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Politik

Vom Vorzeigeland zum Problemfall

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann
4. August 2019

Kein Konflikt in der Region, in dem die Vereinigten Arabischen Emirate nicht engagiert sind. Doch mit nur mäßigem Erfolg. Das wird auf Dauer nicht gut gehen, meint Rainer Hermann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Kamel am Sandstrand von Dubai
Postkartenidylle am Strand von Dubai - eine der fünf großen Städte der Vereinigten Arabischen EmirateBild: imago/blickwinkel

Es läuft derzeit nicht gut für die Vereinigten Arabischen Emirate. In zu vielen Konflikten hat sich das kleine, aber schwerreiche Land am Persischen Golf verzettelt. Aus dem Jemen hat es daher nun seine Truppen offiziell zurückgezogen, in Libyen ist der Vormarsch ihres Mannes Haftar schon seit Monaten zum Erliegen gekommen, und in Sudan gelingt den verbündeten dortigen Militärs nicht, die Demonstranten zum Schweigen zu bringen.

Diese und weitere Konflikte dauern länger, als es sich die Herrscher in der Hauptstadt Abu Dhabi vorgestellt hatten, als sie sich zu einem Eingreifen entschlossen hatten. Das Engagement wird teuer und hat auch einen politischen Preis: Im inneren durch eine zunehmende Repression, und nach außen durch einen Rückgang der Popularität der Emirate.

Einst die liberalste Gesellschaft der arabischen Welt

Dabei waren die 1971 gegründeten Vereinigten Arabischen Emirate bei vielen im Nahen und Mittleren Osten - und darüber hinaus - lange der Ort gewesen, an dem sie leben wollten. Denn unter Staatsgründer Zayed, der 2004 starb, boten die Emirate jedem Einzelnen Chancen, die sie zu Hause nicht hatten. Sie waren weit und breit die liberalste Gesellschaft - im Inneren wie im Äußeren auf Ausgleich bedacht. Heute jedoch will ihre Führungsriege, mit Kronprinz Muhammad Bin Zayed an der Spitze, in der Region Ordnungsmacht sein. Und im Inneren drängt die neue Repression die frühere Offenheit an die Seite.

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: Helmut Fricke

Drei Faktoren haben zu dieser Änderung beigetragen, die langsam und über Jahrzehnte erfolgte. Die Herrscherfamilien sahen eine erste existenzielle Gefahr im irakischen Einmarsch in Kuwait. Von da an rüsteten die Emirate massiv auf, und der Aufstieg des 1961 geborenen Muhammad Bin Zayed, der im britischen Sandhurst zum Kampfpiloten ausgebildet wurde, setzte ein. Zweitens begann die Verfolgung der lange geduldeten Muslimbrüder, die die dynastische Herrschaft in den Emiraten in Frage stellten, als diese in Nachbarstaaten wie Kuwait und Bahrain bei Wahlen erfolgreich waren; der Raum für Freiheiten wurde nun enger gezogen. Schließlich jagten die Proteste des Jahres 2011 und der Sturz verbündeter, autoritärer Herrscher den Regierenden in Abu Dhabi einen gewaltigen Schrecken ein.

Eine erste Folge war, dass die Emirate an der Seite Saudi-Arabiens seither als neue Ordnungsmacht für den Erhalt des Status quo kämpfen. Sie wurden mit ihren militärischen und finanziellen Mitteln die Führer der Konterrevolution. Ein Ziel ist, Wahlen zu verhindern, ein anderes, die islamistischen Bewegungen auszuschalten, die bei freien Wahlen gewinnen könnten. Die Aufrüstung des Landes - dank Waffen aus den USA, auch aus Großbritannien und Frankreich - prädestiniert die Emirate als entschlossene Front im Konflikt mit dem verhassten Iran.

Die Emirate haben sich überdehnt

Die Ambitionen waren aber größer als die Ressourcen. Die Emirate haben sich überdehnt. Im Jemen, wo das Ziel zunächst die Vertreibung der pro-iranischen Huthis und die Zerschlagung der Muslimbruderschaft war, hat nicht zuletzt die zunehmende Wahrnehmung der Emiratis als Besatzer dazu geführt, dass Abu Dhabi seine Truppen zurückgezogen hat. Die neue Strategie ist, mit Hilfe pro-emiratischer Milizen eine Abspaltung des Südjemens um Aden von Nordjemen mit der Hauptstadt Sanaa zu erreichen, um dann den Südjemen kontrollieren zu können.

Gescheitert ist die Blockade Katars. Sie wird von Abu Dhabi noch entschiedener betrieben als von Saudi-Arabien. Die Blockade hat aber Katar gestärkt, politisch wie wirtschaftlich. Und die Ausrichtung der Fußball-WM 2022 in Katar steht nicht mehr in Frage.

Milliarden Dollar haben die Emirate nach Ägypten gepumpt, um das Regime Sisi zu stabilisieren. Der Erfolg bleibt allerdings fraglich, da Ägypten nicht nachhaltig Arbeitsplätze für die Bevölkerung schafft, die jedes Jahr um 2,5 Millionen wächst. Zudem hat am Nil die Repression ein beispielloses Maß erreicht.

Ein angeschlagenes Führungsduo

Der Jemen, Libyen, Sudan, Ägypten und Katar sind nur die wichtigsten Konflikte, in denen die Vereinigten Arabischen Emirate heute maßgeblich ihre Hand im Spiel haben. Gefährlich würde es für die Emirate dann, sollte der Misserfolg in einem oder mehrerer Länder auf die Führung in Abu Dhabi zurückschlagen.

Noch aber hält Muhammad Bin Zayed die Zügel fest in der Hand. Gemeinsam mit dem saudischen Kronprinz Muhammad Bin Salman bildet er das Führungsduo in der arabischen Welt. Aber auch Muhammad Bin Salman ist angeschlagen. Denn er hat den Krieg im Jemen, der zur größten humanitären Tragödie der Gegenwart wurde, veranlasst; an ihm klebt der Mord an Jamal Khashoggi; er wird für die Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien verantwortlich gemacht.

Die Emirate sind nicht mehr das Vorzeigeland, das sie einmal waren. Ihre Politik heute ist darauf ausgerichtet, die Veränderungen aufzuhalten, die in der arabischen Welt überfällig sind. Auf die Dauer wird das nicht gut gehen.