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KatastropheIndien

Reagiert Indien auf immer heftigere Umweltkatastrophen?

Murali Krishnan in Delhi
13. August 2024

Die Erdrutsche im südlichen Bundesstaat Kerala sind die jüngsten in einer Reihe von Umweltkatastrophen. Nimmt die Regierung die Folgen des Klimawandels ernst genug?

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Indien Kerala | Erdrutsch in Wayanad: Ein Retter steht vor durch einen Erdrutsch entwurzelte und weggeschwemmte Bäume und ein zerstörtes Auto
Trümmer überall: Nach den Erdrutschen in Kerala fordern Umweltexperten, dass Indien endlich auf Umweltkatastrophen angemessen reagieren soll.Bild: Rafiq Maqbool/AP/picture alliance

Prasanna Kumar, ein Überlebender der tödlichen Erdrutsche, die den Wayanad-Distrikt in Kerala heimsuchten, musste am 30. Juli mit ansehen, wie seine Schwester und ihre Familie von den wirbelnden Schlammfluten mitgerissen wurden. Auch viele andere waren im Schlaf überrascht und weggespült worden

"Ich habe viele Erdrutsche in dieser Region gesehen. Aber das war verheerend. Der Boden bebte unter meinen Füßen und gab in Sekundenschnelle nach. Danach gab es nur Tod und Zerstörung", berichtet Kumar, der sich derzeit in einem Notlager befindet, im Gespräch mit der DW.

Empfindliche Ökosysteme

Die Rettungsdienste haben die Suche nach rund 200 Menschen inzwischen eingestellt, die noch vermisst werden, darunter auch Kumars Verwandte. Die Naturkatastrophe kostete über 300 Menschen das Leben und verursachte Schäden an Eigentum und Infrastruktur. Und sie wirft nun die Frage auf, ob Indien nicht weitere Schritte unternehmen sollte, um weitere Umweltkatastrophen in der Zukunft zu verhindern.

Indien: Ein älterer Man steht vor einem vom Einsturz bedrohte Haus in Joshimath im indischen Bundesstatt Uttarakhand.
Vom Einsturz bedrohtes Haus in Joshimath im indischen Bundesstaat UttarakhandBild: Subrata Goswami/DW

Sunita Narain, Direktorin des Center for Science and Environment, verweist in diesem Zusammenhang auf die jüngsten Naturkatastrophen in der Himalaya-Region im Norden des Landes. Letztes Jahr wurde berichtet, dass die Stadt Joshimath im Bundesstaat Uttarakhand mit Rissen in Gebäuden und Straßen "versinkt". Im Oktober brach ein Damm an einem Gletschersee in Sikkim. Im darauffolgenden Monat saßen bei einem Einsturz über 40 indische Arbeiter 17 Tage lang im Silkyara-Tunnel im Himalaya fest.

"Das sind alles Beispiele für die gedankenlose Art und Weise, wie wir Wasserkraftprojekte in der fragilen Himalaya-Zone durchführen. Sollte es nicht eine bessere Planung geben, um zu entscheiden, was gut für die Menschen und gut für die Ökologie ist? Wichtig ist, dass wir für die Menschen in diesen Krisengebieten eine nachhaltige Lebensgrundlage schaffen", sagt Narain der DW.

Regierungen ignorierten Empfehlungen von Ökologen

In Kerala ist die Bergregion am Westghats, in der sich die Erdrutsche ereigneten, ebenfalls eine ökologisch sensible Region, in der die Vorschläge von Umweltschützern ignoriert wurden. Steinbrüche und Abholzungen werden an ungeeigneten oder gefährlichen Standorten durchgeführt.

Ein Expertengremium unter der Leitung des Umweltwissenschaftlers Madhav Gadgil empfahl im Jahr 2010, rund drei Viertel des 129.037 Quadratkilometer großen Gebiets der Westghats als ökologisch sensibel einzustufen. Doch nur drei Jahre später wurde dieser Anteil auf der Grundlage der Empfehlungen eines zweiten Gremiums auf 50 Prozent herabgesetzt.

In Kerala gibt es 5.924 Steinbrüche, darunter auch in den ökologisch fragilsten Zonen, schreibt das Online-Portal Mathrubhumi unter Berufung auf einen Bericht vom Wissenschaftler Gadgil. Obwohl nicht alle Steinbrüche von der Regierung genehmigt wurden, mangelt es an Durchsetzungsvermögen, gegen Steinbrüche ohne Genehmigung vorzugehen.

Gadgil führte die jüngste Tragödie auf das Versagen der Regierung von Kerala zurück, wichtige ökologische Empfehlungen umzusetzen, und sagte indischen Medien: "Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen dem Abbau von Hartgestein und dem Zusammenbruch von Hängen in Form von Erdrutschen, insbesondere an einem Ort wie Wayanad."

Klimawandel verschärft die Situation

Fast die Hälfte von Kerala besteht aus Hügeln und Bergregionen mit Steigungen von mehr als 20 Grad. Eine kürzlich durchgeführte Risikobewertung registrierte im Zeitraum von 1998 und 2022 in 17 Bundesstaaten 81.000 Erdrutsche. Allein in Kerala ereigneten sich 6039 Erdrutsche. Laut dem "Landslide Atlas of India" ist Kerala damit der am stärksten betroffene Bundesstaat außerhalb der Himalaya-Region.

Indien: Hitzewelle in Delhi im Mai 2024. Frauen füllen Kanister mit Trinkwasser
Hitzewelle in Delhi im Mai 2024; Frauen füllen Kanister mit TrinkwasserBild: Priyanshu Singh/REUTERS

Der vom Menschen verursachte Klimawandel verschärft in Indien bereits existierende Wetterextreme, darunter Hitzewellen und Überschwemmungen. Solche Extremsituationen dürften in bereits sensiblen Gebieten wie an den steilen Hängen Keralas zu noch schlimmeren Katastrophen führen. Vor den Erdrutschen in Wayanad wurden Berichten zufolge in nur 48 Stunden ungewöhnlich große Niederschläge gemessen, die die massiven Erdbewegungen auslösten.

Expertin: Indien soll Wetterwarnsystem verbessern

Akshay Deoras, eine Meteorologin des National Center for Atmospheric Science und des Department of Meteorology an der britischen University of Reading, fordert Indien auf, sein aktuelles Warnsystem an die dramatischen Klimaveränderungen anzupassen, die das Land erlebt.

"Die Wirksamkeit des derzeitigen Warnsystems mit verschiedenen Farbcodes und die Sprache, die in Warnungen oder Prognosen verwendet wird, müssen überprüft werden. Alle Stakeholder im Land - Medien, die Bürger, der Katastrophenschutzkräfte und der Regierungen der Bundesstaaten - müssten dabei eingebunden werden. Traditionelle Methoden des Katastrophenmanagements werden bei solchen Ereignissen nicht mehr funktionieren", fügte Deoras hinzu.

Sie fordert, dass die Frühwarnsysteme in Indien durch den Einsatz von Dopplerradaren, Satelliten, Echtzeitbeobachtungen und direkter Kommunikation mit Menschen robuster gemacht werden müssen.

"Der Fokus muss auch auf der Verbesserung der Wettervorhersagemodelle liegen", sagt Deoras der DW. "Meteorologen müssen in die Lage versetzt werden, die Menschen direkt zu warnen, um die Abhängigkeit von den Regierungen der Bundesstaaten oder den lokalen Behörden bei der Verbreitung von Warnungen zu verringern. Die Vorhersagen und Warnungen vor Tornados in den USA liefern hier einige Ideen", sagte sie.

Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand