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Politik

Arabien: Koalition unter Stress

10. August 2019

Die VAE und Saudi-Arabien bekämpfen im Jemen einen gemeinsamen Feind. Nun aber tun sich Interessensgegensätze auf. Die sorgen zwar für einige Irritationen. Doch am Ende dürften die Gemeinsamkeiten überwiegen.

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Hauptstandt Sanaa (19.12.2018)
Umkämpfte Hauptstadt Sanaa (im Dezember)Bild: Getty Images/AFP/M. Huwais

Die reguläre Regierung des Jemen steht unter Druck. In der vergangenen Woche waren ihre Truppen mit Milizen des sogenannten "Südlichen Übergangsrats" aneinandergeraten. Bei den Zusammenstößen starb mindestens ein Mensch, vier weitere wurden verletzt. Nach einem ruhigen Wochenende flammten die Kämpfe am Dienstag erneut wieder auf. Dieses Mal kam ein kleines Kind ums Leben.

In Reaktion auf diese Kämpfe rief Hani bin Braik, der stellvertretende Vorsitzende des "Südlichen Übergangsrats" dazu auf, den Präsidialpalast in der Hafenstadt Aden zu stürmen und die Regierung des Jemens zu entmachten. Er warf der Regierung vor, die Muslimbruderschaft zu fördern, die Interessen des Landes hingegen zu vernachlässigen. Ein Regierungssprecher warf dem "Südlichen Übergangsrat" seinerseits vor, einen Aufstand schüren zu wollen.

Ambitionen des "Südlichen Übergangsrats"

Der "Südliche Übergangsrat" ist ein Zusammenschluss der fünf Gouvernements in Südjemen. Hervorgegangen ist dieser aus der im Jahr 2007 gegründeten "Bewegung des Südens", die für einen Trennung vom Norden eintritt - also von jenen Landesteil, der weitestgehend von schiitischen Huthi-Rebellen beherrscht wird. Zu diesem Zweck sind die Mitglieder des "Südlichen Übergangsrates" offenbar sogar bereit, die derzeitige Regierung aus dem Amt zu hebeln.

Krater nach einem Autobombenanschlag vor einer Polizeistation in Aden (01.08.2019)
Krater nach einem Autobombenanschlag vor einer Polizeistation in Aden (im August)Bild: Reuters/F. Salman

Der Konflikt zwischen Regierung und "Südlichem Übergangsrat" hat auch außenpolitische Konsequenzen. Denn der Übergangsrat ist den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) verbunden, während die jemenitische Regierung enge Beziehungen zu Saudi-Arabien hat. Die beiden mächtigen Golfstaaten führen seit über vier Jahren gemeinsam eine internationale Koalition, die versucht, die Huthis in Schach zu halten, welche dem Iran verbundenen.

Umgekehrt versuchen die Huthis, die reguläre Regierung unter Premier Maeen Abdul Malek zu stürzen. Somit sieht sich die Regierung gleich zwei separatistischen Bewegungen gegenüber. Gegen deren Druck versucht sie, die Einheit des Landes zu wahren. Einen Vorgeschmack darauf, wie der Jemen ohne eine Regierung aussähe, gab es Anfang August, als eine mutmaßlich von Dschihadisten vor einer Polizeistation gezündete Autobombe in Aden sowie ein Raketenangriff der Huthis insgesamt über 50 Menschen in den Tod rissen.

Zerfallserscheinungen in der Internationalen Koalition?

Nun scheint es, als zeige die internationale Koalition erste Zerfallserscheinungen. Die VAE haben ihre Präsenz im Jemen bereits vor Wochen massiv reduziert. In der Provinz Marib sind sie überhaupt nicht mehr präsent, in der Provinz Hudaida  nur noch mit einem Fünftel ihrer ursprünglichen Stärke. An ihre Stelle kontrollieren nun eigens ausgebildete jemenitischen Truppen das Gebiet. Die Kontrolle der Region hatten sie zuvor ausgebildeten jemenitischen Kräften überlassen. Auch aus der Hafenstadt Aden haben sich die VAE zu großen Teilen zurückgezogen, ebenso auch aus der Operationsbasis Assab in Eritrea. 

Die VAE hatten ihren Rückzug vor allem mit den Spannungen am Golf begründet, ausgelöst durch das Kräftemessen zwischen dem Iran und den USA. Das mit der Politik im Nahen Osten befasste Internetmagazin "Al-Monitor" berichtet zudem, die Militärpräsenz der VAE im Jemen sei zunehmenden Anfeindungen ausgesetzt, provoziert vor allem durch den Umstand, dass von den Emiraten entsandte Truppen sich wiederholter Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hätten.

Jemen Luftangriff auf Sanaa (20.01.2019)
Sanaa nach einem Luftangriff der saudisch geführten Koalition (im Januar)Bild: Getty Images/AFP/M. Huwais

So demonstrierten jemenitische Bürger bereits seit Januar gegen die von den VAE entsandten Truppen. Diese hätten Zivilisten entführt, um sie anschließend verschwinden zu lassen, so der Vorwurf. Im März dann gingen Jemeniten in Reaktion auf den Mord an Raafat Danbaa auf die Straße. Dieser hatte zuvor ausgesagt, die Vergewaltigung eines kleinen Jungen durch VAE-Kräfte beobachtet zu haben. Da die Emirate auf diese und andere Beschwerden aus Sicht der Demonstranten nicht angemessen reagierten, formiert sich der Widerstand weiter. Bald machte das Wort von der "Besetzung" von Teilen des Jemen durch die VAE die Runde.

Gemeinsame und gegensätzliche Interessen

Trotz des Rückzugs wollen die VAE im Jemen weiter mitreden. "Da der Südjemen für die Machtansprüche der VAE im Roten Meer und am Horn von Afrika eine große Rolle spielt, will die Führung in Abu Dhabi sicherstellen, dass sich die Jemeniten im Süden nicht mit den Gegnern der VAE-Truppen verbünden", heißt es in Al-Monitor. "Stattdessen wollen sie, dass der Südliche Übergangsrat die Kontrolle über Aden behält."

Dieses Interesse steht allerdings demjenigen Saudi-Arabiens gegenüber. Das Königreich setzt auf die Einheit der südlichen Kräfte, denn nur so lässt sich aus seiner Sicht ein Gegengewicht gegen die Huthis und damit gegen den Iran gewinnen. Aus diesem Grund zeigt es sich auch gegenüber den Autonomiebestrebungen des "Südlichen Übergangsrats" verhalten.

Mit vereinten Kräften - wohl auch in Zukunft

Die VAE versuchten seit längerem, sich aus dem Jemen zurückzuziehen, sagt Elizabeth Dickinson, Expertin für die arabische Golfhalbinsel bei der "International Crisis Group". Dies sei ihnen ein wichtiges Anliegen. "Sie versuchen aber auch, die guten Beziehungen zu Saudi-Arabien zu erhalten", so Dickinson.

Derzeit scheint es, als stellten die VAE und Saudi-Arabien ihr gutes Verhältnis über alle anderen Fragen. So erklärte der jemenitische Innenminister Ahmed bin Ahmed Maisari, seine Regierung habe sowohl von Saudi-Arabien wie auch den VAE die Zusicherung erhalten, separatistische Bestrebungen nicht unterstützen zu wollen. Ein geeinter Süden, so offenbar das Kalkül, ist die einzig sinnvolle Voraussetzung, um dem wachsenden Druck der Huthis und damit des Iran zu widerstehen.

Aus Sicht der Araber sind nun auch an der Straße von Hormuz vereinte Kräfte nötig, und zwar in einer womöglich direkten militärischen Auseinandersetzung mit dem Iran. Deshalb spricht vieles dafür, dass die enge Kooperation zwischen den VAE und Saudi-Arabien unter womöglich leicht geänderten Vorzeichen auch weiterhin anhält.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika