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Die griechische Tragödie

11. März 2010

Eine europäische Ratingagentur, ein Verbot von Wetten auf eine Staatspleite, ein europäischer Währungsfonds - an Vorschlägen mangelt es nicht. Doch Athen braucht vor allem eines dringend: frisches Geld.

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Streikende Taxifahrer vor dem griechischen Parlament (Foto: dpa)
Streikende Taxifahrer vor dem griechischen ParlamentBild: Picture alliance/dpa

Wenn ein Land wie Griechenland ein Leistungsbilanzdefizit von 14 Prozent und ein Haushaltsdefizit von knapp 13 Prozent aufweist, dann müsste das Land die eigene Währung abwerten. Doch in der Eurozone hat Griechenland diesen Hebel nicht mehr. Aus diesem Grund hält Lukas Menkhoff, Finanzexperte der Uni Hannover, einen Austritt Griechenlands aus der Europäischen Währungsunion nicht für sehr dramatisch, "weil Griechenland damit zumindest einen Teil seiner Probleme lösen könnte." Vorausgesetzt: dieser Austritt erfolge unter bestimmten Rahmenbedingen, die gewährleistet sein müssten, um nicht eine noch größere Krise auszulösen. "Wenn man das hinbekommt, dann denke ich, ist ein Austritt eine ernsthafte Option, die man überlegen muss", sagt Menkhoff weiter.

Drei Optionen

Prof. Dr. Lukas Menkhoff, Institute of Money and International Finance der Leibniz Universität Hannover (Foto: DW)
Prof. Dr. Lukas Menkhoff, Institute of Money and International Finance der Leibniz Universität HannoverBild: DW

Doch für die Politik scheint das keine ernsthafte Option zu sein. Denn es gibt weitere Wackelkandidaten in der Eurozone. Ein Zerfall der Währungsunion könnte die schlimmste Folge sein. Also sucht man nach Alternativen. Drei Optionen kennt Lukas Menkhoff: "Die Eine ist, dass die Länder, die niedrigere Inflationsraten und hohe Exportüberschüsse haben wie Deutschland, ihre Wettbewerbsfähigkeit reduzieren, indem sie inflationieren."

Das erreicht man, wenn beispielsweise höhere Lohnabschüsse durchgeführt würden. Diese Option ist nicht gerade realistisch im Hinblick auf die noch nicht überwundene Wirtschaftskrise. Die zweite Option wäre ein Finanztransfer, was aber kein Problem lösen und zudem anderen Defizitsündern ein falsches Signal geben würde. Bleibt die dritte und wahrscheinlichste, "dass Griechenland eine sehr restriktive Politik verfolgt, die aber dann mit sehr hohen Kosten für das Land verbunden ist", so Lukas Menkhoff von der Uni Hannover weiter.

Unmut in der Bevölkerung

Ein Maßnahmenpaket der Regierung Papandreou, bestehend aus Steuererhöhungen, Ausgabenkürzungen und Privatisierung des Staatseigentums, konnte die Finanzmärkte vorerst beruhigen. Mit einem satten Risikoaufschlag wurde letzte Woche eine zehnjährige Anleihe im Volumen von fünf Milliarden Euro platziert. Doch wächst der Widerstand in der griechischen Bevölkerung. Zwei Generalstreiks wurden in den letzten Tagen ausgerufen. Die Griechen fühlen sich alleingelassen von der Europäischen Union.

Dr. Rémi Lallement vom "Centre d'analyse stratégique" in Paris (Foto: DW)
Dr. Rémi Lallement vom "Centre d'analyse stratégique" in ParisBild: DW

Etwas mehr Solidarität mit dem gebeutelten Mittelmeerstaat wünscht sich auch Rémi Lallement, Berater der französischen Regierung: "Man sollte nicht zu einseitig denken, nur in Richtung Kostensenkung und Haushaltskonsolidierung. Die Europäische Union ist eine Union, und in einer Union gibt es nicht nur Wettbewerb."

IWF ins Boot holen

Dr. Christian Kastrop, Unterabteilungsleiter für Finanz- und Währungspolitik beim Bundesfinanzministerium (Foto: Bundesministrium der Finanzen)
Dr. Christian Kastrop, Unterabteilungsleiter für Finanz- und Währungspolitik beim BundesfinanzministeriumBild: Bundesministerium der Finanzen

Auch wenn Athen bisher vergeblich auf konkrete Hilfezusagen warten musste, glaubt keiner ernsthaft, dass die EU Griechenland fallen lassen würde. Doch die Zeit drängt. Bis Ende Mai muss das Land weitere 20 Milliarden Euro umschulden. Bis dahin muss ein Griechenland-Paket von der EU geschnürt werden, um eine drohende Staatspleite abzuwenden. Dabei könnte, so die persönliche Meinung von Christian Kastrop beim Bundesfinanzministerium, könnte auch der IWF eine Rolle spielen: "Man wird Überlegungen prüfen müssen, die sich im Rahmen der Europäischen Union, insbesondere der Eurozone abspielen, gegebenenfalls aber durchaus auch unterlegt mit externer Expertise, und da wäre natürlich der IWF mit seinen Kenntnissen sehr willkommen."

Wenn der IWF mit im Boot sitzt, könnte das die Akzeptanz für die unpopulären Maßnahmen der griechischen Regierung in der Bevölkerung erhöhen. Auch würde sich der Zorn nicht nur gegen Brüssel und Berlin richten.

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Henrik Böhme