1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Menstruationsphase beeinflusst Insulinsensitivität im Gehirn

21. September 2023

Eine neue Studie zeigt, dass das Gehirn je nach Menstruationsphase unterschiedlich auf Insulin reagiert. Diese Reaktion hat Auswirkungen auf Essverhalten und Stoffwechsel im gesamten Körper.

https://p.dw.com/p/4WeK3
Frau in Jeans, die sich mit beiden Händen den Bauch hält
Im Laufe der Periode reagiert das Gehirn unterschiedlich auf InsulinBild: Axel Bueckert/Zoonar/picture alliance

Wer persönliche Erfahrung mit Perioden hat, kennt es vielleicht: Es gibt jeden Monat diese Zeit, in der sich das Essverhalten ändert, zum Beispiel weil sich stärkerer Hunger oder ein hartnäckiges Verlangen nach Kohlenhydraten meldet.

Warum viele Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt im Menstruationszyklus Heißhunger auf Schokolade haben, ist (noch) nicht wissenschaftlich belegt. Aber ein Forschungsteam von mehreren deutschen Universitäten hat nun herausgefunden, dass das Gehirn je nach Menstruationsphase unterschiedlich sensibel auf das Hormon Insulin reagiert. Und diese Reaktion hat weitreichende Auswirkungen.

Insulin wirkt direkt auf spezialisierte Nervenzellen und reguliert so unser Essverhalten und unseren Stoffwechsel. Insulin spielt dementsprechend bei der Gewichtskontrolle, aber beispielsweise auch bei der Blutzuckerkontrolle von Patienten und Patientinnen mit Diabetes Typ 1 eine entscheidende Rolle. Die Forschenden, die ihre Studienergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift Nature Metabolism veröffentlichten, gehen davon aus, dass die Änderung der Insulinsensitivität während des Zyklus diverse kognitive und metabolische Prozesse beeinflusst - die bisher geschlechtsspezifisch noch nicht expliziert untersucht wurden.

Es braucht mehr Diversität bei klinischen Studien 

"Man kann [aus den neuen Studienergebnissen] ableiten, dass es wichtig ist, Frauen in klinische Studien einzubeziehen und dabei den Zyklusverlauf zu beachten", sagt Anke Hinney, die an der Universität Duisburg-Essen am genetischen Hintergrund von Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen forscht und nicht an der Studie beteiligt war.

"Es erscheint trivial, dass die gezeigten Ergebnisse bei alleiniger Betrachtung von Männern nicht erzielt worden wären. Genau das ist [aber] ein Kernbereich der geschlechtersensiblen Medizin, […] um zur Verbesserung des Verständnisses der Ursachen von Krankheiten bei beiden Geschlechtern beizutragen."

Junge Frau hält Schild hoch auf dem steht "It's about bloody time!"
Expertinnen sagen es wird höchste Zeit, dass in klinischen Studien berücksichtigt wird, wie sich der Menstruationszyklus auf potenzielle Ergebnisse auswirken kannBild: Andrew Milligan/empics/picture alliance

Die Forschenden um Martin Heni, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, haben festgestellt, dass bei ihren Probandinnen die Insulinsensitivität des Gehirns im Laufe des Menstruationszyklus schwankte. Während der Follikelphase des Zyklus, also vor dem Eisprung, reagierte das Gehirn sehr sensible auf Insulin. In der Lutealphase nach dem Eisprung zeigte das Gehirn eine Insulinresistenz. Zum Vergleich: Bei normalgewichtigen Männern reagiert das Gehirn für gewöhnlich immer sensibel auf Insulin.

"Schlanke Frauen verhalten sich also in der ersten Zyklushälfte wie schlanke Männer, während sie in der zweiten Zyklushälfte offensichtlich eine zentrale Insulinresistenz aufweisen, wie sie zuvor bei übergewichtigen Männern gezeigt wurde", sagt Alexandra Kautzky-Willer, Leiterin des Bereichs Gender Medizin an der Medizinischen Universität Wien, die nicht an der Studie beteiligt war.

"Zyklusphase stärker berücksichtigen"

Die Forschenden um Heni untersuchten in ihrer randomisierten klinischen Studie elf Frauen im Laufe ihres Menstruationszyklus. Um die Insulinsensitivität des Gehirns zu messen, erhielten die Frauen über die Nase ein Insulin- oder zum Vergleich ein Placebospray. Die Ergebnisse wurden in einer weiteren Runde mit 15 Probandinnen bestätigt. MRT-Scans dieser Teilnehmerinnen zeigten eine höhere Insulinsensitivität vor dem Eisprung im Hypothalamus, einer zentrale Hirnregion für die Regulation von Hormonen.

Die kleine Anzahl der Studienteilnehmerinnen bedeutet, dass weitere Forschung nötig ist, bevor man endgültige Schlüsse, zum Beispiel für Diabetes-Behandlung oder der Behandlung von Menschen mit Adipositas, ziehen kann. "Es ist sehr wichtig, in zukünftigen Experimenten - besonders in der Stoffwechsel- und Gewichtsregulationsforschung - die Zyklusphase, den Sexualhormonspiegel und die Insulinempfindlichkeit stärker zu berücksichtigen", sagt Kautzky-Willer.

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker