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CDU will keine Ehe für alle

Wolfgang Dick24. Juli 2015

Für gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland soll es keine Ehe geben. Mitglieder des CDU-Landesverbandes Berlin votierten am Freitag nicht gegen die Haltung der Bundespartei, provozieren aber die anderen Parteien.

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Erste Homoehen in Neuseeland geschlossen
Bild: picture-alliance/AP

Eine Bürotür geht auf und am Fenster ist die Silhouette von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu erkennen. Sie tippt etwas auf ihrem Mobiltelefon. Im Hintergrund ist noch der letzte Satzfetzen einer Nachrichtensprecherin zu hören: "… mit einer deutlichen Mehrheit von rund 62 Prozent für die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren gestimmt. Für den katholisch geprägten Staat bedeutet das Votum eine Zeitenwende." In diesem Moment nähert sich der Kanzlerin von hinten eine hübsche, junge Frau im Nachthemd und kuschelt sich an den Rücken von Merkel, die die Umarmung zärtlich erwidert und sichtlich genießt.

Das ganze ist natürlich nur eine Vision, realisiert als Internet-Video von dem Berliner Lesben-Magazin "straight". Die Realität der vermeintlich mächtigsten Frau der Welt sieht anders aus. Sie lehnt die so genannte "Homo-Ehe" ab und will ihrerseits keinen Gesetzesentwurf dazu vorlegen. So haben gleichgeschlechtliche Paare immer noch viele rechtliche Nachteile gegenüber gesetzlich verheirateten heterosexuellen Paaren. Selbst in Lebenspartnerschaften von Schwulen und Lesben ist zum Beispiel eine einfache Adoption eines Kindes kaum oder nur sehr kompliziert möglich.

"Ich tue mich schwer mit der völligen Gleichstellung ", sagte Merkel bereits im September 2013 in einer Fernsehsendung vor ihrer Wiederwahl. Bei Minute 58 der Wahlarena 2013 in der ARD-Mediathek ist es zu sehen: Ein homosexueller Zuschauer, der mit seinem Partner versucht, ein Kind zu adoptieren, fragt in der TV-Fragerunde die Kanzlerin: "Was sind ihre Gründe zu glauben, dass Kinder bei gleichgeschlechtlichen Paaren nicht so gut aufwachsen?" Beifall im Publikum für diese Frage. Die Kanzlerin darauf: "Es geht um das Kindeswohl." Der Fragesteller aus dem Publikum: "Aber darum geht es uns als schwulem Paar doch auch!" "Das weiß ich doch, das weiß ich doch", erwidert die Kanzlerin, sichtlich in die Enge getrieben. Näher erläutern wird sie ihre Haltung nicht.

Dafür äußerte sich Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU): "Bis zum Beweis des Gegenteils bin ich davon überzeugt, dass es das Beste für Kinder ist, wenn sie bei Vater und Mutter aufwachsen". Die Ehe soll also nur als Bund zwischen Mann und Frau erlaubt sein. Das sahen am Freitag (24.07.2015) auch 52 Prozent von rund 12.000 befragten CDU Mitgliedern so. Eine parteiinterne Opposition gegen die CDU-Chefin Merkel zeichnet sich also nicht ab.

Zwei Männer in Großbritannien präsentieren stolz ihre Eheringe Photo: Oli Scarff/Getty Images
Die Homo-Ehe ist in Großbritannien schon selbstverständlichBild: Getty Images

Parteipositionen zur Homoehe

Noch bis 1993 stand Homosexualität in Deutschland unter Strafe. Damals nachzulesen im Paragraph 175. Erst als die damalige linksliberale Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) einschritt, wurde der seit 1872 bestehende, aus dem Reichsgesetzstrafbuch stammende Paragraph abgeschafft. Doch es dauerte nochmals sieben Jahre bis 2001 die "eingetragene Lebensgemeinschaft" gesetzlich in Deutschland als "Ersatz-Ehe" für homosexuelle Paare eingeführt wurde. Seltsamerweise gegen die Stimmen der vermeintlich fortschrittlichen FDP. Die hielt mehrheitlich noch zu ihren damaligen konservativen Regierungskoalitionspartnern CDU/CSU. Inzwischen ist die FDP nicht mehr im Bundestag vertreten.

In der heutigen Regierungskoalition der Merkel-Partei CDU mit den Sozialdemokraten (SPD) hätten viele Schwule und Lesben einen neuen Vorstoß und mehr Opposition gegenüber Merkel vom SPD-Bundesjustizminister Heiko Maas erwartet. Doch den Regierungsentwurf aus dem SPD-geführten Justizministerium begegnet der Hauptkritik an der "eingetragenen Lebensgemeinschaft" nicht wirklich, sagen die Grünen. Sie brachten bereits vor 25 Jahren die erste Gesetzesinitiative zur Ehe von gleichgeschlechtlichen Paaren ein. Bei den damals im Bundestag vorhandenen politischen Verhältnissen und der Regentschaft Helmut Kohls (CDU) ein Kampf gegen Windmühlen. Jetzt setzt sich für die vollständig gleichberechtigte Homo-Ehe bei den Grünen vor allem ihr Abgeordneter Volker Beck ein. Beck ist selbst homosexuell. In seinem Büro stapeln sich die Faktenbelege für die Missstände, die selbst mit den jüngsten höchstrichterlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht vollständig beseitigt werden konnten.

Volker Beck, Abgeordneter der Grünen Foto: Maurizio Gambarini/dpa
Volker Beck: "Schluss mit den Vorstellungen aus der Biedermeier-Zeit!"Bild: picture-alliance/dpa

Kein Ersatz für die Ehe

Das Problem momentan: Homosexuelle Paare können in Deutschland nur "eheähnlich" leben. In der so genannten "eingetragenen Lebenspartnerschaft". Die hat jedoch noch viele rechtliche Nachteile gegenüber der klassischen Ehe.

Das Adoptionsrecht ist komplizierter und verhindert viele Anträge. Künstliche Befruchtungen werden für lesbische Paare nicht von den Kassen bezahlt, wohl aber für heterosexuelle Ehepartner. Homosexuelle Zuwanderer können ihre Kinder nicht automatisch nachziehen lassen, sehr wohl aber verheiratete Paare unter den Migranten. Nur einige wenige Beispiele, warum das Rechtsinstitut "Ehe" für gleichgeschlechtliche Paare von vielen gewünscht wird. Sie verweisen dabei immer auf den Umstand, dass der Artikel 6 des deutschen Grundgesetzes die Ehe zwar schützt, aber nicht näher definiert, zwischen welchen Menschen sie erlaubt sein soll. Für die offizielle Anerkennung der Homo-Ehe müsste also nicht einmal die Verfassung geändert werden, geben Rechtsexperten zu.

So urteilte das Bundesverfassungsgericht vor wenigen Wochen, dass "eingetragenen Lebenspartnerschaften" dieselben Steuervorteile zu gewähren seien, wie sie traditionelle Ehen genießen. Notgedrungen fügte sich der Bundestag und stellte homosexuelle Paare im Steuerrecht Ehepartnern gleich. Dumm nur, dass sich die Anzeichen häufen, die Änderung seien an der Basis, in den Finanzämtern nicht angekommen. Die Software vieler Finanzämter streike beim Thema MANN und MANN oder FRAU und FRAU, heißt es aus dem Büro von Volker Beck.

Eine Frage der Zeit

In 24 der 47 Europaratsländer wird die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft rechtlich voll umfänglich anerkannt. Dies sollte überall der Fall sein, mahnte erst vor wenigen Tagen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Langjährige Partnerschaften zwischen homosexuellen Paaren fielen unter den Begriff "Familienleben" und seien über den Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt. Befürworter der Homo-Ehe werten die Feststellungen in Luxemburg als Signal für eine baldige Wende im politischen Denken zu dem Thema - auch in Deutschland.