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Kunst

Auf Reisen mit Paul Signac

1. Juni 2021

Den Impressionisten zog es zum Malen an Europas Küsten. Er reiste bis nach Konstantinopel. Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt nun seine Gemälde.

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Der Impressionist Paul Signac malte die Stadt Konstantinopel vom Wasser aus. In Hintergrund sind die beiden Moscheen zu sehen.
Paul Signac malte die Stadt Konstantinopel vom Wasser ausBild: Dauerleihgabe Stiftung Kunst im Landesbesitz

"Bon Voyage", gute Reise, so heißt die Ausstellung im Kölner Wallfraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud. In den Räumen des Museums geht es auf künstlerische Grand Tour zu den europäischen Häfenstädten, die besonders am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts beliebte Motive für die Maler des Impressionismus waren. Anlass für diesen Eskapismus, der während der Pandemie nun zumindest in Gedanken für eine Sommerfrische sorgen kann, war ein Gemälde-Neuzugang im Museum: "Konstantinopel", gemalt von Paul Signac im Jahr 1909. Zwei Mal besuchte der Doyen des Impressionismus die Metropole am Bosporus. 1904 und noch einmal 1908 ließ sich Signac von dem flirrenden Licht, dem Treiben auf dem Wasser und der orientalischen Architektur des Osmanischen Reichs inspirieren. Sein Gemälde (unser Artikelbild) zeigt den Blick auf das Goldene Horn, einem sich zu einem natürlichen Hafen erweiternden Meeresarm am Bosporus. Im Hintergrund erheben sich die Hagia Sophia und die Yeni Djami­ Moschee im Dunst des warmen Sommers. Mit dieser Ausstellung landet nun ein Hauptwerk von Paul Signac auf Dauer in Köln.

Mit den Impressionisten an Europas Küsten

Die Impressionisten führten ein mondänes Leben. Neben Werken von Paul Signac belegen das auch Gemälde seiner Zeitgenossen aus der Sammlung des Wallraf-Richartz Museums, diein der Ausstellung "Bon Voyage!" zu sehen sind : Claude Monet, Clarles-Francois Daubigny, Francis Picabia, Vincent van Gogh. Mit dem Aufkommen der Fotografie kehrten die Künstler dem akademischen Realismus den Rücken und lösten die Welt in Farben auf. Sie fingen  Atmosphären ein, schufen stimmungsvolle Lichtverhältnisse und nahmen die Natur mit lockerem Pinselstrich mal in getupfter, mal in verwischter Form neu wahr. Wer als Künstler etwas auf sich hielt, begab sich auf Reisen, um in der Natur selbst oder später im Atelier, die Skizzen in repräsentative Gemälde zu verwandeln. Diese Grand Tour im Wallraf-Richartz-Museum bewegt sich in immer größer werdendem Radius von der Hauptstadt der damaligen Kunstszene, Paris, weg.

Signac reiste bis Konstantinopel

Los geht es in Paris, wo Signac die Kathedrale Notre-Dame 1912 und 1920 vom gegenüberliegenden Seine-Ufer darstellte. Mit der Erweiterung seines Reisetätigkeit erobert auch die Ausstellung in jedem Raum eine andere Region. Zunächst in Frankreich: Von der Île-de-France, die damals noch einer ländlichen Idylle glich, geht es weiter zur Opalküste ganz im Norden am Kanal, wo das Cap Gris-Nez eine beeindruckende Steilküstenkulisse bietet. Die Künstler studierten die Reflexionen des Lichts auf dem Meer oder hielten die aufziehenden Wolken fest, die vom nur 33 Kilometer entfernten Großbritannien am Horizont auftauchen. Über die Normandie geht es weiter in die Bretagne. Im Finistère versinkt ein Zollwärterhüttchen im Nebel in einem Gemälde von Henry Moret. Im bretonischen Pont-Aven gründete sich eine Künstlerkolonie, deren bekanntester Vertreter Paul Gauguin war. Kontrastreiche Farben und markante Linienführung waren das Markenzeichen dieser Küstenmalerei. Paul Signac zieht es verstärkt in den Süden, in die Hafenstadt La Rochelle.

Paul Signacs Sicht auf die Stadt La Rochelle am Atlantik: Ein rotes Segelschiff kreuzt vor einer Befestigungsanlage. Ein kleines Fischerboot ist ebenfalls im Bild zu sehen.
Paul Signacs Sicht auf die Stadt La Rochelle am AtlantikBild: Musée de l´Annonciade, Saint-Tropez

Hafenorte Europas als Bildsujet

Dort malte er die massive Hafenbefestigung am Atlantik mit Segelbooten davor. Signac ist damals eine Leitfigur auf der französischen und europäischen Kunstbühne. Frankreich zeigt seit 1902 wichtige Einzelschauen des Künstlers. Und auch außerhalb der französischen Landesgrenzen ist er in den bedeutendsten Ausstellungen der Avantgarde vertreten. Der Hafen zählt zu seinen Lieblingsmotiven. Dieses Genre der Hafenmalerei war im 17. Jahrhundert aufgekommen und hat sich zu einer eigenen Gattung entwickelt: menschenleere oder von Schiffen befahrene See; mal mit, mal ohne Himmelszone; gesäumt von Stränden, Klippen oder aber - von besonderem Interesse Signacs: eingefasst von Hafenanlagen. Der 1863 geborene Signac war ein begeisterter Segler.
Mit wachsender Anerkennung entstand bei ihm die Idee, eine Werkreihe zu beginnen, die die großen Häfen Europas zum Thema hatte. Nach einem Aufenthalt in der französische Hafenstadt La Rochelle reiste Signal 1904 nach Venedig und zwei Jahre später nach Rotterdam, das sich damals schon zum Umschlagpunkt des Warenverkehrs entwickelte. Danach brach er auf nach Konstantinopel, dem antiken Byzanz und heutigen Istanbul. Auch hier legt er in seiner Malerei großen Wert auf die Darstellung der Lichtreflexe, die er in zarten Farben komponierte. "Bon Voyage" ist eine Ausstellung, die ihrem Titel gerecht wird. Sofort möchte man sich auf Reisen begeben, auf den Spuren des Impressionismus' die Küsten- und Hafenorten abfahren und vergleichen, wie sich Städte und Landschaften in den vergangenen hundert Jahren verändert haben. Solange die Pandemie dies nicht zulässt, macht es immerhin der Besuch dieser Ausstellung möglich.

Paul Signac malte die Kirche Notre-Dame de la Garde in Marseille vom Hafen aus. Im Vordergrund sind viele Segelschiffe zu sehen, im Dunst erhebt sich hinten die Kirche im Hafen.
Die Kathedrale Notre-Dame de la Garde ("Die gute Mutter") in Marseille von Paul Signac, 1905/06Bild: bpk | The Metropolitan Museum of Art
Autorin Sabine Oelze
Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion