild: www.president.gov.ua

Wichtigstes Ziel Russlands sei, Sicherheit zu zerstören, sowohl in der Ukraine als auch überall in Europa, überall in der freien Welt, betonte Selenskyj. "Sicherheit zu zerstören, Tod und Chaos zu bringen, das ist alles, was ein terroristischer Staat tut."

Recherche: Russland inszeniert Demos

Russische Geheimdienste inszenieren oder unterwandern laut Medienrecherchen zu Propagandazwecken Demonstrationen in westlichen Großstädten. Ziel sei unter anderem, Stimmung gegen die Ukraine zu machen oder den NATO-Beitritt Schwedens zu erschweren, ergaben Nachforschungen der Süddeutschen Zeitung (SZ), des Norddeutschen Rundfunks (NDR), des Westdeutschen Rundfunks (WDR) und internationaler Partner. Die Medien berufen sich auf geleakte Unterlagen, die aus dem Sicherheitsapparat des Kreml stammen sollen.

Als Beispiel wurde eine Demonstration angeblicher Mitglieder einer ukrainischen Gemeinde in Paris Anfang März angeführt, die mit Hitlergruß und Sturmhaube gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan demonstriert und dabei auch die Opfer des verheerenden Erdbebens vom 6. Februar verhöhnt hätten. Die Verteilung so produzierten Bildmaterials auf Facebook, Tiktok, Telegram oder Youtube sei hauptsächlich von drei Accounts aus St. Petersburg gesteuert worden, erfuhren SZ, NDR und WDR.

nob/sti/wa/ust (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.