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Wie Influencerinnen das Hausfrauen-Dasein zelebrieren

5. September 2024

Zurück an den Herd: Im Netz inszenieren sich Influencerinnen als perfekte Hausfrauen und bedienen so althergebrachte Geschlechterrollen. Dient der "Tradwife"-Trend auf TikTok auch rechtsextremen politischen Zielen?

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Eine Frau mit Schürze steht in einer Küche und backt
Sich als traditionelle Hausfrau der 1950er-Jahre zu präsentieren, bringt Influencerinnen in den sozialen Medien Millionen von Followern einBild: Dodenhoff/akg images/picture alliance

Nara Smith steht in einem paillettenbesetzten roten Abendkleid in der Küche und bereitet das Essen für ihren Mann und die drei Kinder zu. Die Haare der 23-Jährigen sind perfekt gestylt, ihr Make-up ist makellos - so wie das in ihren Social-Media-Videos auf TikTok oder Instagram immer der Fall ist.

Ähnlich glamouröse Outfits trägt Smith auch, wenn sie selbstgemachte Coca-Cola-Drinks, Müsli oder Schokocreme kreiert. Die US-amerikanische Bloggerin südafrikanischer und deutscher Abstammung ist Teil der wachsenden "tradwife"-Bewegung (Traditionelle Hausfrau, Anm. d. Red.)- auf TikTok, die mit vielen Koch- und Kinderbetreuungsinhalten traditionelle Geschlechterrollen fördern. Mehr als neun Millionen Follower schauen ihr täglich zu.

Nicht jede "Hausfrau" im Netz wirft sich so in Schale wie Nara Smith. Die 34-jährige Hannah Neilman war früher mal Ballerina und Model. Jetzt zeigt sie auf TikTok, wie sie auf einem Bauernhof in Utah den Haushalt führt, Kühe melkt, Gemüse anbaut und mit ihrem Mann acht Kinder großzieht. Im Netz kennt man die Influencerin unter dem Namen "Ballerina Farm". Sie hat fast zehn Millionen Follower und verkörpert das Inbild der Tradwife-Bewegung, die das häusliche Glück im Stil der 1950er-Jahre propagiert.

Tradwife: Historisch belegt oder Wunschbild?

Seit etwa sechs Jahren gewinnt der Hausfrauen-Trend in den sozialen Medien an Popularität. Es gibt Stimmen, die sagen, dass er mit dem antifeministischen, frauenfeindlichen Forum namens "Red Pill" auf der Social-Media-Website "Reddit" verwoben sei. In dem Hollywood-Film "Matrix" erkennt jeder, der eine rote Pille einnimmt, die Wahrheit - eine Anspielung, die Männer , die sich in ihrer Männlichkeit unterdrückt fühlen und sich nach konventionellen Geschlechterrollen sehnen, gerne anwenden.

Das Bild "der Hausfrau" geht auf das Ideal der Kernfamilie der 1950er-Jahre zurück. Heute sei diese Vorstellung eine nostalgische, klassenbasierte Fantasie, sagt Lisa Wade, Professorin für Soziologie und Mitglied des Lehrkörpers für Gender- und Sexualstudien an der Tulane University in New Orleans.

Früher seien die meisten Familien in den USA kleine Unternehmen gewesen, in denen sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau zur wirtschaftlichen Lebensfähigkeit des Haushalts beitrugen, erklärt sie. "Das Ideal des Ehemanns als Ernährer und der Hausfrau entstand in den 1950er-Jahren, verflüchtigte sich aber schnell", sagt sie im DW-Gespräch. "In den 1970er-Jahren setzte sich aufgrund wirtschaftlicher Notwendigkeiten das Modell der Doppelverdiener-Familie durch, da es immer schwieriger wurde, eine Familie mit nur einem Einkommen zu ernähren."

Wade ist der Ansicht, dass der Hausfrauen-Trend "geschichtliche Rosinenpickerei betreibt, indem er sich auf eine kurze Periode konzentriert. In dieser konnten es sich weiße wohlhabende Männer aus der Mittelschicht leisten, dass ihre Frauen zu Hause blieben". Das blende jedoch die wirtschaftliche Realität der meisten Familien in der heutigen Zeit aus, so Wade.

