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Regierungsgegner lassen nicht locker

24. Januar 2014

Im Machtkampf in der Ukraine hat die Opposition neue Proteste auch außerhalb Kiews gestartet. Ein Krisengespräch bei Präsident Janukowitisch brachte keinen Durchbruch. Berlin bestellte den ukrainischen Botschafter ein.

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Demonstranten auf Barrikaden jn Kiew (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Ukraine: Fronten in Kiew sind unverändert

Aktivisten der Opposition besetzten in Kiew das Landwirtschaftsministerium und verstärkten die Barrikaden im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt. Zudem errichteten die Demonstranten ihre Posten, etwa an der stark frequentierten U-Bahn-Station Kreschtschatik. Ein Sprecher der Oppositionsgruppe "Gemeinsame Sache", die das Ministerium besetzt hat, erklärte auf Facebook, nach den Verhandlungen zwischen den Oppositionsführern und Präsident Viktor Janukowitsch sei es klar geworden, dass "wir die Offensive vorbereiten müssen".

Pfiffe gegen Oppositionsführer

Aus Sicht der drei Oppositionsführer ist das Treffen mit dem prorussischen Präsidenten enttäuschend verlaufen. Der ehemalige Box-Weltmeister und Chef der Oppositionspartei Udar, Vitali Klitschko, sagte anschließend vor zehntausenden Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan), Janukowitsch habe sowohl den eigenen Rücktritt als auch den des Kabinetts abgelehnt. "Das einzige, was wir erreicht haben, ist das Versprechen, alle Demonstranten freizulassen", sagte Klitschko, der wie andere Oppositionsführer von der Menschenmenge mit Pfiffen und "Schande!"-Rufen bedacht wurde. Der ehemalige Box-Champion rief die Regierungsgegner zu Geduld auf. "Ein Machtwechsel ohne Blutvergießen ist immer noch möglich."

Ukraine: Fronten in Kiew sind unverändert

Sondersitzung des Parlaments

Vor der Gesprächsrunde hatte Janukowitsch Entgegenkommen signalisiert und eine Sondersitzung des Parlaments beantragt. Auf ihr könne am kommenden Dienstag über die Rücktrittsforderungen der Opposition und eine mögliche Rücknahme der jüngsten Einschränkungen des Demonstrationsrechts beraten werden. In einem Beitrag für die "Bild"-Zeitung warf Klitschko dem Präsidenten vor, mit einem möglichen Misstrauensvotum gegen Regierungschef Nikolai Asarow in der nächsten Woche auf Zeit zu spielen. Janukowitschs Rücktritt gehört zu den Kernforderungen der Opposition, weil er sein Land vom proeuropäischen Kurs abgebracht und sich stärker Russland zugewandt hat.

Klitschko mit Demonstranten (Foto: Reuters)
Klitschko mit DemonstrantenBild: Reuters

Janukowitsch steigerte den Zorn seiner Gegner unterdessen weiter: Der Staatschef ernannte den als Hardliner geltenden Andrij Kljujew zum Leiter des Präsidialamtes. Kljujew war früher Vizeregierungschef und zuletzt Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats. Er ist der proeuropäischen Opposition verhasst. Laut der Oppositionswebseite "Ukrainska Prawda» ist Kljujew verantwortlich für die gewaltsame Auflösung einer Studentendemonstration am 30. November. Er stammt wie Janukowitsch selbst aus der Industriestadt Donezk im russischsprachigen Osten der Ukraine.

Andrij Kljujew, der neue Chef des Präsidialamtes (Foto: cc-by-sa-3.0/Oknemof)
Andrij Kljujew, der neue Chef des PräsidialamtesBild: cc-by-sa-3.0/Oknemof

An der Spitze des Präsidialamts löst Kljujew den eher gemäßigten Politiker Sergej Ljowotschkin ab, der vergangene Woche nach Verabschiedung der umstrittenen Gesetze zur Verschärfung des Demonstrationsrechts seinen Rücktritt erklärt hatte. Die Gesetze, die in einem Schnellverfahren vom Parlament gebilligt und am Freitag von Janukowitsch unterzeichnet worden waren, schränkten das Demonstrationsrecht deutlich ein, lösten aber eine neue Protestwelle aus, die zu den heftigen Straßenschlachten der vergangenen Tage führte.

Proteste auch in anderen Städten

Inzwischen hat der Machtkampf auch auf die Provinz übergegriffen. In mehreren west- und zentralukrainischen Städten stürmten wütende Regierungsgegner Verwaltungsgebäude. Hunderte Regierungsgegner besetzten die Gebietsverwaltung in der Großstadt Lwiw (Lemberg) rund 500 Kilometer westlich von Kiew. In der Hauptstadt war der Konflikt in den vergangenen Tagen eskaliert. Bei Straßenkämpfen waren mindestens drei Demonstranten getötet und mehr als 150 Polizisten verletzt worden.

Kiews Botschafter einbestellt

IWegen des gewaltsamen Vorgehens gegen die Opposition in Kiew hat die Bundesregierung den ukrainischen Botschafter in Deutschland, Pawel Klimkin, einbestellt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier bat den Diplomaten zum
Gespräch ins Auswärtige Amt. Regierungssprecher Steffen Seibert
verurteilte abermals die Anwendung von Gewalt durch die Sicherheitstruppen der Regierung.

"Wir haben große Sympathie mit der überwältigenden Mehrzahl der Demonstranten, die gewaltfrei und friedlich ihre Bürgerrechte einfordern", sagte
Seibert. Klar sei aber, "dass es auch gewaltbereite Demonstranten gibt". Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bereits am Donnerstag in einem Telefongespräch mit Janukowitsch die Gewaltausbrüche scharf verurteilt. Auch die französische Regierung bestellte den Botschafter der Ukraine ein. Ein solcher Schritt gilt auf diplomatischer Ebene als Ausdruck scharfer Missbilligung.

sti/wl/uh (dpa, afp, rtr)