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UN-Gespräche mit den Taliban: Afghaninnen nicht eingeladen

Waslat Hasrat-Nazimi | Hussain Sirat
28. Juni 2024

Menschenrechtsgruppen kritisieren den Ausschluss afghanischer Frauen bei einem von den Vereinten Nationen ausgerichteten internationalen Treffen mit den Taliban in Doha.

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Taliban gehen mit Schlagstöcken gegen einige protestierende Frauenrechtlerinnen zu, die die Szene mit ihren Handys filmen. Im Bildhintergrund sind westliche Journalisten zu sehen
Taliban gehen gegen eine Kundgebung von Frauenrechtlerinnen vor. Kabul, 2022Bild: Wakil Kohsar/AFP

Vertreter aus rund 25 Ländern treffen sich dieses Wochenende in Doha. In der Hauptstadt von Katar nehmen sie an einer von den Vereinten Nationen geleiteten Konferenz mit den afghanischen Taliban teil.

Es ist das dritte Treffen dieser Art, das sich mit den Taliban befasst. Es aber das erste, an dem die islamisch-fundamentalistische Gruppe selbst teilnimmt. Knapp drei Jahre ist es her, dass sie im August 2021 die Macht in dem vom Krieg zerrüttete Land übernahmen als sich die US-geführten Truppen, nach 20 Jahren militärischen Engagements aus Afghanistan zurückzogen.

"Dies ist kein Treffen, das zu einer Anerkennung der Taliban führen soll", erklärte UN-Untergeneralsekretärin Rosemary DiCarlo, die Leiterin des Treffens, im Vorfeld. "Hier geht es nicht um die Taliban. Es geht um Afghanistan und die Menschen."

Auf der Tagesordnung der Gespräche stünden unter anderem das Engagement für einen nachhaltigen Frieden, die Einhaltung des Völkerrechts und der Menschenrechte sowie die Drogenbekämpfung, so die UN-Beamtin.

Die Taliban ihrerseits erklärten, sie wollten über Themen wie Beschränkungen des afghanischen Finanz- und Bankensystems, die Entwicklung des Privatsektors und die Bekämpfung des Drogenhandels diskutieren.

Kritik von Menschenrechtsgruppen

Menschenrechtsgruppen kritisierten allerdings, dass afghanische Frauen in Doha nicht mit den Taliban an einem Tisch sitzen. Das dritte Doha-Treffen ohne die Teilnahme afghanischer Frauen würde "ergebnislos" verlaufen, sagte Shabnam Salehi, ehemalige Kommissarin der Unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans. Das Vorgehen der UN gegenüber den Taliban sei "fehlgeleitet", erklärte sie.

Auch Faizullah Jalal, Professor an der Universität Kabul, kritisierte, dass Frauen von dem Treffen ausgeschlossen bleiben. "Diskussionen über Menschen- und Frauenrechte auszulassen, untergräbt die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen", erklärte er.

Tirana Hassan, Geschäftsführerin von Human Rights Watch, ist der gleichen Ansicht. Der Ausschluss von Frauen berge das Risiko, das Fehlverhalten der Taliban zu legitimieren und die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen als Verfechterin der Rechte der Frauen und einer sinnvollen Beteiligung irreparabel zu beschädigen, erklärte sie. 

Zwei von Kopf bis Fuß verschleierte Frauen und ein Kind stehen in einem Bekleidungsgeschäft und sind von hinten zu sehen. Neben ihnen ein ebenfalls verschleiertes Kind
Seit der Machtübernahme der Taliban verschlechtert sich die Situation der Frauen und Mädchen zusehendsBild: Ali Kaifee/DW

Rosemary DiCarlo allerdings sieht in dem am Sonntag beginnenden Treffen mit den Taliban einen ersten Impuls, der darauf ausgerichtet sei, einen Schritt-für-Schritt-Prozess einzuleiten. Ziel sei es, dass die Taliban "untereinander und ihren Nachbarn in Frieden leben und sich an das Völkerrecht, die UN-Charta und die Menschenrechte halten", betonte sie.

"Ich möchte betonen, dass dies ein Prozess ist. Wir werden viel kritisiert: Warum sitzen die Frauen nicht mit am Tisch? Warum sitzen die afghanischen Frauen nicht mit am Tisch? Warum sitzt die Zivilgesellschaft nicht mit am Tisch? Dies ist kein innerafghanischer Dialog", so DiCarlo weiter.

Sie wünsche sich, dass man eines Tages so weit sei. "Noch aber sind wir es nicht."

Als Reaktion auf die Kritik erklärten die Vereinten Nationen, nächste Woche in Doha ein separates Treffen mit der afghanischen Zivilgesellschaft abhalten zu wollen.

Frauen aus öffentlichem Leben weitgehend verbannt

Seit ihrer Machtergreifung haben die Taliban die in den vergangenen zwei Jahrzehnten erzielten Fortschritte in Bezug auf die Rechte der Frauen wieder rückgängig gemacht.

Frauen und Mädchen wurden aus fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens verbannt.

Mädchen dürfen nur bis zur sechsten Klasse zur Schule gehen. Frauen dürfen nur in eingeschränkten Berufsfeldern arbeiten und sind von Nichtregierungsorganisationen ausgeschlossen. Außerdem ordneten die Taliban die Schließung von Schönheitssalons an und untersagten Frauen den Besuch von Fitnessstudios und Parks. Darüber hinaus dürfen Frauen nicht ohne einen männlichen Vormund auf die Straße gehen. Auch das Recht zu reisen ist für Frauen eingeschränkt.

In einem im Mai 2022 erlassenen Dekret wurde die Frauen außerdem dazu angehalten, eine Ganzkörper-Burka zu tragen, die nur ihre Augen freilässt.

Wegen der Unterdrückung der Frauenrechte hat bislang kein Staat die Taliban offiziell als Regierung Afghanistans anerkannt. Die Vereinten Nationen erklärten, solange die Bildungs- und Beschäftigungsverbote für Frauen in Kraft blieben, sei eine Anerkennung gut wie unmöglich. 

Afghanische Mädchen sehnen sich nach Schule

International keine Anerkennung der Taliban

Weltweit machen Länder auf der ganzen Welt jegliches Engagement in Afghanistan davon abhängig, dass die Taliban unter anderem den Zugang von Mädchen zur Bildung verbessern, Fortschritte bei der Beachtung der Menschenrechte und im Bereich einer inklusiven Regierungsform zeigen.

Doch hat das Regime bislang keine Bereitschaft erkennen lassen, seine Hardliner-Politik aufzugeben.

Aktivisten erklärten, ein sinnvoller Fortschritt auf dem Treffen sei nur durch eine faire und transparente Vertretung aller relevanten Gruppen, einschließlich der Frauen, erreichbar. Zudem müsse sich die internationale Gemeinschaft unverzüglich mit den schweren Menschenrechtsverletzungen der Taliban befassen. "Es ist nicht hinnehmbar, dass kritische Menschenrechtsdebatten unter den Tisch fallen", kommentierte Agnes Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International, das anstehende Treffen. 

"Die Bewältigung der Herausforderungen in Bezug auf Frieden, Sicherheit und Stabilität erfordert die Präsenz afghanischer Frauen in den Diskussionen über die Zukunft Afghanistans", schrieb Rina Amiri, US-Sonderbeauftragte für Menschenrechte und Frauenangelegenheiten in Afghanistan, auf der Social-Media-Plattform X.

Lage der Frauen in Afghanistan verschlechtert sich stetig

Die Lage vor Ort

Die Zustände in Afghanistan sind weiterhin katastrophal. Entgegen anfänglicher Befürchtungen blieben flächendeckende Gewaltaktionen weitgehend aus. Dennoch steht das Land vor zahlreichen Herausforderungen - so etwa die einer lahmenden Wirtschaft, eingeschränkter Bildung, Menschenrechtsverletzungen und einer gespaltenen Bevölkerung.

Die bereits vor der Machtübernahme durch die Taliban geschwächte afghanische Wirtschaft hat einen schweren Schlag erlitten. Aufgrund eingefrorener Bankkonten, internationaler Sanktionen und der Abwanderung qualifizierter Fachkräfte ist das Land in eine tiefe Rezession gestürzt.

Weite Teile der Bevölkerung leiden unter Armut. Internationale Bemühungen, Anreize für Reformen zu schaffen, die auf eine bessere Menschenrechtslage abzielen, haben nur begrenzte Ergebnisse gebracht, insbesondere hinsichtlich der Frauenrechte.

Für Bereitstellung internationaler Hilfe ist es weiterhin erforderlich, sich mit den Taliban auseinanderzusetzen. Dazu sind die meisten Organisationen und Regierungen aber kaum bereit.

Bei den Taliban gibt es keine Anzeichen, die auf eine Änderung ihres Verhaltens hindeuten. Die UN-Konferenz kann aber immerhin die weltweite Aufmerksamkeit darauf lenken, dass die Krise in Afghanistan weiter andauert.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

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