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Faktencheck: Vize-Kandidat Walz als Ziel von Desinformation

Anwar Ashraf
24. August 2024

Seit seiner Nominierung als Vizepräsidentschaftskandidat der Demokraten für die US-Wahl 2024 ist Tim Walz Opfer zahlreicher Falschbehauptungen geworden. Auch Donald Trump und sein Team verbreiten sie.

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Tim Walz auf der Bühne beim Parteitag der Demokraten in Chicago bedankt sich für Applaus
Seit seiner Nominierung wurde die Vergangenheit von Tim Walz in der Öffentlichkeit genau unter die Lupe genommenBild: Brendan McDermid/REUTERS

Bis Anfang August war der Gouverneur des US-Bundesstaates Minnesota außerhalb seines Bundesstaates kaum bekannt. Dann machte Vizepräsidentin Kamala Harris den 60-jährigen Veteranen und ehemaligen Geografielehrer zu ihrem Vizepräsidentschaftskandidaten für die Präsidentschaftswahl im November.  

Tim Walz ist ein Kritiker des ehemaligen Präsidenten Donald Trump, insbesondere in den Bereichen nationale Sicherheit, Gesundheitswesen und soziale Gerechtigkeit. Sein Aufstieg auf die nationale und internationale Bühne hat ihn nun zur Zielscheibe für Fehlinformationen gemacht, die auch vom republikanischen Präsidentschaftskandidaten und dessen Anhängern verbreitet werden.

Das Faktencheckteam der DW hat einige dieser Behauptungen untersucht:

Screenshot eines X-Posts, mit einem älteren Interviewausschnitt von Tim Walz
In diesem Beitrag wird fälschlicherweise behauptet, Tim Walz habe über seinen Einsatz in Afghanistan gelogen

Behauptung: Tim Walz hat über seinen Militärdienst in Afghanistan gelogen.

DW-Faktencheck: Falsch

In einem Beitrag auf der Social-Media-Plattform X, der bereits eine Million Mal aufgerufen wurde, wurde Walz beschuldigt, über seine militärische Karriere zu lügen. In dem Beitrag wurde er mit den Worten zitiert: "Ich wurde zur Unterstützung der Operation Enduring Freedom eingesetzt. Mein Bataillon sorgte in der Anfangsphase des Krieges in Afghanistan für Sicherheit." Weiter wird Behauptet: "Walz hat nicht in Afghanistan gedient."

Es stimmt zwar, dass Walz nicht in Afghanistan gedient hat, aber in dem Post wurde er falsch zitiert. Der entscheidende Kontext seiner Aussage wurde weggelassen.

Das dem Beitrag beigefügte Video zeigt Walz in einem älteren Interview, in dem er wörtlich sagte: "Mein Bataillon sorgte in der Anfangsphase des Krieges in Afghanistan für die Sicherheit im gesamten europäischen Raum von der Türkei bis England." Es scheint, dass die Aussage absichtlich geändert wurde, um die Nutzenden in die Irre zu führen.

Es ist nicht die erste Kontroverse über den militärischen Hintergrund von Walz. In einem Wahlkampfvideo von 2018 behauptete Walz selbst, "im Krieg" mit Sturmgewehren hantiert zu haben. Dies war falsch, da Walz nicht an Kampfeinsätzen teilgenommen hat. Das Wahlkampfteam von Harris räumte später den Fehler ein und stellte klar, dass Walz sich in diesem Video "falsch ausgedrückt" hatte.

Donald Trump an einem Rednerpult während eines Wahlkampfauftrittes
Während einer Kundgebung in Montana behauptete Donald Trump, Walz habe Schulen angewiesen, Tampons in Jungen-Toiletten bereitzustellenBild: Rick Bowmer/AP/picture alliance

Behauptung: Walz ordnete an, dass Schulen in Minnesota in den Toiletten für Jungen Tampons bereitstellen müssen.

DW-Faktencheck: Falsch

Diese Behauptungwurde vom ehemaligen Präsidenten Donald Trump aufgestellt, der bei einem Wahlkampfauftritt sagte: "Er [Walz] hat angeordnet, dass Tampons in Jungen-Toiletten liegen müssen. Haben wir hier irgendwelche Kinder? Bitte haltet euch die Ohren zu. Er hat angeordnet, dass Tampons in Jungen-Toiletten verfügbar sein müssen, okay?"

Als Gouverneur von Minnesota unterzeichnete Walz im vergangenen Jahr ein Gesetz, das Schulen verpflichtet, Schülern kostenlos Menstruationsprodukte zur Verfügung zu stellen. In dem Gesetz heißt es: "Die Produkte müssen allen menstruierenden Schülern in Toiletten, die regelmäßig von Schülern der Klassen 4 bis 12 benutzt werden, zur Verfügung stehen."

In dem Gesetz ist jedoch nicht festgelegt, dass diese Produkte in Jungen-Toiletten zu finden sein müssen.

