Mein Deutschland: Schulpflicht contra Urlaub
24. Mai 2018Seien wir ehrlich: Solche Kontrollen der Polizei hat es schon immer gegeben. 2008 wurden in Bayern rund hundert Familien am letzten Schultag vor den Ferien an diversen Flughäfen auf frischer Tat ertappt. Auch Nordrhein-Westfalen hat solche Ordnungswidrigkeiten bereits mehrfach geahndet. Dass sich nun dieser Tage viele Bürger so sehr aufregen, liegt schlicht und ergreifend daran, weil sie das Gefühl haben, dass der Staat bei Familien mit kleinem Reisebudget Härte und Null-Toleranz zeigt, während ihm in viel wesentlicheren Bereichen die Kontrolle längst entglitten ist. Aber das ist ein anderes Thema.
Von einer pflichtbewussten Chinesin, die dazu auch noch die Fahne der Bildung hochhält, erwarten Sie jetzt sicherlich Aussagen, die ungefähr so klingen: "Für ein paar hundert Euro die Schule schwänzen - das geht ja gar nicht!" Leider muss ich Sie enttäuschen. Mein ökonomischer Verstand sagt mir, dass ein paar hundert Euro kein Pappenstiel sind und durchaus ein Abweichen von der Norm rechtfertigen können.
In meinem Fall war der Spareffekt bei vier Flugtickets nach China hin und zurück sogar noch größer. Sollte ich also die Kinder am letzten Schultag mit ihren Klassenkameraden gemeinsam frühstücken und chillen lassen und dafür mehr als 1000 Euro höhere Reisekosten in Kauf nehmen? Nein! Nichts gegen das Chillen, welches das soziale Miteinander in der Klasse durchaus fördern kann. Aber dafür haben die Kinder ja das ganze Schuljahr über Zeit. Allerdings habe ich meine Töchter nicht krank gemeldet, sondern zuvor stets mit der Schulleitung gesprochen: Im Regelfall fiel die Entscheidung zugunsten unseres Portemonnaies aus.
Wer zu Hause bleibt, ist asozial
Gut, ich habe einen Migrantenbonus, den biodeutsche Eltern nicht haben. Sie können schlecht argumentieren, dass sie nach Mallorca fliegen, damit die Kinder eine für sie wichtige Kultur kennenlernen und pflegen. Aber auch biodeutsche Eltern und ihre Kinder haben ein Anrecht auf Urlaubsreisen und Entspannung. Schließlich leben wir in einer Spaß- und Urlaubsgesellschaft. Wer das ganze Jahr über nicht verreisen kann, riskiert ja inzwischen die soziale Ächtung.
Statt die Familien mit Bußgeld zu belegen, die sich ohne Tricksereien keine Urlaubsreise leisten können, und dadurch ihre ganzen Sparbemühungen zunichte zu machen, sollte der Staat besser für faire Reisebedingungen sorgen. Er könnte zum Beispiel analog zur Mietpreisbremse den Flug- und Reisegesellschaften verbieten, die Preise mit Beginn der Schulferien drastisch zu erhöhen. Als liberal denkender Mensch bin ich zwar grundsätzlich gegen jeden Eingriff in den Markt. Da die Berliner und auch die Brüsseler Politik jedoch ohnehin alles und jedes regeln wollen, kommt es auf einen Eingriff mehr oder weniger auch nicht mehr an.
Eine solche Maßnahme würde allerdings großen Widerstand auslösen und eventuell Arbeitsplätze in der Tourismusbranche gefährden. Einfacher wäre es, Eltern mit schulpflichtigen Kindern eine jährliche Urlaubsprämie von, sagen wir, 1000 Euro zu gewähren. Dann müssen sie nicht mehr mogeln, um einen Billigflug zu erhaschen. Und dem Gleichheitsprinzip wäre auch etwas Genüge getan.
Umverteilung liegt im Trend
Denn Eltern werden gegenüber kinderlosen Paaren chronisch benachteiligt. Mit der Ankunft des Nachwuchses verabschieden sie sich nicht nur für eine ganze Weile von der Spaßgesellschaft - sie müssen auch mit Einkommensreduktion und Ausgabenanstieg zurechtkommen, von Schlafdefizit und Nervenverlust ganz zu schweigen. Durch die Erziehungszeit wird ihre Rente geschmälert, während ihre Kinder später auch die Renten der Kinderlosen finanzieren. Und zu allem Überfluss zahlen sie für ihre Urlaubsreisen während der Schulferien grundsätzlich einen Aufschlag von 50 bis 60 Prozent. Eine Urlaubsprämie für Familien mit Kindern wäre also eine kleine Geste der Politik, um die große Leistung der Eltern für die Gesellschaft anzuerkennen.
Eigentlich widerspricht auch dieser Vorschlag meinem liberalen Herz. Aber in Zeiten einer gigantischen staatlichen Umverteilung finden liberale Ideen ohnehin kaum noch Gehör. Und eine solche Prämie würde im Bundeshaushalt auch kaum ins Gewicht fallen.
Es liegt auch in den Händen der Lehrer
Statt sich um die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen und den polizeilichen Einsätzen an Flughäfen zu applaudieren, könnten sich die Lehrerverbände ganz einfach China zum Vorbild nehmen und am letzten Schultag vor den Ferien noch eine Abschlussprüfung einplanen. Dann würde sich das Schulschwänzen unmittelbar vor den Ferien ganz von alleine erledigen.
Apropos China: Die Eltern dort zerbrechen sich nicht den Kopf darüber, wohin sie zu welchem Preis in welchen Ferien fliegen, sondern in welche Weiterbildungskurse sie ihre Kinder in den Ferien schicken.
Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 25 Jahren in Deutschland.
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