1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAsien

Irans Präsident Raisi ein Jahr im Amt

4. August 2022

Bei seiner Amtseinführung vor einem Jahr stand Ebrahim Raisi vor gewaltigen Herausforderungen. Ein Jahr später kann der iranische Präsident nur wenig vorweisen.

https://p.dw.com/p/4F86p
Ebrahim Raisi
Bild: Iranian Presidency/ZUMA/picture alliance

Vor einem Jahr wurde Ebrahim Raisi als Irans Präsident vereidigt. In seiner ersten Rede nach der Amtseinführung kündigte der konservative Kleriker an, seine Regierung werde sich um die Aufhebung der von den USA verhängten Sanktionen bemühen. Bereits in seinem Wahlkampf hatte der heute 61-Jährige wiederholt seine Bereitschaft erklärt, zum internationalen Atomabkommen von 2015 zurückzukehren. Die Verhandlungen zwischen dem Iran auf der einen Seite und den fünf Vetomächten des UN-Sicherheitsrates - Frankreich, Großbritannien, Russland, China und den USA - plus Deutschland auf der anderen Seite machten allerdings in den letzten zwölf Monaten kaum Fortschritt.

Der Iran beharrt kompromisslos auf seinen Positionen. Er verlangt, dass die USA zuerst alle Sanktionen gegen den Iran aufheben. Auch sollen die iranischen Revolutionsgarden (IRGC) von der US-Liste der Terrororganisationen gestrichen werden. Außerdem wünscht Teheran eine Garantie, dass eine eventuelle Rückkehr zum Atomabkommen nicht wieder von der nächsten US-Regierung widerrufen werden kann so wie 2018. Damals hatte der US-Präsident Donald Trump beschlossen, einseitig aus dem Atomabkommen auszusteigen. Gleichzeitig treibt Iran sein Atomprogramm voran und schränkt die Kontrollmöglichkeiten der internationalen Atombehörde IAEA in seinen Nuklearanlagen ein.

Den Preis für Irans kompromisslose Haltung zahlt die Bevölkerung im Iran. Die harten Sanktionen haben die Konjunktur stark belastet. 2021 lebten nach Angaben des Forschungszentrums des iranischen Parlaments 35 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Unter dem Sanktionsdruck kürzt die Regierung Raisi staatliche Subventionen wie zum Beispiel für Weizen und Mehl. Das hat Nahrungsmittel in den letzten Monaten massiv verteuert.

Iran | Steigende Lebensmittelpreise
Die Kaufkraft der normalen Bürger ist massive geschrumpft Bild: Atta Kenare/AFP/Getty Images

Die offizielle Inflationsrate ist von 39,3 Prozent im Mai auf 52,5 Prozent im Juni gestiegen. Die Folgen sind Massenproteste in den Großstädten.

Düsterere Lage der Menschenrechte

Die Unzufriedenheit wächst überall im Land. Aber "jede Kritik wird als Bedrohung verstanden und die Regierung reagiert mit aller Härte darauf", sagt Tara Sepehri-Far, Iran-Expertin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Die Lage der Menschenrechte hat sich im Iran deutlich verschlechtert. Das Land steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Regierung ist nicht in der Lage, eine vernünftige Lösung zu finden. Statt auf die Zivilgesellschaft zuzugehen und sie für die Bewältigung der Herausforderungen zu gewinnen und zu motivieren, gehen die Machthaber im Iran mit aller Härte gegen sie vor - eigentlich wie immer. Jede Person, die andere Menschen mobilisieren kann, wird als Gefahr gesehen und verhaftet."

Eine ganze Reihe von Aktivisten, Gewerkschaftern, Künstlern und Studenten wurde in den letzten Monaten verhaftet. Jede Art von Protest wurde brutal niedergeschlagen. Auch der Druck auf die Minderheiten wie die Religionsgruppe der Bahais ist weiter gestiegen.

Mehrere Mitglieder der Bahais wurden letzte Woche wegen angeblicher Spionage für Israel festgenommen. Und am 2. August kursierte in den sozialen Netzwerken ein Video, das zeigt, wie einem Dorf im Nordiran die Häuser von Bahai zerstört und ihr Grundstück und Ackerland beschlagnahmt werden. "Die Regierung will ausländischen Mächten die Schuld für ihre eigene Unfähigkeit und die Missstände im Land in die Schuhe schieben", sagt Sepehri-Far. "Mitglieder der Bahai gehören zu den besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen im Iran. Sie werden seit der Revolution 1979 systematisch unterdrückt."

