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Winterkorn soll VW-Betrug gedeckt haben

25. September 2016

Die Vorwürfe gegen den Ex-VW-Chef reißen nicht ab. Nach Medienberichten soll der frühere Vorstand die Dieselmanipulationen geduldet haben. VW wiegelt ab: Konkrete Hinweise lägen nicht vor.

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Volkswagen Abgasskandal - Martin Winterkorn, Vorstandsvorsitzender
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch

Der wegen des Dieselskandals zurückgetretene frühere VW-Konzernchef Martin Winterkorn soll einem Bericht zufolge vor Bekanntwerden der Abgas-Affäre von den Manipulationen gewusst und diese zunächst gedeckt haben. Nach Informationen der "Bild am Sonntag" wurde der damalige Vorstandsvorsitzende bereits Ende Juli 2015 von Entwicklern über illegale Software in der Abgastechnik unterrichtet - knapp zwei Monate, bevor VW die Nutzung eines solchen Programms am 20. September auf Druck von US-Behörden hin einräumte.

Belastende Zeugenaussagen

Aus dem Konzern hieß es dazu auf Anfrage, man nehme zu Spekulationen um die juristische Aufarbeitung des Themas keine Stellung. Das sei ein laufender Prozess, sagte ein Sprecher in Wolfsburg gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Aus Kreisen des Volkswagen-Aufsichtsrats erfuhr dpa, dass es bei der jüngsten Sitzung in der vergangenen Woche keine konkreten Hinweise auf eine mögliche Mitschuld auf Vorstandsebene gegeben habe.

Die "Bild am Sonntag" beruft sich bei ihrer Darstellung auf ein ihr vorliegendes Papier mit dem Titel "Zulassung Diesel USA". Winterkorn soll demnach die Vorgehensweise bestätigt haben, zwei VW-Mitarbeiter das brisante Thema bei einem Gespräch in den USA lediglich "teilweise" offenbaren zu lassen. Belege für eine direkte Anweisung des Managers nennt die Zeitung nicht.

Dass Winterkorn von Manipulationen gewusst habe, ergebe sich aus Zeugenaussagen. Er selbst habe sich dem Blatt gegenüber nicht dazu geäußert. Die US-Großkanzlei Jones Day durchleuchtet derzeit das Unternehmen und befragt zahlreiche Mitarbeiter. Ihr gegenüber sagte Winterkorn laut der "Bild am Sonntag" aus, ihm sei zum Zeitpunkt der internen Information nicht bewusst gewesen, dass es sich um Betrug handelte - sonst hätte er eingegriffen. Erste Ergebnisse von Jones Day hätten ursprünglich im Frühjahr vorliegen sollen.

VW hatte bereits mehrfach betont, den Ausgang der Prüfungen zunächst abwarten zu müssen. Bei dem Treffen in den Vereinigten Staaten im August 2015 sei den Behörden nur berichtet worden, dass betroffene Autos "nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen", schreibt die Zeitung unter Verweis auf einen VW-Vermerk. Dagegen sei von betrügerischen Absichten keine Rede gewesen.

Krise und Wertverlust

Der Ende September vergangenen Jahres bekanntgewordene Diesel-Skandal mit Millionen manipulierten Wagen stürzte VW in eine Krise. In den USA, Deutschland und weiteren Ländern gibt es Zivilklagen und auch strafrechtliche Ermittlungen. Bei der letzten Aufsichtsratssitzung hatte Jones Day über den aktuellen Stand berichtet. Auch fast ein Jahr nach dem Beginn der Ermittlungen sei etwa keine E-Mail, Protokollnotiz oder sonstige Handhabe aufgetaucht, die die Firmenspitze handfest belasten würde, hieß es aus dem Umfeld des Kontrollgremiums. Das befriedige bei der Suche nach Verantwortung natürlich nicht, hieß es - aber es sei nun einmal der Stand der Dinge. Immer mehr dränge sich damit die Frage auf, warum das interne Kontrollsystem bei VW derart versagte und sich der Abgasbetrug über Jahre etablieren konnte.

Bosch und VW in Sorge vor US-Akten

Auch beim Zulieferer Bosch beschäftigt der Skandal die Führungsspitze. So wurden nach Informationen der "Bild am Sonntag" inzwischen erste Mitarbeiter, die die Betrugssoftware erstellten, entlassen. Die Rechtsabteilungen von Bosch und VW wollen unterdessen Zeit gewinnen und versuchen, die Zustellung brisanter US-Ermittlungsakten nach Europa zu stoppen. Der riesige Berg an Daten und Dokumenten dürfe nicht Klägern in europäischen Rechtsstreitigkeiten zugänglich gemacht werden, appellierten Anwälte des Autozulieferers sowie von VW - inklusive der Konzerntöchter Audi und Porsche - in Anträgen, die inzwischen beim zuständigen US-Gericht in San Francisco eingingen.

Makel an der Marke: Bosch unter Druck Foto: picture-alliance/dpa/S. Kahnert
Makel an der Marke: Bosch unter DruckBild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Die Unternehmen wollen damit verhindern, dass das bereits mehr als 20 Millionen Seiten umfassende Material, das von Ermittlern im US-Rechtsstreit zusammengetragen wurde, etwa auch für die am Landgericht Braunschweig gebündelten Anlegerklagen verwendet werden kann. "Eine Partei in einem deutschen Zivil-Rechtsstreit unterliegt keiner generellen Pflicht, alle relevanten Fakten und Beweismittel umfassend offenzulegen", erklärte dazu ein Audi-Vertreter.

Die Angst vor Schadensersatz in Europa

Klägeranwälte, die auch in Europa Schadenersatz erstreiten wollen, versuchen schon lange, an die Dokumente heranzukommen. VW lehnt dies unter anderem mit der Begründung ab, dass dieses Material speziell für Verfahren unter US-Recht gesammelt worden und die Relevanz für Ermittlungen im Ausland nicht ausreichend belegt sei. Zudem berufen sich die Anwälte der Unternehmen auf verschiedene Formfehler, die Anträge von Klägern verfahrensrechtlich unzulässig machten.

Die VW- und Bosch-Vertreter argumentieren etwa, dass der US-Sitz der Konzerne nicht im betreffenden Gerichtsbezirk in Nord-Kalifornien liege, wo das Anliegen vorgebracht wurde. Außerdem sei nicht überzeugend dargelegt worden, warum die in US-Verfahren gelieferten Informationen im Großen auch für denkbare Schadenersatz-Ansprüche von Kunden in Europa von Bedeutung sein sollten. "Aus diesen Gründen sollte das Gericht die Anträge ablehnen."

Milliardenvergleich

Bosch hatte Software an Volkswagen geliefert, die von dem Autobauer auch für dessen massenhaften Abgasbetrug genutzt wurde. In den USA werfen Behörden, Staatsanwälte und geschädigte Diesel-Besitzer dem Stuttgarter Unternehmen eine Schlüsselrolle in der Affäre vor. Es gebe keinen Zweifel daran, dass Bosch ein aktiver Mittäter sei und volle Kenntnis von Volkswagens Tricksereien gehabt hätte. Während VW frühzeitig ein Schuldgeständnis abgegeben und bereits einen bis zu 15,3 Milliarden Dollar teuren Vergleich mit US-Klägern ausgehandelt hat, steht eine Einigung bei Bosch bislang aus. Bosch selbst wollte sich nicht näher zu dem Schreiben an das Gericht äußern. Das Unternehmen hielt sich zuvor schon bedeckt. Grundsätzlich folge man bei der Produktentwicklung dem "Prinzip der Legalität" - ob dies in der Vergangenheit aber stets geschehen sei, wolle er nicht kommentieren, sagte Bosch-Cheflobbyist Peter Biesenbach Mitte September bei einer Anhörung im EU-Parlament. 

cgn/mak (dpa, faz)