Eine Frau mit Schürze holt einen Kuchen aus dem Ofen, zwei junge Frauen und zwei Kinder schauen ihr dabei zu
Das Hausfrauen-Bild aus den 1950ern erlebt ein Revival - obwohl die meisten Frauen heutzutage arbeiten müssenBild: akg-images/picture-alliance

Der rückwärtsgewandte Hausfrauen-Trend hat ebenso viele Anhängerinnen wie Gegner. Einige bewundern die Entscheidung der Bloggerinnen, sich auf ihre Familien zu konzentrieren - das suggeriert zumindest das Bild, das die Influencerinnen von sich geben. Andere argumentieren, dass diese Frauen überholte Geschlechterrollen verkörpern und sich in ihren eigenen vier Wänden zu Gefangenen machen.

Wieder andere sind überzeugt, dass der dargestellte Lebensstil unrealistisch und für die meisten unerreichbar ist. Der Beruf der Influencerin sei ein Vollzeitjob, wenn man erfolgreich sein und damit Geld verdienen wolle.

Das Zusammentreffen der perfekten Hausfrau auf rechtsextreme Politik

Manche fragen sich auch, ob die Propagierung der häuslichen Hausfrauen-Idylle Teil eines Kulturkampfes ist, der bestimmten politischen Zielen dient. Laut der Soziologin Viktoria Rösch ist die Debatte über die "Tradwives" Teil einer breiteren Diskussion über Geschlechterrollen und darüber, wie wir als Gesellschaft leben wollen. Auch wenn sie sich selbst nicht als politisch verstünden, mache ihre Darstellung einer bestimmten Geschlechterrolle sie zu einem nützlichen Instrument für rechtsextreme Gruppen, so Rösch. Tradwives neigen dazu, den Feminismus für die Probleme verantwortlich zu machen, mit denen Frauen heute konfrontiert sind - wie etwa die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dies bestärke rechtsextreme Vorstellungen über die Familie und Geschlechterrollen, so Rösch gegenüber der DW.

Mütter machen Karriere - Mit Kindern an die Spitze

In Deutschland verzeichnet die rechtspopulistische und in Teilen rechtsextremistische Partei AfD (Alternative für Deutschland), die für ihre konservative Haltung in Familien- und Geschlechterfragen bekannt ist, in ihrer Wählerschaft einen Anstieg von Frauen. Vor allem Männer unterstützen die AfD; eine Umfrage des deutschen Fernsehsenders RTL im Jahr 2024 ergab aber, dass auch 15 Prozent der Frauen in der Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen mit der Partei sympathisieren.

Die AfD hat in ihren Kampagnen Bilder verwendet, die die Ideen der Tradwives widerspiegeln. So werden in einem Instagram-Post der AfD "moderne Feministinnen" mit "traditionellen Frauen" verglichen, und Klischees bezüglich Attraktivität, Berufswahl und Werten bedient.

Kamala Harris: Ein ganz anderes Frauenbild 

Im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen steht das Revival traditioneller Rollenbilder in scharfem Kontrast zur Person Kamala Harris, der demokratischen Präsidentschaftskandidatin.

Harris ist die erste Frau, die US-Vizepräsidentin wurde; sie symbolisiert eine andere Vision von Weiblichkeit. Harris ist karriereorientiert, hat keine eigenen Kinder, hat aber bei der Erziehung ihrer beiden Stiefkinder geholfen.

J.D. Vance, der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat, hat in umstrittenen Äußerungen angeregt, dass Frauen der Kindererziehung Vorrang vor einer Karriere geben sollten. Harris' Kandidatur stellt genau diese traditionellen Erwartungen in Frage, betont Wade.

Dieser Kontrast macht die Wahl zu einem Schlüsselmoment für die Frage, was die nächste Generation von Frauen wirklich will - einschließlich der Freiheit, ein Leben nach ihren Vorstellungen zu führen.

Adaption aus dem Englischen: Suzanne Cords