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Tsipras: Ein Leben in Würde in Europa

4. Juli 2015

Vor jubelnden Anhängern warb Premier Tsipras erneut für ein Nein zu den Forderungen der Gläubiger. Zeitgleich demonstrierten in Athen die Befürworter der Sparpläne. Der Ausgang des Referendums ist völlig offen.

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Proteste in Athen, Regierungschef Alexis Tsipras spricht (foto: reuters)
Bild: Reuters/J. Pelissier

Kurz vor dem geplanten Referendum über die Sparvorgaben der internationalen Gläubiger geht ein Riss durch die griechische Bevölkerung. Sowohl die Gegner, als auch die Befürworter der geforderten Ausgabenkürzungen gingen in Athen auf die Straße. Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras warb mit eindringlichen Worten für ein "Nein" bei der Volksabstimmung. "Wir entscheiden am Sonntag nicht nur darüber, in Europa zu bleiben", rief er vor rund 25.000 Anhängern. "Wir entscheiden über ein Leben in Europa in Würde." Der Premier forderte die Menge auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament dazu auf, "nein zu Ultimaten zu sagen und denjenigen den Rücken zuzuwenden, die euch terrorisieren".

Die Befürworter des Sparprogrammes kamen am Abend ebenfalls in der griechischen Hauptstadt zusammen. Etwa 20.000 bis 22.000 Regierungsgegner sprachen sich dafür aus, auf die Forderungen der internationalen Geldgeber einzugehen, um die drohende Staatspleite zu verhindern. In der Innenstadt kam es kurzzeitig zu einem Scharmützel zwischen mehreren Dutzend schwarz gekleideter Demonstranten und der Polizei. Die Beamten feuerten Blendgranaten ab. Die Lage beruhigte sich jedoch rasch wieder. Auch in Berlin und anderen deutschen Städten sowie in Brüssel gingen Gegner der Sparvorgaben auf die Straßen.

Klagen gegen Referendum abgelehnt

Zuvor hatte das Oberste Verwaltungsgericht des Landes den Weg für das Referendum freigemacht. Klagen von Bürgern dagegen wies das Gericht aus formalen Gründen ab. Bei der Abstimmung sollen die Griechen entscheiden, ob sie die Forderungen der Gläubiger akzeptieren oder diese ablehnen. Das Hilfspaket, zu dem diese Bedingungen gehören, ist allerdings schon am 30. Juni ausgelaufen und damit überholt. Dennoch gilt das Votum der Griechen nach ergebnislosen Verhandlungen als wichtiges Signal für die zukünftige Kooperation des hoch verschuldeten Landes mit seinen Gläubigern.

Derweil zeichnet sich eine äußerst knappe Entscheidung ab. 41,7 Prozent der Befragten zeigen sich demnach mit den Forderungen der Gläubiger einverstanden, 41,1 Prozent kündigten ein "Nein" an. Das ergab eine Umfrage, die am Freitagabend im griechischen Nachrichtenportal "To Proto Thema" veröffentlicht wurde.

Leben aus dem Müll: Not und Elend ist für viele Griechen zum Alltag geworden (foto: AP)
Leben aus dem Müll: Not und Elend ist für viele Griechen zum Alltag gewordenBild: picture-alliance/dpa/N. Giakoumidis

Tsipras will Rückendeckung für seinen Kurs

Tsipras erhofft sich, mit einem Erfolg bei dem Referendum aus einer Position der Stärke heraus erneut mit den Geldgebern verhandeln zu können. Er hatte sich vehement gegen die Forderungen von Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission gewehrt. Vor knapp einer Woche hatte er überraschend die Volksabstimmung angekündigt. Weil das Datum dafür nach dem Auslaufen des bisherigen Hilfsprogramms am vergangenen Dienstag liegt, waren die Verhandlungen gescheitert.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnte die Griechen eindringlich davor, gegen die von den Geldgebern geforderten Reformen zu stimmen. "Wenn die Griechen mit Nein stimmen, wird die griechische Verhandlungsposition dramatisch schwach sein", sagte Juncker. Euro-Finanzexperten erwarten, dass eine mehrheitliche Ablehnung den Verbleib Griechenlands im Euroraum gefährden dürfte. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kündigte an, günstigstenfalls würden Verhandlungen über neue Griechenland-Hilfen nach Auslaufen des letzten Programms "auf völlig neuer Grundlage und unter erschwerten wirtschaftlichen Voraussetzungen" stattfinden. "Das wird schon eine Weile dauern", stellte der CDU-Politiker in der "Bild"-Zeitung klar.

ago/sc (afp, dpa, rtr)