Parlamentswahl in Frankreich: Linke liegen überraschend vorn
7. Juli 2024Bei der Parlamentswahl in Frankreich liegt ersten Hochrechnungen zufolge das Linksbündnis in Führung. Das rechtsnationale Rassemblement National (RN) könnte demnach nur auf dem dritten Platz hinter dem Mitte-Lager von Staatspräsident Emmanuel Macron landen, wie die Sender TF1 und France 2 nach Schließung der Wahllokale berichteten. Die absolute Mehrheit von 289 Sitzen dürfte keines der Lager erreichen.
Das linke Bündnis Neue Volksfront (Nouveau Front Populaire) könnte den Zahlen zufolge auf 172 bis 215 der 577 Sitze kommen, Macrons Kräfte auf 150 bis 180 und das RN um Marine Le Pen und seine Verbündeten auf 120 bis 152. Das Ergebnis ist eine große Überraschung.
Nach der ersten Wahlrunde vor einer Woche sahen Prognosen das RN noch knapp unter der absoluten Mehrheit und damit möglicherweise in der Lage, die nächste Regierung zu stellen. Der Rechtsruck fällt nun geringer aus als erwartet.
Wie könnte es nun weitergehen?
Mit dem Ergebnis ergeben sich verschiedene Zukunftsszenarien. Die Linken könnten versuchen, von den Mitte-Kräften Unterstützung zu bekommen - entweder als eine Minderheitsregierung mit Duldung oder in einer Art Großen Koalition. Angesichts der gegensätzlichen politischen Ausrichtungen ist allerdings nicht abzusehen, ob dies gelingen könnte. Unklar ist, ob Staatschef Macron in einem solchen Szenario politisch gezwungen wäre, einen Premier aus den Reihen der Linken zu ernennen.
Die französische Nationalversammlung kann die Regierung stürzen. Bei einem Premier aus dem linken Lager müsste Macron die Macht teilen; der Premier würde wichtiger. Was dies für Deutschland und Europa hieße, ist ebenso unklar. Das Linksbündnis ist in sich gespalten und vertritt bei vielen großen politischen Themen sehr unterschiedliche Positionen. Sollte keines der Lager eine Regierungsmehrheit finden, könnte die aktuelle Regierung als Übergangsregierung im Amt bleiben oder eine Expertenregierung eingesetzt werden. Frankreich droht in einem solchen Szenario politischer Stillstand.
Krawall befürchtet
Sicherheitskräfte hatten sich auf mögliche Unruhen am Wahltag in Frankreich vorbereitet: 30.000 Polizisten wurden mobilisiert - 5000 davon alleine in Paris und seinen Vororten, wie Innenminister Gérald Darmanin angekündigte. Auf der berühmten Einkaufsmeile Champs-Elysées wurden Geschäfte in Erwartung von Ausschreitungen verbarrikadiert.
wa/HF (dpa, afp, rtr)