1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikUkraine

Mobilisierungsgesetz: Männer, die in der Ukraine festsitzen

10. Juni 2024

Mehr als zwei Kriegsjahre lang konnten wehrpflichtige Ukrainer problemlos ihr Heimatland verlassen - sofern sie im Ausland wohnten. Damit ist nun Schluss. Die DW hat mit Betroffenen gesprochen.

https://p.dw.com/p/4gkYt
Eine Männerhand hält einen ukrainischen Pass
Ein Mann mit ukrainischem PassBild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Ukrainische Männer, die in ihrem Heimatland der Mobilmachung unterliegen, aber ihren ständigen Wohnsitz im Ausland haben, stehen bei der Ausreise neuerdings vor verschlossenen Grenzen. Seit dem 1. Juni dürfen sie die Ukraine nicht mehr verlassen. Bislang garantierten ihnen ein Vermerk im Pass und eine Meldebestätigung bei der zuständigen ukrainischen Auslandsvertretung die problemlose Rückkehr an ihren Wohnort.

Das sei nun anders, sagt Andrij Demtschenko, Sprecher des ukrainischen Grenzschutzes. "Sie sind Bürger der Ukraine und unterliegen wie alle Bürger der Ukraine der Gesetzgebung", betont er im DW-Gespräch. Die Behörde setzt damit eine Gesetzesänderung um. Das neue Mobilisierungsgesetz ist am 18. Mai in Kraft getreten und verpflichtet alle Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren, sich zum Militärdienst zu melden.   

Wehrpflichtige Ukrainer können nicht mehr ausreisen

Die meisten Auslandsukrainer wurden von der neuen Bestimmung böse überrascht. Wer zu dem Zeitpunkt in der Ukraine war, als der Grenzschutz die Regelung umzusetzen begann, lebt nun in völliger Ungewissheit. So wie Dmytro (Name geändert), der über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Deutschland verfügt.

Seine ganze Familie lebt in Deutschland und er ist schon seit 2003 beim zuständigen ukrainischen Konsulat gemeldet. Von Zeit zu Zeit besuchte er die Ukraine und hielt auch nach Beginn der russischen Invasion daran fest. Als die neuen Regelungen zur Ausreise für Männer in Kraft traten, befand sich Dmytro gerade in Kiew. Seit dem 1. Juni hat er nicht versucht, die Ukraine zu verlassen. Entsprechende Versuche seiner Freunde, sagt er, seien an der Grenze gescheitert.

Eine Gruppe ukrainischer Männer steht vor dem Eingang zu einem Einberufungsamt
Ukrainische Männer stehen vor einem EinberufungsamtBild: Vlad Konstantynov/DW

"Niemand kann uns offiziell sagen, was Männer mit ständigem Wohnsitz im Ausland tun sollen", erzählt Dmytro. "Das Generalkonsulat der Ukraine in München schrieb uns: 'Laut Gesetz müssen bis zum 30. Juni diejenigen, die einen ständigen Wohnsitz im Ausland haben und bei Konsulaten in dem einen oder anderen Land gemeldet sind, in die Ukraine zurückkehren, um sich dort zwecks Aktualisierung ihrer Daten beim Einberufungsamt oder beim Sicherheitsdienst der Ukraine zu melden.'" Dmytro ist überzeugt, dass dies nur sehr wenige Auslandsukrainer tun werden.

Der Staatliche Migrationsdienst der Ukraine bestätigte ihm ebenfalls, dass er nur aufgrund einer Aufenthaltserlaubnis eines anderen Landes die Ukraine nicht verlassen könne. Er wurde auch hier aufgefordert, sich beim regionalen Einberufungsamt der Armee zu melden. Das aber will er nicht.

Auslandsukrainern droht Verlust von Wohnung und Arbeit

Serhij (Name geändert) tat hingegen wie ihm befohlen. Er lebt seit 2006 in Slowenien, wo er auch seinen Wohnsitz hat. Am 26. Mai war er im Rahmen einer Geschäftsreise in der Ukraine eingetroffen. Im Einberufungsamt der Armee wurde ihm gesagt, dass er ohne einen gemeldeten Wohnsitz in der Ukraine nicht beim Militär registriert werden könne. "Es ist ein Teufelskreis", sagt Serhij. "Meine Firma hat mich auf Geschäftsreise geschickt. In der Ukraine habe ich weder Wohnung noch Arbeit. Wenn ich nicht zurück ins Land meines Wohnsitzes komme, verliere ich dort meine Arbeit und die Wohnung, für die ich einen Kredit abzahlen muss." 

Zahlreiche ukrainische Männer stehen in Deutschland vor der Tür einer ukrainischen Konsularstelle
Ukrainische Männer in Deutschland vor einer ukrainischen KonsularstelleBild: Maksim Drabok/DW

Viktor Hrabowskyj ging mit 18 Jahren nach Polen. "Mein ganzes bisheriges Leben als Erwachsener habe ich in Polen verbracht und dort gearbeitet. Ich habe die polnische Staatsbürgerschaft erhalten, eine eigene Firma aufgebaut, einen Kredit für eine Wohnung aufgenommen sowie Baumaschinen und Autos geleast. Meine Kinder sind in Polen geboren und sind polnische Staatsbürger", erzählt er der DW.

Am 1. Juni befand er sich in der Ukraine und kann nun nicht zurück nach Polen. In der Ukraine verfügt er weder über Ersparnisse noch über Wohnraum. Zudem fürchtet er, seine Wohnung in Polen zu verlieren. Dann würde seine Familie ohne Dach über dem Kopf dastehen.

Die Männer, mit denen die DW gesprochen hat, wollen nun an die ukrainischen Behörden und Abgeordneten des Parlaments appellieren. Sie wollen sie bitten, ihnen das Recht, die Staatsgrenze der Ukraine zu passieren, gesetzlich zu garantieren. Und sie sollen ihnen selbst überlassen, sich der Armee anzuschließen oder nicht.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk