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Katalanische Wirtschaft blüht trotz Separatismus

Stefanie Claudia Müller
10. Mai 2024

Am 12. Mai finden Regionalwahlen in Katalonien statt. Die Separatisten wollen weiter die Unabhängigkeit von Spanien, aber die Unternehmen ziehen nicht mehr mit. Von Stefanie Claudia Müller, Barcelona.

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BG Barcelona | Ausblick von Bunkers del Carmel
Katalanische Metropole BarcelonaBild: Noppasin Wongchum/Zoonar/picture alliance

"Madrid zahlt nicht." So lautet der Standard-Satz vieler Katalanen, wenn sie über versprochene, aber nie ausgeführte Investitionen der Zentralregierung in ihrer Region sprechen. Dieser Satz fällt mir sofort ein, als ich aus dem Hochgeschwindigkeitszug in Barcelona Sants aussteige. Hier um den Bahnhof herum ist alles etwas schmutziger und kaputter als in der geordneteren Hauptstadt Madrid.

Mir stellt sich aber auch die Frage, wo eigentlich das ganze Geld bleibt, das die wirtschaftlich pulsierende Region Katalonien selbst einnimmt. Nach Angaben der staatlichen Förderagentur Biocat sind in hier 79 Fabriken angesiedelt, die fast 16.000 Menschen beschäftigen, darunter die wichtigsten Pharmaunternehmen und Autozulieferer des Landes.

Bei den vorgezogenen Regionalwahlen am 12. Mai in Katalonien werden staatliche und regionale Investitionen eine wichtige Rolle spielen. Auslöser für das Vorziehen des Urnengangs um fast ein Jahr war, dass es der Regierung nicht gelungen war, ein Budget zu verabschieden.

Schon zuvor hatte es immer wieder Streit um den Haushalt geben. 2022 war die seit 2017 regierende Koalition zweier separatistischer Parteien zerbrochen. Die liberal-konservative Partei Junts per Catalunya ("Zusammen für Katalonien") hatte die Zusammenarbeit mit der linken Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) aufgekündigt und die Regierung verlassen.

Spanien | Verabschiedung Amnestiegesetz | Pedro Sanchez
Spaniens Premierminister Pedro Sanchez (v.l.) applaudiert zur Verabschiedung des umstrittenen Amnestiegesetzes für katalanische Separatisten im spanischen Parlament am 14.3.2024Bild: Manu Fernandez/AP Photo/picture alliance

In den aktuellen Wahlumfragen liegt derzeit der katalanische Ableger der Sozialisten in der Nationalregierung, die PSC, vorne. Sie stellen bereits den Bürgermeister von Barcelona und liegen auf Linie mit Spaniens Premierminister Pedro Sánchez. Der versucht seit seinem Amtsantritt 2018, die Katalanen davon zu überzeugen, dass die Zugehörigkeit zu Spanien die beste Option ist. 

Kataloniens Unternehmer wollen ihre Ruhe

Der spanische Unternehmensberater Juan Linares hält den gesamten Diskurs über eine Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien, wie er in den vergangenen Jahren geführt wurde, für Zeitverschwendung. Der 65jährige hat lange in Madrid gelebt, kommt aber eigentlich aus Barcelona. Er ist Halbamerikaner und liebt das kosmopolitische Flair der Stadt: "Nationalismus jeglicher Art wirkt in diesem internationalen und wirtschaftlich pulsierenden Kontext komplett weltentrückt."

Seit einiger Zeit lebt er wieder in Katalonien und merkt, dass "die Abhängigkeit von Spanien und dem dortigen Geld unbestreitbar ist. Aber Spanien braucht umgekehrt auch Katalonien."

Fast ein Drittel der spanischen Exporte kommt aus der Region, wo vor allem Lebensmittel, Autos, Medikamente und Maschinen produziert werden. "Über die Häfen in Tarragona und Barcelona wird Spaniens Markt versorgt", erklärt Jorge Díaz, Dozent an der Madrider Elite-Universität Icade.

Katalonien gilt zudem als wichtigster Arbeitgeber des Landes. Die Zahl der Einwohner ist deshalb in 20 Jahren von sechs auf acht Millionen gewachsen. Die Arbeitslosenrate liegt bei unter 9 Prozent ist damit geringer als das nationalen Niveau von etwas mehr als 11 Prozent.

"Mit der Universidad Pompeu Fabra und der Autonomen Universität in Barcelona hat Katalonien auch zwei der besten Hochschulen des Landes", sagt Díaz.

Das wachsende Interesse von jungen Talenten aus aller Welt am Arbeitsstandort Katalonien ist auch der Branchenmesse Mobile World Congress zu verdanken. Die findet seit 2006 jedes Jahr in Barcelona statt und versammelt Größen der Mobilfunk- und Techbranche.

"Dank jahrzehntelang gewachsener Ökosysteme ist Katalonien zudem immer noch das industrielle Herz Spaniens", sagt Díaz. Die VW-Tochter Seat hat ihr Werk in Barcelona gerade zu einem Zentrum für Elektromobilität und Innovationen ausgebaut.

