EU-Außenbeauftragte Kallas: Sabotageakte in der EU nehmen zu
3. Februar 2025Als Ministerpräsidentin von Estland vertrat Kaja Kallas die 1,3 Millionen Einwohner des kleinen Staates, der sich zwischen die Ostsee und Russland zwängt. Seit Ende 2024 ist die 47-Jährige Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik und spricht auf der politischen Weltbühne für 450 Millionen Menschen in 27 Ländern.
Ihr Fokus auf Russland bleibt dabei unverändert. "Sabotageakte nehmen in Europa eindeutig zu", erklärte sie in der Brüsseler Zentrale des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Angesprochen auf eine Reihe mutmaßlicher hybrider Angriffe, zuletzt auf Tiefseekabel in der schwedischen Wirtschaftszone in der Ostsee, betont Kallas im Exklusiv-Interview mit Alexandra von Nahmen von der DW: "Wir dürfen nicht jeden dieser Vorfälle isoliert für sich betrachten, sondern müssen sie in einem größeren Kontext sehen. Wir müssen verstehen, dass sich die Absichten, die Russland gegenüber Europa und der europäischen Sicherheitsarchitektur verfolgt, nicht geändert haben."
Kallas, die im damals noch sowjetisch besetzten Estland geboren wurde und der politischen Mitte zuzurechnen ist, hat sich einen Ruf als eine der schärften Kritikerinnen Moskaus und der treuesten Unterstützerinnen der Ukraine erworben.
EU und USA bleiben Freunde
Und sie arbeitet eng mit der gerade vereidigten Regierung des ultranationalistischen US-Präsidenten Donald Trump zusammen. Seit drei Jahren unterstützen die Vereinigten Staaten und die Länder der EU die Ukraine mit Waffen und anderen Hilfsgütern. Doch während seiner ersten Wochen im Amt begann Trump umgehend damit, die EU scharf in Handelsfragen und wegen ihrer Verteidigungsausgaben zu kritisieren. Außerdem schockierte er Europa mit seinem Wunsch, das autonome dänische Gebiet Grönland zu übernehmen.
"Wir sind noch immer Freunde. Wir sind noch immer Verbündete", beschreibt Kallas die Beziehungen zwischen den USA und der EU. "Wirtschaftlich sind die USA unser größter Partner, aber auch, was unsere Sicherheit betrifft."
"Diese Woche hatte ich ein sehr gutes Telefongespräch mit Außenminister Marco Rubio. Wir sprachen über die verschiedenen Weltregionen, in denen wir kooperieren, und auch darüber, wo wir noch mehr tun können", erzählt sie. "Ich bin also überzeugt, dass wir eine gute Beziehung haben."
Doch was ist mit Grönland?
"Die Vereinigten Staaten haben internationale Abkommen unterzeichnet. Internationale Abkommen, die besagen, dass die territoriale Integrität respektiert werden muss. […] Ich habe keinen Zweifel, dass die USA das tun werden", betont Kallas. Über die Frage, ob die EU über Truppen in Grönland nachdenke, sei noch nicht diskutiert worden.
Ähnliche Haltung zur Ukraine
Auch über die Haltung Washingtons gegenüber Kiew möchte Kallas nichts Negatives sagen. "Ihnen ist klar, dass dieser Krieg nur beendet werden kann, wenn wir Druck auf Russland ausüben, denn der Krieg wurde von Russland begonnen." Trump hat in der Vergangenheit behauptet, er könne innerhalb eines Tages ein Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine aushandeln. Das hatte zu Befürchtungen geführt, dass er Kiew zu einer schnellen Friedensvereinbarung drängen könnte, zu Bedingungen, die die EU als nachteilig betrachten und Moskau zu weiteren Militäraktionen ermutigen könnten.
Seit seinem Amtsantritt scheint Trump gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine härtere Haltung einzunehmen als von vielen erwartet, doch auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde Zielscheibe seiner Kritik. "Präsident Trump war in seinen Äußerungen gegenüber Putin sehr deutlich", meint Kallas. "Ich gehe also davon aus, dass wir die Lage recht ähnlich einschätzen."
Was hat Rubio, Kallas Amtskollege in den USA, im Gespräch mit ihr tatsächlich über die Strategie der USA in Bezug auf die Ukraine gesagt?
"Wir werden uns auch persönlich treffen und über diese Dinge diskutieren müssen, doch es ist klar, dass sie diesen Krieg beenden wollen", sagt Kallas. "Alle wollen diesen Krieg beenden, denn alle wollen Frieden. Doch es ist auch klar, und das hat auch Rubio gesagt, dass dieser Frieden nachhaltig sein muss."
Liegt in der Ungewissheit eine Chance für die EU?
Europa ist ohne Zweifel nervös wegen Trump. Dieser hat die Entwicklungshilfe der USA bereits eingefroren und ist aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen. Doch Kallas argumentiert, dass die Unberechenbarkeit der USA ebenso wie die allgemeine Instabilität der globalen geopolitischen Lage der EU auch eine Chance bietet.
"Ich glaube, die Zeiten sind gerade sehr herausfordernd, gleichzeitig gibt das der Europäischen Union die Möglichkeit, auf der Weltbühne zu einem wichtigen geopolitischen Akteur zu werden."
"Die neue US-Regierung führt dazu, dass sich alle anderen Länder auch der Europäischen Union zuwenden, weil wir ein verlässlicher Partner, ein stabiler Partner sind", ist Kallas überzeugt. "Das gibt uns die Gelegenheit, unseren geopolitischen Einfluss auszubauen."
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.