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PolitikAsien

Iran: Corona-Welle und stockende Impfkampagne

2. August 2022

Der Iran ist für die aktuelle neue Corona-Welle schlecht gerüstet: Die nationale Impfkampagne steckt fest. Nationale Produzenten fühlen sich düpiert.

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Eine Krankenschwester in Schutzkleidung in einem Patientenzimmer
Behandlung von Corona-Patienten in einem Krankenhaus im Süden IransBild: Rouzbeh Fouladi/ZUMA/picture alliance

Seit Mitte April steigt im Iran die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus wieder kontinuierlich an. Laut Statistiken der Webseite Worldometer sind momentan knapp 200.000 akute COVID-19 Fälle im Iran registriert. Um eine neue Welle zu verhindern, hatte das Gesundheitsministerium Ende April für alle Altersgruppen eine vierte Corona-Impfung angeordnet. Derzeit ist rund ein Drittel der Bevölkerung dreimal geimpft: 28 der knapp 84 Millionen Einwohner des Landes. Über 64 Millionen wurden einmal und knapp über 58 Millionen zweimal geimpft. "Die nationale Impfkampagne sei allerdings ins Stocken geraten", berichtet der Arzt Hadi Yazdani im Gespräch mit der DW aus dem Iran.

Nach einer Spitze der Welle im August 2021 mit über 700 Todesopfern und über 50.000 Neuinfektionen am Tag entspannte sich die Lage für ein paar Monate, auch dank einer Verstärkung der Impfkampagne. "Die Regierung ist jetzt mit anderen Herausforderungen beschäftigt und scheint die Pandemie nicht mehr ernst zu nehmen", beobachtet Yazdani.

Verfallsdatum überklebt

Hinzu kommt Verunsicherung bei der Bevölkerung. Die Impfstoffe aus einheimischer Produktion, die in sechs Instituten des Landes hergestellt werden, haben keinen Zulassungsstempel von der WHO. Die Impfwilligen wollen sich vorzugsweise mit Dosen von AstraZeneca impfen lassen. Mitte Juni berichtet die Teheraner Tageszeitung "Etemad", dass in den Großstädten Teheran und Maschhad abgelaufene AstraZeneca Impfdosen verabreicht und die Etiketten mit dem Ablaufdatum 1. Juli mit einem neuen Etikett überklebt wurden.

Zahlreiche Iraner berichteten in sozialen Netzwerken über ähnliche Erfahrungen und warnten vor dem Besuch der Impfzentren. Neue Dosen seien laut dem Arzt Hadi Yazdani seit dem Jahreswechsel nicht mehr importiert worden.

Auch die einst von der Führung geförderten einheimischen Produzenten drohen auf Impfdosen jenseits des Verfallsdatums sitzenzubleiben. Laut WHO-Statistiken stammte bis Ende Mai nur jede zehnte verabreichte Impfdosis aus iranischer Produktion, insgesamt knapp 13 Millionen Stück. Kosten für die Regierung: 280 Millionen Euro, also 21 Euro je Dosis. Zum Vergleich: Im Februar 2021 erhielt der Iran über die Covax-Initiative der Vereinten Nationen 4,2 Millionen Dosen des Impfstoffs von AstraZeneca für 2,50 Euro pro Dosis.

Eine Frau sitzt inmitten leerer Stühle
Impfzentrum in Teherans zentraler Markthalle Bild: Morteza Nikoubazl/NurPhoto/picture alliance

Die Regierung schulde den einheimischen Produzenten momentan umgerechnet 180 Millionen Euro, berichtet der Nachrichtenportal Khabar-Online Anfang Juni. Zunächst war die einheimische Impfstoffproduktion massiv gefördert worden. So soll alleine das Barekat-Institut eine Milliarde US-Dollar von der ehemaligen Regierung Rohani erhalten haben, um 120 Millionen Dosen des Impfstoffs Coviran Barekat zu liefern, davon 50 Millionen bis Ende Sommer 2021. Bis Ende Mai 2022 wurden aber lediglich 12,6 Millionen Dosen Coviran Barekat an iranische Impfzentren geliefert.

Laut WHO-Statistiken für den Iran steht der chinesische Sinopharm-Impfstoff mit mehr als 130 Millionen Dosen an der ersten Stelle, danach kommt das britisch-schwedische Produkt von AstraZeneca mit 22,5 Millionen Dosen.

Der Vorsitzende der parlamentarischen Gesundheitskommission Hosseinali Schahriari bestätigt im Gespräch mit Khabar-Online, dass einige Produzenten ihre Produktion eingestellt hätten und ihre Impfdosen bald ablaufen würden. "Sie wurden von der Regierung nicht fair behandelt", sagt Schahriari.

Chameneis willkürlicher Erlass

Die Produktion der einheimischen Impfstoffe war vom religiösen Führer Ali Chamenei befohlen worden. "Amerikanische und englische Impfstoffe dürfen für den Iran weder gekauft noch hier verwendet werden", hatte Chamenei Anfang 2021 verfügt. Der 82-jährige Ayatollah sah das Corona-Virus als biologische Waffe der USA, das für den Einsatz im Iran genetisch verändert worden wäre.

Sein Beharren auf einheimischen Impfstoffen wurde von den Hardlinern um den jetzigen Präsident Ebrahim Raisi unterstützt. So wandte sich der Mediziner Bahram Eynollahi gegen den Import von Impfstoffen aus Westen, er ist seit August 2021 Gesundheitsminister.