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PolitikIsrael

Netanjahu gibt sich in Washington kompromisslos

25. Juli 2024

Die Angehörigen der noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln hatten beim Besuch von Israels Premier Netanjahu in den USA auf einen Deal mit der Hamas gehofft. Doch vergeblich, Netanjahu hält an seinem Kurs fest.

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Israels Premier Netanjahu bei seiner Rede im US-Kongress am 24. Juli
Israels Premier Netanjahu bei seiner Rede im US-Kongress am 24. JuliBild: Kent Nishimura/Getty Images

Kurz vor seinem Treffen mit US-Präsident Joe Biden und dessen Vize Kamala Harris enttäuscht Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu mit einer von Protesten begleiteten Rede vor dem US-Kongress die Hoffnungen auf eine baldige Waffenruhe im Gazastreifen.

"Politisches Theater"

Angehörige von acht amerikanisch-israelischen Geiseln kritisierten den Auftritt als "politisches Theater". Sie ergänzten: "Er hat es versäumt, neue Lösungen oder einen neuen Weg zu präsentieren." Vor allem habe er es versäumt, sich zu dem Geiselabkommen zu bekennen, obwohl Israels ranghohe Verteidigungs- und Geheimdienstbeamte ihn dazu aufgefordert hätten und obwohl dieser Deal jetzt auf dem Tisch liege.

Kritik an Netanjahus Rede kam auch von den US-Demokraten. Dies sei der "bei weitem schlechteste Auftritt eines ausländischen Würdenträgers" gewesen, der das Privileg gehabt habe, vor dem US-Kongress zu reden, schrieb die frühere Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, auf der Plattform X.

Die islamistische Palästinenserorganisation Hamas bezichtigte Netanjahu der Lüge. "Netanjahus Gerede über verstärkte Bemühungen um die Rückkehr der Geiseln ist eine glatte Lüge und führt die israelische, amerikanische und internationale Öffentlichkeit in die Irre", heißt es in einer Stellungnahme der Hamas.

Nasser Kanaani, der Sprecher des iranischen Außenministers, warf Netanjahu vor, täglich palästinensische Kinder zu töten. Dennoch werde Netanjahu vom US-Kongress mit Applaus empfangen, schrieb Kanaani auf der Plattform X. Netanjahu liege nach neun Monaten "Völkermord" in den Armen seiner Unterstützer.

Proteste rund um das Kapitol

Netanjahu hatte bei seiner Rede entgegen den Hoffnungen von Angehörigen der 120 noch im Gazastreifen verbliebenen Geiseln keine Vereinbarung über eine Waffenruhe im Gegenzug für die Freilassung der Geiseln angekündigt. Die Rede des israelischen Ministerpräsidenten war begleitet von lauten Protesten rund um das Parlamentsgebäude in Washington. Ein Teil der Menge sei gewalttätig geworden, teilte die Kapitol-Polizei mit. Es gab mehrere Festnahmen. Bei einer propalästinensischen Kundgebung wurde die US-Regierung aufgerufen, die militärische Hilfe für Israel einzustellen. Israel wurde ein "Genozid" im Gazastreifen vorgeworfen, an dem sich Biden, Harris und die Spitzen im US-Parlament beteiligten, hieß es.

USA Washington 2024 | Pro-palästinensische Demonstranten protestieren gegen Netanjahu
Pro-palästinensische Demonstranten in Washington vor dem Kapitol - es gab mehrere FestnahmenBild: Nathan Howard/REUTERS

Netanjahu äußerte sich in seiner Rede vor beiden Kammern des US-Kongresses verächtlich über die Proteste in Washington. Die Demonstranten stünden auf der Seite des Bösen, "sie stehen auf der Seite der Hamas, sie stehen auf der Seite von Vergewaltigern und Mördern", meinte er. Direkt an Demonstranten gerichtet sagte Israels Regierungschef mit Blick auf die Verbindungen zwischen der Hamas und dem Iran: "Ihr seid offiziell zu nützlichen Idioten des Iran geworden." Viele Demonstranten hätten nicht die geringste Ahnung, wovon sie sprächen.

Netanjahus Vision für die Zukunft des Gazastreifens

Netanjahu bekräftigte, der Krieg werde erst enden, wenn die Hamas besiegt sei. Seine Vision für den Tag danach sei "ein entmilitarisiertes, entradikalisiertes Gaza". Israel wolle den Gazastreifen nicht wieder besiedeln, müsse dort aber auf absehbare Zeit die Sicherheitskontrolle bewahren, sagte Netanjahu. Er sprach von einer zivilen Verwaltung durch "Palästinenser, die Israel nicht zerstören wollen". Für den Nahen Osten forderte Netanjahu ein Sicherheitsbündnis von Israel und den USA gegen den Iran.

Ungeachtet der scharfen Töne, die Netanjahu im amerikanischen Kongress anschlug, ist die US-Regierung weiter optimistisch, sie sieht die Verhandlungen in der "Schlussphase". Es gebe Fortschritte und man gehe davon aus, dass die Differenzen überwindbar seien. US-Präsident Biden sagte, er werde weiter daran arbeiten, den Krieg im Gazastreifen zu beenden, alle Geiseln nach Hause zu bringen und dem Nahen Osten Frieden und Sicherheit zu bringen.

Das Verhältnis Bidens zu Netanjahu ist wegen dessen Kriegsführung angespannt. Netanjahu wird von Kritikern vorgeworfen, den Krieg zu seinem eigenen politischen Vorteil in die Länge zu ziehen. Er regiert in einer Koalition mit ultra-religiösen und rechtsextremen Parteien, die Zugeständnisse an die Hamas ablehnen und mit der Auflösung der Regierung drohen.

Fünf weitere Geiseln sind tot

Israelische Soldaten bargen unterdessen im Gazastreifen die Leichen von fünf Geiseln. Darunter befindet sich die 56-jährige Einwohnerin eines Kibbuz am Rande des abgeriegelten Küstenstreifens, wie die Armee mitteilte. Sie sei bei dem Massaker der Hamas am 7. Oktober getötet und ihre Leiche verschleppt worden. Bei den übrigen handele es sich um Soldaten, die an dem Tag im Kampf gegen die Terroristen fielen und deren Leichen ebenfalls verschleppt wurden.

Auslöser des Israel-Hamas-Krieges war der beispiellose Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober. Kämpfer der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Palästinenserorganisation töteten dabei israelischen Angaben zufolge mehr als 1170 Menschen. Zudem verschleppten sie 252 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. Die Hamas wird außer von Israel auch von den USA, der EU, Deutschland und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuft.

Als Reaktion auf den beispiellosen Überfall geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei bislang mehr als 39.000 Menschen getötet.

haz/sti/wa (dpa, afp, rtr)
 

Kritik an Netanjahus Besuch in Washington