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Zwischen den Stühlen

Manasi Gopalakrishnan/ cb4. Juli 2015

Griechen, die in Deutschland leben, haben es zurzeit nicht leicht. Sie wollen ihr eigenes Volk nicht schlechtmachen, stehen aber größtenteils auf Seiten der EU und Deutschlands. Manasi Gopalakrishnan aus Bonn.

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Serviette aus einem griechischen Restaurant mit deutsch-griechischer Vokabelliste. (Foto: Manasi Gopalakrishnan, DW)
Bild: DW/M. Gopalakrishnan

"Man kann über diese Krise denken was man will!", ruft Theo (Name geändert), während er die Journalisten aus seinem winzigen griechischen Restaurant in Bonn schiebt. Er weigert sich, auch nur ein Wort über Athen zu verlieren und hält sich Augen und Ohren zu, wann immer er das Wort "Tsipras" hört.

Athen ist mit einer Schuldenrückzahlung von 1,5 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfond in Verzug und nähert sich mit schnellen Schritten dem Bankrott. Die Kompromissbereitschaft der Eurozone ist bereits rapide gesunken und ein Referendum diesen Sonntag soll zeigen, ob die Griechen Premierminister Alexis Tsipras' Vorschläge unterstützen, oder ob sie mehrheitlich auf Seiten der Europäischen Union stehen.

Vor diesem instabilen Hintergrund kann es schwierig sein herauszufinden, was Griechen in Deutschlands ehemaliger Regierungsstadt über die Probleme ihres Heimatlandes denken. Als Journalist muss man sich wie ein Paparazzo einschleichen und geschickt über das Wetter plaudern oder mehrere Getränke bestellen, bevor ein netter Kellner sich erbarmt und über das heikle Thema spricht.

Grexit Energy Drink Fläschchen. (Foto: Ina Fassbender/dpa)
Grexit Energy Drink: würde der Ausstieg aus dem Euro Griechenland wirklich wieder fit machen?Bild: picture-alliance/dpa/I. Fassbender

"Sie können der ganzen Welt sagen, dass mein Personal und ich die Europäische Union und die Vorschläge der Europäischen Zentralbank unterstützen", sagt Alex, der Besitzer eines beliebten Restaurants am Rhein in Bonn. Er hofft, dass die Menschen beim Referendum am Sonntag für den EU-Vorschlag stimmen und dass Premierminister Tsipras zurücktreten muss.

Nichts läuft ohne 'Vitamin B'

Nikos, der Gyros in einem Bonner Vorort verkauft, ist zwar griechischer Abstammung, aber der 26-Jährige sieht sich selbst eher als Deutschen denn als Griechen. "Griechen sind faul", beschwert er sich, und fügt hinzu, dass man Dinge nur erledigen kann, wenn man die richtigen Leute kennt. "Vitamin B ist das einzige, was funktioniert", sagt Nikos. Vitamin B - das steht für Beziehungen.

Aber Nikos kennt auch die Probleme, die seine Großfamilie in Thessaloniki plagen. Er hat gespart, um etwas zu seinen Cousins zu schicken, von denen viele nicht genug Geld haben, um Essen zu kaufen.

"Viele Kinder kommen zur Schule ohne vorher zuhause etwas gegessen zu haben", sagt Sokratis Ntallis, Erzpriester an der griechisch-orthodoxen Kirche in Bonn. "Die Kirche bietet diesen Menschen Essen und Kleidung an."

Die orthodoxe Kirche in Deutschland arbeitet mit ihrem griechischen Pendant in Griechenland zusammen, um Menschen in Not zu helfen. Unter denen, die Hilfe brauchen, sind auch junge Menschen in Griechenland, von denen viele Selbstmord als einzigen Ausweg aus dem finanziellen Chaos sehen, so Ntallis. Laut einer Studie des British Medical Journal gab es 2012 in Griechenland so viele Selbstmorde wie seit 30 Jahren nicht mehr.

Sokratis Ntallis. (Foto: Manasi Gopalakrishnan, DW)
Ntallis: Die Krise macht gerade den jungen Menschen in Griechenland schwer zu schaffenBild: DW/M. Gopalakrishnan

Offen Stellung beziehen ist schwierig

Verglichen mit dem Leben in Griechenland hat Elena Aliki Papyrou es verhältnismäßig leicht in Deutschland. Die Übersetzerin aus Athen lebt mittlerweile seit fast zehn Jahren in Bonn. Der Blick in die Zeitung ist seit einiger Zeit deprimierend für sie. "Viele meiner Freunde haben auf der Suche nach Arbeit und einer besseren Zukunft das Land verlassen", sagt Papyrou. "Sie sind nicht nur finanziell betroffen. Auch ihre Lebensqualität leidet unter der Krise. Sie arbeiten für viel weniger Geld."

Ihrer Meinung nach sind die Griechen größtenteils selbst für die Krise verantwortlich, in der sie heute stecken. "Seit 50 Jahren wütet dort die Korruption, und sie wurde einfach von einer Regierung an die nächste weitergereicht", sagt Papyrou und fügt hinzu, dass die Griechen gar nicht darüber nachgedacht haben, wen sie da gewählt haben. "Die Menschen in meinem Land werden ihren Verstand benutzen müssen", hofft sie.

Viele Griechen in Bonn wollen ihre Meinung zurzeit lieber nicht offen sagen. Einige von ihnen glauben, dass ihre Meinung nicht repräsentativ ist für alle Griechen in der Stadt. Und für viele, wie zum Beispiel Alex, könnte die offene Meinungsäußerung sogar schlecht fürs Geschäft sein.

"Das letzte Mal als der Markt zusammenbrach, 2008, haben wir mit vielen verschiedenen Journalisten gesprochen", sagt der Restaurantbesitzer. "Nach einer Woche hatten wir 10 Prozent unserer Kundschaft verloren." Im Restaurantbusiness gibt es zwar immer ein Auf und Ab, aber seit Beginn des Jahres sind einige Kunden weggeblieben, fügt er hinzu.

Am Sonntag werden die Menschen in Griechenland entscheiden müssen, was das Beste für sie ist. Für die Expats in Bonn ist der sogenannte "Grexit", also der Ausstieg aus der EU, undenkbar. Alex fasst seine Emotionen in einem Satz zusammen: "Europa ist ein griechisches Wort." Ohne Griechenland könne Europa nicht existieren.