Spanien | Barcelona Vertragsunterzeichnung Ebro-EV Motors und Chery Automobile
Vertreter von Ebro-EV Motors und Chery bei der Vertragsunterzeichnung für ein gemeinsames Autowerk am 19.4.2024 in BarcelonaBild: Joan Gosa/Xinhua/IMAGO

Auch Chery, Chinas drittgrößter Autobauer, will bald in Barcelona produzieren. In einem Joint-Venture mit dem spanischen Unternehmen EV Motors und dessen Marke Ebro sollen die ersten Wagen noch in diesem Jahr in der früheren Nissan-Fabrik vom Band laufen.

Barcelona als Hub für Life Science in Europa 

Die Financial Times hat Barcelona 2023 als erfolgreichste europäische Stadt beim Anwerben von ausländischen Direktinvestitionen gekürt. Allein im schnell wachsenden Life-Science-Sektor konnte sie ihren Umsatz zwischen 2017 und 2021 von 18 Milliarden auf fast 22 Milliarden Euro.

Einige Krankenhäuser in Barcelona gehören zu den besten Europas, darunter das Hospital Sant Joan de Deu, Hospital Clínic und das Vall D'Hebron. Hier finden inzwischen mehr klinische Testphasen von Medikamenten und Therapien statt als in Deutschland.

Das wiederum ist ein Grund für den Pharmakonzern AstraZeneca, in den kommenden fünf Jahren 800 Millionen Euro in ein Entwicklungszentrum in Barcelona zu investieren und damit 1000 neue Jobs zu schaffen.

Der Ciutadella Park wird gerade in einen "Knowledge Hub" umgebaut, der mit der Eröffnung 2025 auch ein Raum für die Wissenschaften werden soll. Die in Barcelona ansässige Caixabank finanziert ein Forschungsinstitut für Immunologie. Die private Stiftung der ehemaligen Sparkasse ist eine der größten der Welt und ein politisch unabhängiger Förderer der katalanischen Wirtschaft. 

Spanien | Barcelona Park La Ciutadella
Parc de La Ciutadella in der Altstadt von Barcelona. Hier liegt auch das Regionalparlament KataloniensBild: Robert Poorten/IMAGO

Die Partei Junts per Catalunya wurde 2020 vom ehemaligen katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont gegründet. Er kandidiert auch für die Wahl am 12. Mai für Junts, obwohl er seit 2017 im Exil in Belgien lebt.

Als Kandidat aus dem Exil will er aber nicht über wirtschaftliche Erfolge in seiner Region reden, sondern über ein Referendum. Weil Puigdemont im Oktober 2017 bereits eine illegale Abstimmung durchführte und danach die katalanische Republik ausrief, wurde in Spanien ein Haftbefehlt gegen ihn erlassen. Puigdemont floh nach Spanien, das ihn nicht an Spanien ausliefert.

In den vergangenen Jahren hat er als Abgeordneter des Europäischen Parlaments oft gegen Spanien gewettert, das er "Unterdrückerstaat" nennt. Spaniens Premier Sánchez hat ein Amnestiegesetz ermöglicht, das Puigdemont nun theoretisch Straffreiheit verspricht, sollte er wieder nach Spanien zurückkehren.

Für den katalanischen Wirtschaftsverband Cercle d'Economia ist das Amnestiegesetz ein notwendiges Übel. Die dort organisierten Unternehmen wollen sich wieder ganz auf ihre Geschäfte konzentrieren. Und die laufen gut: Die regionale Wirtschaft wuchs nach offiziellen Angaben 2023 um 2,4 Prozent, in diesem Jahr wird mit 1,8 Prozent gerechnet.

Der Traum von der Unabhängigkeit

Aber das Thema Unabhängigkeit bleibt trotz aller wirtschaftlichen Erfolge erst einmal auf der politischen Agenda. Sollten die Sozialisten von der PSC die Wahl, wie es die Umfragen nahelegen, gewinnen, werden sie auf die Unterstützung der ERC angewiesen sein. Deren erklärtes Ziel ist ein legales Referendum über die Frage eines eigenen katalanischen Staates.

Spanien | Barcelona Wahlurne Referendum Katalonien
Protestkundgebung am 1.10.2023 zum sechsten Jahrestag des Referendums. Ein Mann trägt eine Wahlurne, die damals bei der illegalen Abstimmung eingesetzt wurdeBild: Paco Freire/SOPA Images/IMAGO

Auch mir als ausländischer Beobachterin scheint diese Idee in einer Weltstadt wie Barcelona anachronistisch. Ich gehe vom Bahnhof Barcelona Sants rüber zum Plaça d'Osca, einem kleinen Platz, wo Dreck und Laub von vielen Monaten auf der Erde liegt. Sollten die Sozialisten und ihr Kandidat, der studierte Philosoph Salvador Illa, die Wahl tatsächlich gewinnen und eine Regierung bilden können, dann haben sie bei einem Teil der katalanischen Bevölkerung auf jeden Fall noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Hier, in diesem Viertel von Barcelona, wo vor allem die alternative Szene zuhause ist, wirkt nicht nur alles etwas schmuddeliger, in manchen kleinen Restaurants und Bars steht auch immer noch eine Wahlurne vom illegalen Referendum am 1. Oktober 2017 im Regal.

In solchen Lokalen wird ungern Spanisch gesprochen und beim Tischgespräch gerne argumentiert, dass die hohen Schulden der katalanischen Regierung und auch der Schmutz auf den Straßen und Plätzen ganz klar mit Madrid zu tun hätten: "Die zahlen einfach nicht."