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Scharfe Töne Richtung Kiew

Jeanette Seiffert23. Januar 2014

In der Ukraine ist kein Ende des Nervenkriegs abzusehen. Der Druck aus Deutschland und der EU auf die Regierung Janukowitsch wächst: Doch welche Optionen gibt es überhaupt, in den Konflikt einzugreifen?

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Straßenblockade in Kiew - Foto: Genya Savilov (AFP)
Bild: Genya Savilov/AFP/Getty Images

Besorgt, aber reichlich hilflos blicken die deutsche und andere europäische Regierungen nach Kiew, seitdem die lange überwiegend friedlichen Proteste in der ukrainischen Hauptstadt in offene Gewalt umgeschlagen sind: Tränengas und Wasserwerfer wurden eingesetzt, es gab Schüsse mit scharfer Munition und mehrere Tote - und ein Ultimatum der Opposition, zum Angriff überzugehen, sollte der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch nicht zurücktreten. Dieser hat nun ein Einlenken signalisiert und angekündigt, dass das Parlament in Kiew über einen Rücktritt der Regierung entscheiden werde. Doch die Proteste der Regierungsgegner halten noch immer an.

Merkel fordert ernsthaften Dialog

Elmar Brok mit dem ukrainischen Oppositionspolitiker Arsenij Jazenjuk - Foto: Mikhail Bushuev (DW)
Elmar Brok (r.) mit dem ukrainischen Oppositionspolitiker Arsenij Jazenjuk: "Die Wut ist verständlich"Bild: DW/M. Bushuev

Jetzt hat die Bundesregierung den Ton gegenüber der Ukraine erheblich verschärft: Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat den ukrainischen Botschafter in Berlin einbestellt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bereits am Donnerstag (23.01.2014) in einem Telefonat mit Präsident Viktor Janukowitsch die Gewaltausbrüche kritisiert und diesen aufgefordert, die umstrittenen Gesetze zurückzunehmen, mit denen die Versammlungs- und Pressefreiheit eingeschränkt worden sind. Merkel appellierte an den Präsidenten, mit der Opposition einen ernsthaften Dialog zu führen und zu greifbaren Ergebnissen zu kommen.

Auch der deutsche CDU-Politiker und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok, fordert im DW-Interview, die Regierung in Kiew müsse die undemokratischen Gesetze zurücknehmen. Er könne gut verstehen, dass unter den Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz in der Hauptstadt eine große Wut entstanden sei.

Was bringen Sanktionen gegen Kiew?

Anders als Angela Merkel, unterstützt Brok den Vorschlag von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, das Land mit Sanktionen zu belegen: "Ich finde schon, dass Janukowitsch und seine Leute wissen müssen, dass Gewalt gegen friedliche Demonstranten von uns nicht hingenommen werden kann", so Brok.Es sei denkbar, zum Beispiel Konten von Regierungsmitgliedern und ukrainischen Oligarchen einzufrieren und Einreisesperren gegen sie zu verhängen.

Auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz will Sanktionen nicht ausschließen. Gleichzeitig warnte er aber davor, die Türe ganz zuzuschlagen: "Denn wenn wir als EU sagen würden, wir verhandeln zum Beispiel nicht mehr darüber, dass sie an den Verhandlungstisch zurückkehren über ein Assoziierungsabkommen - dann fallen wir ja den Leuten auf dem Maidan-Platz in den Rücken."

Proteste in Kiew - Foto: Vasily Fedosenko
Gewalt in Kiew: Kann die EU vermitteln?Bild: Reuters

Auch die Osteuropa-Politikerin Marieluise Beck (Grüne) dringt auf Verhandlungen mit der Ukraine und schlägt eine Vermittlungsmission der EU vor:"Die müsste erst einmal versuchen, Ruhe in die Sache zu bringen. Es kann doch nicht sein, dass der Kampf auf der Straße ausgefochten wird", sagte sie im Südwestrundfunk.

Putins Mitverantwortung für die Eskalation

Aus Russland dagegen kommt scharfe Kritik an den europäischen Bemühungen, Einfluss auf die Ereignisse in der Ukraine zu nehmen. Eine Bevormundung etwa der ukrainischen Polizei sei "inakzeptabel", heißt es aus dem Moskauer Kreml - die ukrainischen Behörden wüssten schon, was zu tun sei. "Diese russischen Einlassungen finde ich unerhört", empört sich die Grünen-Politikerin Beck. Schließlich habe der russische Präsident Wladimir Putin erheblich zu der Eskalation der Situation beigetragen, indem er das Assoziierungsabkommen zwischen EU und Ukraine mit massiven wirtschaftlichen Drohgebärden verhindert habe: "Der Kreml hat seine Finger massiv im Spiel."

Das glaubt auch der EU-Abgeordnete Brok: Zumindest habe Moskau die ukrainische Führung zu dem harten Vorgehen ermutigt. "Ich glaube sogar zu wissen, dass bei der Fassung dieser antidemokratischen Gesetze bewusste Hilfestellung geleistet worden ist. Ich glaube, Putin trägt ein hohes Maß an Verantwortung, auch aufgrund seiner politischen Ziele, das alte Russland einschließlich der Ukraine neu zu begründen."

Der ukrainische Präsident Janukowitsch (re.) trifft sich in Moskau mit Wladimir Putin - Foto: Michael Klimentyev
Präsidenten Putin und Janukowitsch: Zurück zu alten Sowjet-Zeiten?Bild: Reuters

Eine Mitverantwortung Putins sieht auch der scheidende Russland-Beauftragte der Bundesregierung Andreas Schockenhoff: "Und deswegen müssen wir auch gegenüber Moskau klar verlangen, dass es nicht weiter der EU vorwirft, Einfluss zu nehmen in der Ukraine", sagte er der Deutschen Welle. Russland müsse auch damit aufhören, der Ukraine mit wirtschaftlicher Bestrafung zu drohen, sollte sie sich in Richtung Europa bewegen.

Trotz des klaren Russland-Kurses der Ukraine schaltet sich die EU nun als Vermittler in die Krise ein. Schon am Freitag will EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle nach Kiew reisen, um Gespräche mit den Konfliktparteien zu führen. EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton erklärte am Donnerstag: "Die Türen zum Dialog und für eine politische Lösung müssen offen gehalten werden." Sie wird in wenigen Tagen ebenfalls in Richtung Ukraine aufbrechen.