Fruchtlose Kooperationen mit China und Russland

Um den Druck der US-Sanktionen abzumildern, setzt die Regierung Raisi verstärkt auf die Verbesserung der Beziehungen zu China und Russland. Mit China hatte der Iran bereits unter dem ehemaligen Präsident Ruhani ein Kooperationsabkommen über 25 Jahre unterzeichnet. Trotz diplomatischer Anstrengungen in den letzten Monaten kommen die fast 100 gemeinsamen Projekte mit China nicht voran. Dazu gehören Infrastrukturvorhaben wie der Aufbau eines 5G-Netzes oder auch die Einrichtung von Freihandelszonen. Chinesische Investoren befürchten Folgen durch die US-Sanktionen, wenn Sie im Iran Geschäfte machen.

Seit der Invasion Russlands in die Ukraine ist die Zusammenarbeit mit Moskau noch komplizier geworden. Zu den wichtigsten Abnehmern des iranischen Erdöls gehören Indien und China. Beide Länder importieren nun aber mehr Öl aus Russland. Immerhin: Im Juli hat Russlands Präsident Wladimir Putin den Iran besucht. Teheran und Moskau haben angekündigt, ihre Zusammenarbeit zu verstärken.

Der russische Staatskonzern Gazprom unterzeichnete im Juli mit dem Nationalen iranischen Ölunternehmen NIOC einen Kooperationsvertrag, um den Iran bei der Erschließung von zwei Gas- und sechs Ölfeldern zu unterstützen. Der Iran verfügt nach Russland über das zweitgrößte Gasvorkommen der Welt.

Aber diese Kooperation verdeckt nur notdürftig eine darunter liegende Tatsache: Iran und Russland sind Konkurrenten auf dem Energiemarkt. "Moskau möchte weder einen Energiekonkurrenten groß ziehen, noch die geopolitische Balance im Mittleren Osten zu Gunsten Teherans verändern", erläutert David Jalilvand, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Orient Matters, im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Annährung zu Saudi-Arabien

Die einzige positive Entwicklung: Der Iran und sein regionaler Rivale Saudi-Arabien sind sich in den letzten zwölf Monaten nähergekommen. Seit 2016 unterhalten Teheran und Riad keine offiziellen diplomatischen Beziehungen mehr. Erbost von der Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr Baker al-Nimr in Saudi-Arabien hatten damals in Teheran konservative Demonstranten die saudische Botschaft gestürmt und Teile des Gebäudes in Brand gesetzt. Es folgte der Abbruch der bilateralen Beziehungen.

Das soll sich nun ändern. "Es gab in der gesamten Region die Einsicht, dass es womöglich mit weniger geopolitischem Schaden verbunden sein wird, gemeinsam ins Gespräch zu gehen, als die konfliktbeladenen Spannungen der vergangenen Jahre fortbestehen zu lassen", schreibt der Iran-Experte Adnan Tabatabai auf Nachfrage der Deutschen Welle.

"Riad und Teheran haben ihre jeweiligen Sicherheits- und Militärapparate in Gespräche über eine Annäherung geführt und hierbei im Irak einen fähigen Gastgeber und Moderator gefunden." Tabatabai ist Geschäftsführer des Bonner Forschungszentrums Carpo und berät als Iran-Experte EU-Institutionen, Bundesministerien und politische Stiftungen. Er ist der Meinung, dass die regionale Eskalation in den letzten Jahren allen Staaten der Region ihre Verwundbarkeit vor Augen geführt habe.

"Dass die Reise von US-Präsident Biden nach Israel und Saudi-Arabien eben nicht zur Formierung einer "Arab Nato" oder einer Allianz gegen Iran geführt hat, zeigt, dass die Gespräche des vergangenen Jahres zwischen dem Iran und Saudi-Arabien sowie zwischen dem Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten bereits gefruchtet haben. Die VAE werden bald wieder einen Botschafter nach Teheran entsenden. Riad und Teheran bereiten derzeit ein Treffen ihrer Außenminister vor. Insgesamt zeigt der Trend in die richtige Richtung", urteilt Tabatabai.