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Russische Sabotage mit Bauschaum vor Wahl in Deutschland?

5. Februar 2025

Handlanger russischer Agenten sollen in Deutschland Autos beschädigt haben, um die Partei "Bündnis 90/Die Grünen" im Wahlkampf zu diskreditieren. Mit Bauschaum im Auspuff. Bernd Riegert aus Berlin.

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Auspuff eines VW
Angriffsziel Auspuff: Russland soll Sachbeschädigung mit Bauschaum organisiert haben, um im Wahlkampf mitzumischenBild: Neundorf/Kirchner-Media/picture alliance

Die Attacke dauert nur ein paar Sekunden: Die Sprühflasche mit Bauschaum wird in den Auspuff eines parkenden Autos gehalten und ein-, zweimal hineingesprüht. Sobald der Schaum ausgehärtet ist, kann das Auto nicht mehr gestartet werden. Ein Streich, oder besser gesagt: eine strafbare Sachbeschädigung durch Halbstarke oder gar durch Klimaschutz-Aktivisten? Die Polizei in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Brandenburg geht nach Medienberichten davon aus, dass mehr dahinter steckt. 270 Fahrzeuge wurden dort seit Dezember mit Bauschaum unbrauchbar gemacht. Die Spur zu den Hintermännern der Aktion führt wohl nach Russland.

Die Polizei hat vier Tatverdächtige befragt. Einer gab zu, dass ein Russe sie angeworben habe und die Anweisungen über eine Handy-App aus Russland gekommen seien. Pro beschädigtem Auto gab es 100 Euro Honorar und dazu mehre Tausend Euro Startkapital. Die Ermittlungsbehörden gehen davon aus, dass es sich um eine russische Sabotage-Aktion handelt, um den laufenden deutschen Bundestagswahlkampf zu beeinflussen. An den beschädigten Fahrzeugen wurden nämlich oftmals Aufkleber mit dem Konterfei des Kanzlerkandidaten von Bündnis90/Die Grünen, Robert Habeck, mit dem Spruch "Sei grüner!" angebracht. Deshalb gingen die Ermittler zunächst davon aus, dass Klima-Aktivisten oder Anhänger der Grünen hinter den Bauschaum-Attacken stecken könnten. Das hat sich nach den Aussagen des Tatverdächtigen geändert.

Symbolbild I Computer Hacker
Troll-Farmen und Hacker greifen im Auftrag Russlands in sogenannter hybrider Kriegsführung westliche Strukturen anBild: Jochen Tack/dpa/picture alliance

Baerbock: Kreml versucht zu destabilisieren

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ist sicher, dass Russland hinter der mutmaßlichen Sabotage steckt. "Deutlich wird seit Langem, dass der Kreml mit verschiedenen Methoden versucht, europäische Demokratien zu destabilisieren und missliebige Parteien zu diskreditieren. Wer politisch für die europäische Friedensordnung eintritt und sich Russlands völkerrechtswidrigem Angriffskrieg gegen die Ukraine entgegenstellt, gerät ins Fadenkreuz des Kreml und seiner Schergen", erklärte die Außenministerin heute schriftlich. Sie ist eine weitere Spitzenkandidatin der Grünen für die Wahl am 23. Februar. Bündnis90/Die Grünen haben sich ganz klar an die Seite der Ukraine gestellt.

Wer sabotiert die Unterseekabel in der Ostsee?

Schon bei der letzten Bundestagswahl 2021 hatte sich Russland nach Auffassung der Bundesregierung in den Wahlkampf eingemischt. Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hätten sich die Vorfälle vervielfacht, meint der Militärische Abschirmdienst (MAD), einer der Geheimdienste in Deutschland, in einer Analyse.

Deutschland Berlin 2025 | Kanzlerkandidat Habeck  auf Grünen-Parteitag
Ziel der russischen Kampagne: Grüne Spitzenkandidaten Robert Habeck (Mitte) und Annalena Baerbock (re.) im WahlkampfBild: Jens Krick/Flashpic/picture alliance

"Wir können nicht ignorieren, dass sich die hybride Bedrohungslage seitdem weiter verschärft hat. So wurde vor wenigen Monaten berichtet, dass die Infokrieger der kremlnahen Agentur "Social Design Agency" mit Fälschungen und Lügen ganz gezielt daran arbeiten, Gesellschaften zu spalten und zu destabilisieren. Auch die sogenannte "Doppelgänger"-Kampagne macht die demokratischen Parteien Deutschlands zur Zielscheibe", schrieb Außenministerin Annalena Baerbock in ihrer Stellungnahme. Die Doppelgänger-Kampagne ist ein russisches Netzwerk von hunderttausenden von maschinellen Konten (sogenannten "Bots") in sozialen Medien, das echte Nutzer simuliert und pro-russische Propaganda verbreitet.

Zahl der Fälle nimmt zu

Die Bauschaum-Masche ist nicht die erste Welle von eher "preiswerten", kleinen Sabotageaktionen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet seit Monaten die Tendenz, dass russische Dienste in den Zielländern Klein-Kriminelle anheuern, die die Taten ausführen. Im aktuellen Fall soll es sich um vier jungen Männer aus Serbien, Bosnien-Herzegowina und Deutschland handeln.

Die Liste von Vorfällen wird länger: Brennende Pakete in Postverteilzentren und Flugzeugen, Drohnenüberflüge über Bundeswehr-Einrichtungen, Löcher in Kasernen-Zäunen, das Eindringen Unbefugter auf militärischen Übungsplätzen, beschädigte Infrastruktur bei der Bahn und bei Versorgungsunternehmen, ein laut US-Geheimdiensten geplanter mutmaßlicher Anschlag auf den Chef des Rüstungskonzerns Rheinmetall. Zur hybriden russischen Strategie gehören wohl auch die Beschädigung von Seekabeln in der Ostsee durch Tanker der russischen "Schattenflotte" - Billig-Tanker, die russisches Öl nach Asien verschiffen.

Paketzentrum
Gefährliche Pakete? Deutsche Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass Russland Brandsätze in Paketenzentren von DHL geschickt hatBild: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa/picture alliance

Deutschland ist nicht das einzige Land in der Europäischen Union, in dem die russischen Saboteure und ihre Helfer aktiv sein sollen. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas wies im Gespräch mit der Deutschen Welle darauf hin, dass Russland überall Einfluss zu nehmen sucht. "Wir dürfen nicht jeden dieser Vorfälle isoliert für sich betrachten, sondern müssen sie in einem größeren Kontext sehen. Wir müssen verstehen, dass sich die Absichten, die Russland gegenüber Europa und der europäischen Sicherheitsarchitektur verfolgt, nicht geändert haben", sagte Kallas dem DW-Studio Brüssel.

Als Konsequenz patrouillieren Marine-Schiffe aus Ostsee-Anrainerstaaten jetzt gemeinsam, um russische Attacken auf Seekabel zu verhindern. In Deutschland dauere die Verfolgung der mutmaßlichen Sabotageakte ziemlich lange, bemängeln Fachpolitiker für innere Sicherheit, wie der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter (CDU), schon länger. Bis alle Zusammenhänge ermittelt, die Prozesse geführt und Urteile ergangen sind, vergingen Monate, wenn nicht Jahre. Bis dahin seien Hacker im Ausland, russische Agenten und Helfer längst mit der nächsten Aktion beschäftigt.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union