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PolitikIndien

Indien fürchtet Versöhnung zwischen Pakistan und Bangladesch

Murali Krishnan
5. Januar 2025

Dhaka und Islamabad bauen ihre maritimen und militärischen Beziehungen aus. Indien sieht dadurch seine strategischen Interessen und die regionale Stabilität gefährdet.

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Pakistans Premier Shebaz Sharif (l) und der bangladeschische Übergangspremier Muhammad Yunuz sitzen miteinander sprechend nebeneinander, zwischen ihnen ein Tischchen mit beiden Staatsflaggen als Wimpel (Dezember 2024)
Im Gespräch: der pakistanische Premier Shebaz Sharif (links) und der bangladeschische Übergangspremier Muhammad Yunuz in Kairo, Dezember 2024Bild: Pakistan's Press Information Department (PID)/AFP via Getty Images

Es war ein erfolgreiches Treffen zwischen dem bangladeschischen Interimspremier Muhammad Yunus und seinem pakistanischen Amtskollegen Shehbaz Sharif. Als die beiden sich vor einigen Tagen am Rande einer Konferenz in Kairo trafen, beschlossen sie, die Zusammenarbeit ihrer Länder in zahlreichen Bereichen zu vertiefen.

Die beiden Länder verbindet und trennt eine komplexe Geschichte: Mit dem Ende von Britisch-Indien im Jahr 1947 waren das heutige Pakistan und Bangladesch als mehrheitlich muslimische Regionen auf dem Subkontinent zunächst unter dem Namen Pakistan in einem Staat vereint. Im Unabhängigkeitskrieg von 1971 spaltete sich Bangladesch dann von - wie es damals genannt wurde - Westpakistan ab. Seitdem sind die Beziehungen der beiden Staaten angespannt.

BG 50 Jahre Unabhängigkeit Bangladesch - zwei Uniformierte mit Tarnhelmen
Bangladeschs Unabhängigkeitskrieg von 1971Bild: AP/picture alliance

Geradezu historisch dürfte daher der Entschluss sein, nun eine direkte Seeverbindung zwischen den beiden Ländern zu etablieren. Zudem hob der seit dem Sturz der ehemaligen Regierungschefin Sheikh Hasina im August vergangenen Jahres amtierende Yunus frühere Beschränkungen auf - so etwa die Vorschrift, dass sämtliche Importe aus Pakistan streng zu inspizieren sind.

Zugleich wird Pakistan Medienberichten zufolge im Februar 2025 mit der Ausbildung der bangladeschischen Armee beginnen - ein Schritt, der die militärischen Beziehungen zwischen den beiden Nationen stärken soll. Zudem werden beide Länder die gemeinsame Marineübung "Aman 2025" in den Gewässern vor der pakistanischen Küstenmetropole Karatschi durchführen.

Die neuen Beziehungen zwischen Pakistan und Bangladesch werden in der Region aber mit Sorge betrachtet. So beobachtet Indien die Entwicklung aufmerksam. Aus Sicht Delhis haben sie das Potenzial, die Machtdynamik in Südasien neu zu gestalten.

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Strategische Auswirkungen für Indien

So registriert man in Delhi, dass sich die Beziehungen Bangladeschs zu Indien seit dem Sturz Hasinas verschlechtert haben. Hasina wurde von Indien unterstützt und lebt dort nun im Exil.

"Offen ist, ob der Ausbau der Beziehungen zwischen Bangladesch und Pakistan lediglich eine Reaktion auf den taktischen Druck Indiens ist oder ob sie Teil eines größeren Plans zur Destabilisierung Indiens darstellen", sagt Shanthie Mariet D'Souza vom Mantraya Institute of Strategic Studies im DW-Interview. "Sollte Letzteres der Fall sein, stellt sich die Frage, ob sich das derzeitige Regime in Dhaka eine solche Politik leisten kann. Die Antwort lautet: nein."

Blick auf den Hafen Chittagong in Bangladesch mit zahlreichen Containern unter und vor Kränen
Offen für Güter aus Pakistan: der Hafen Chittagong in BangladeschBild: Mohammed Shajahan/AFP/Getty Images

Unruhige Grenzregionen

Es bestehe aber kein Zweifel, "dass sich die Beziehungen zwischen Bangladesch und Pakistan insgesamt verbessert haben. Diese Veränderung hat Auswirkungen auf die Sicherheit der nordöstlichen Bundesstaaten Indiens", so D'Souza

So ist man in Delhi seit langem besorgt über Menschenhandel, Infiltration und militante Aufstände entlang der Grenze zu Bangladesch. Dies gilt umso mehr, als die entsprechenden Bundesstaaten an der Grenze - Westbengalen, Assam, Meghalaya, Tripura und Mizoram - ohnehin anfällig für gewalttätige Ausbrüche sind. 

Anders als die anderen indischen Territorien liegen die oben genannten Bundesstaaten - mit Ausnahme des Großteils von Westbengalen - nördlich und östlich von Bangladesch. Verbunden sind sie mit dem Mutterland durch den auch als "Chicken Neck" bekannten Siliguri-Korridor. Dieser geopolitisch sensible Landstreifen ist an seiner schmalsten Stelle lediglich 20 bis 22 Kilometer breit.

Indien fürchtet auch, China könnte unter dem Deckmantel der Entwicklungsarbeit mit Bangladesch versuchen, seinen Einfluss in der Nähe des Korridors auszubauen.

Indien | Mehrfach gesicherte zweireihige Zaunanlage mit Stacheldraht krümmt sich auf einem langen Wall vor einer Wiese
Grenze zwischen Bangladesch und dem indischen Bundesstaat Assam beim Dorf Govindapur. Die Häuser liegen auf indischem Territorium, mehr als die Hälfte des Dorfgebierts in Bangladesch.Bild: Goutam Hore/DW

Inzwischen hat Indien mit Hilfe moderner Technologien die Sicherheitsvorkehrungen an seiner Grenze zu Bangladesch verstärkt. Grenzschutztruppen sollen zudem mögliche Schwachstellen identifizieren und Infiltration und Schmuggel entlang von Grenzabschnitten eindämmen, die nicht durch einen Zaun gesichert sind.

"Indien hat die Sorge, dass Waffen und Sprengstoffe, die narch Bangladesch kommen, in die Hände jener islamischen Terroristen gelangen könnten, die von der Übergangsregierung freigelassen wurden", sagt Pinak Ranjan Chakravarty, ein ehemaliger Hochkommissar in Bangladesch, gegenüber der DW. Sollten diese Waffen dann an aufständische Gruppen in Indien weitergeleitet werden, könnte dies zu erheblichen Sicherheitsproblemen führen, so Chakravarty. 

Pakistans wachsender Einfluss in Bangladesch

Unklar sei derzeit, ob Yunus' Politik bei der bangladeschischen Bürokratie Anklang finden werde, sagt D'Souza. Diese sehe in der Übergangsregierung vor allem eine vorübergehende Lösung.

Dennoch sei Indien gefordert: "Neu-Delhi muss genau hinschauen, um Strategien zu entwickeln, die den sich rasch ändernden internen und externen Dynamiken in der Region entsprechen."

Bislang gehe es Delhi bei den Beziehungen zu seinen Nachbarn - insbesondere zu Bangladesch - vor allem darum, deren Wohlstand zu fördern. Im Gegenzug erwartet es, dass seine Sicherheitsinteressen respektiert werden, sagt der ehemalige indische Hochkommissar in Pakistan, Ajay Bisaria, der DW.

"Dieses Verständnis wird vom neuen Regime in Dhaka in Frage gestellt", sagt Bisara. Pakistans Bemühungen, die Sicherheitsbeziehungen zu Bangladesch wiederherzustellen und dem indischen Einfluss entgegenzuwirken, könnten das regionale Sicherheitsgleichgewicht destabilisieren. "Womöglich muss Indien Pakistans wachsenden Einfluss in der östlichen Peripherie durch proaktive militärische Haltungen und Sicherheitsmaßnahmen eindämmen."

Zusammenarbeit unumgänglich

Anders sieht es Sreeradha Datta, Bangladesch-Expertin an der Jindal School of International Affairs. Die Beziehungen zwischen Indien und Bangladesch durchliefen derzeit zwar eine schwierige Phase. Doch würde sich diese wieder entschärfen, sobald in Bangladesch eine gewählte Regierung eingesetzt sei.

"Zwar zeigen sowohl Bangladesch als auch Pakistan Anzeichen gegenseitigen Entgegenkommens, doch für Bangladesch kommt es letztlich vor allem auf Indien an", so Datta. "Beide Seiten müssen die derzeitige Rhetorik hinter sich lassen und zu pragmatischen Schritten finden. Dann dürften auch die Sicherheitsbedenken Indiens wieder stärker berücksichtigt werden. Das wird allerdings nur geschehen, wenn die beiden Nachbarn sich zur Zusammenarbeit entscheiden und keine unnötigen Probleme produzieren", so Datta.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.