1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Presseschau: Machtdemonstration kurz vor der Wahl

Zusammengestellt von Corinna Nohn15. März 2006

Kommentatoren internationaler Zeitungen setzen sich mit dem Angriff der israelischen Armee auf das Gefängnis in Jericho auseinander. Will Israel die Hamas auf diesem Weg dazu bringen, den Waffenstillstand zu brechen?

https://p.dw.com/p/87GZ

"Libération" (Paris): Machtdemonstration aus wahltaktischen Gründen

"Weniger als zwei Wochen vor der Parlamentswahl in Israel scheint der Nachfolger Ariel Scharons an der Spitze der Regierung und der Kadima-Partei zunehmend die rechte Öffentlichkeit zu umschmeicheln, um seiner alten Likud-Partei den Weg zu versperren. Ehud Olmert hat keine Militärlaufbahn hinter sich wie sein Vorgänger oder sein Rivale auf der Rechten, Benjamin Netanjahu. Er hat gestern seine Fähigkeit gezeigt, eine riskante Militäroperation zu einem guten Ende zu führen. Doch zu welchem Preis? (...)

Die Machtdemonstration verstärkt vor allem den Groll und die Frustration in den Palästinensergebieten, die bereits einer beginnenden Finanzblockade ausgesetzt sind, weil sie bei der Wahl 'schlecht' für Hamas gestimmt haben. Das ist ein erstaunlich kurzfristiges Kalkül einer Regierung, die trotz allem erklärt, Wege des Zusammenlebens beider Völker zu suchen."

"Der Bund" (Bern): Olmerts Provokation

"Das alles missfällt Israel, wo die Nervosität im Wahlkampf ebenfalls beträchtlich ist. Der Militäreinsatz in Jericho ist aber kaum nur ein Wahlkampfmanöver. Will Premier Olmert die Hamas-Leute so sehr provozieren, dass sie sich mit einem Attentat in Israel rächen? Damit würde die Hamas, die sich seit mehr als einem Jahr an einen Waffenstillstand hält, international wieder isoliert - und die 'Gefahr' für Israel, mit den gewählten Palästinensern um einen gerechten Frieden verhandeln zu müssen, wäre vorüber."

"Times" (London): Beobachter hätten noch in Jericho bleiben sollen

"Zwei Wochen vor der Wahl in Israel hat Ehud Olmert mit der Militäraktion ein klares Signal an die israelischen Wähler und an die Palästinenser gerichtet. Zwar hat er einen Rückzug aus dem Westjordanland angekündigt, aber um von den Rechten nicht als Verräter gebrandmarkt zu werden, will er bei Sicherheitsfragen hart durchgreifen. Die bevorstehende Wahl in Israel und die festgefahrene politische Situation nach dem Sieg der Hamas haben die Anspannung in Nahost weiter verschärft. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat es bislang nicht geschafft, die Hamas zur Anerkennung Israels zu überreden. (...)

Zum Abzug der internationalen Beobachter aus Jericho stellt sich die Frage, ob der Zeitpunkt dafür gut gewählt war. Sicherlich hätten sie bis nach der israelischen Wahl bleiben können, denn im Moment heizt die Wahlkampagne die Stimmung unter den Palästinensern weiter

an."

"Guardian" (London): Abzug von Beobachtern hat Vertrauen gekostet

"Der Abzug der internationalen Beobachter aus Jericho war der Auslöser für die israelische Aktion und die darauf folgenden Krawalle. Das hat jetzt zur Folge, dass die Aussichten auf ein gewaltfreies Nebeneinanderleben von Israelis und Palästinensern bis zur Klärung der politischen Situation nach dem Sieg der Hamas kaum noch möglich ist. Geschadet hat der Abzug auch dem Ansehen der westlichen Länder, vor allem Großbritannien. Für die Palästinenser sieht es so aus, als hätten die Briten mit Israel bei dem Sturm auf das Gefängnis gemeinsame Sache gemacht. Britische Beobachter sind wichtige Vermittler zwischen der Hamas und den Israelis. Das Vertrauen in die Briten ist mehr als nur angekratzt, und das macht die Sache doppelt schlimm."