Medienberichtein den USA haben klargestellt, dass die Regelung darauf abzielt, allen menstruierenden Schülerinnen und Schüler Zugang zu Menstruationsprodukten zu geben - einschließlich Transgender-Jungen und nicht-binärer junger Menschen, die möglicherweise Jungen-Toiletten benutzen.

Brendan Nyhan, Politikwissenschaftler und Professor am Dartmouth College, sagt, dass Fehlinformationen zwar schon immer Teil jeder Wahl waren, dass sie aber seit Trumps Eintritt in die nationale Politik noch bedeutender geworden seien. "Man kann argumentieren, dass die Polarisierung den Anreiz noch vergrößert hat, Falschinformationen zu verbreiten. Wir können das nicht systematisch nachweisen, aber wir können mit Sicherheit sagen, dass die Menge an Fehlinformationen, die von Trump ausgeht, beispiellos ist", so Nyhan zur DW.

Screenshot eines Posts auf X von Trumps Wahlkampfteam mit einem gekürzten Interviewausschnitt von Tim Walz
Der offizielle X-Account von Trumps Team behauptet, Walz wolle Migranten bei der illegalen Einreise in die USA helfenBild: X/@TrumpWarRoom

Behauptung: Walz sagte, er würde in eine Leiterfabrik investieren, um Migranten beim Überqueren der Grenze zu helfen.

DW-Faktencheck: Irreführend

Ein 14-sekündiges Video von Walz, der vom offiziellen X-Accountvon Trumps Wahlkampfteam gepostet wurde, lässt vermuten, dass Walz dafür plädiert, Migranten beim illegalen Überschreiten der US-Grenze zu helfen. In dem Clip sagt Walz: "Wenn er [Donald Trump] über diese Mauer spricht, sage ich immer, lass mich wissen, wie hoch sie ist. Wenn sie 25 Fuß hoch ist, dann investiere ich in die 30-Fuß-Leiterfabrik. So kann man das nicht aufhalten." Ein Fuß entspricht rund 30,5 Zentimeter.

In dem Post von Trumps Teams heißt es weiter: "Tim Walz will in eine 'Leiterfabrik' investieren, um Illegalen zu helfen, die Grenzmauer zu überwinden."

Dies ist ein weiterer Fall, in dem eine Aussage verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Wichtige Teile von Walz' Zitat wurden abgeschnitten, was zu einer verzerrten Interpretation führt. In seinem vollständigen Interviewmit dem US-Sender CNN argumentierte Walz, dass der Bau einer Mauer keine wirksame Lösung zur Kontrolle der irregulären Migration sei.

Walz sagte nach dem Leiter-Zitat weiter: "Man kann das mit Elektronik verhindern. Man stoppt es mit mehr Grenzschutzbeamten. Und man stoppt es, indem man ein legales System hat, das es den Leuten ganz nach alter Tradition erlaubt hierher zu kommen. So wie es meine Verwandten getan haben: hierher zu kommen, zu arbeiten und den amerikanischen Traum zu verwirklichen."

Screenshot eines X-Posts, der mit einem polizeilichen Foto von Tim Walz
Es stimmt, dass Tim Walz 1995 wegen Trunkenheit am Steuer festgenommen wurdeBild: X

Behauptung: Walz wurde 1995 wegen Fahren unter Alkoholeinfluss festgenommen.

DW-Faktencheck: Richtig.

Mehrere Beiträgein sozialen Medienbehaupten, Walz sei 1995 an einem Samstagabend wegen Trunkenheit am Steuer und rücksichtslosen Fahrens festgenommen worden. Berichten zufolge fuhr er mit fast 100 Meilen pro Stunde (knapp 160 Kilometer pro Stunde) in einer Zone, in der nur 55 Meilen pro Stunde (rund 90 Kilometer pro Stunde erlaubt waren. Das stimmt.

Laut Polizei- und Gerichtsakten gab Walz die Tat zu. Er wurde zu einer Geldstrafe von 200 Dollar (heute etwa 180 Euro) und zur Zahlung der Gerichtsgebühren verurteilt. Sein Führerschein wurde für 90 Tage eingezogen. Zu dieser Zeit arbeitete Walz als Lehrer.

Als Walz 2006 erstmals für den Kongress kandidierte, verbreitete sein Wahlkampfteam jedoch irreführende und falsche Informationen über den Vorfall. Eine Recherche von CNNergab: Sein Team bestritt damals, dass Walz in jener Nacht betrunken war, und behauptete, er sei nie festgenommen worden. Sein Presseteam beharrte darauf, die Anklage wegen Trunkenheit am Steuer sei fallengelassen worden, weil sie unbegründet gewesen sei.

Später, im Jahr 2018, gab Walz den Vorfall öffentlich zu und bezeichnete ihn als ein Ereignis, das sein Leben verändert habe - weil er deswegen mit dem Trinken aufgehört habe.

Der rasante Aufstieg von Walz auf der nationalen Bühne hat viele überrascht und dazu geführt, dass seine Vergangenheit genau überprüft wird. "Er hat mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen als viele andere Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten, und das könnte sowohl bei den Medien als auch in der Öffentlichkeit das Interesse geweckt haben, mehr über seinen Hintergrund zu erfahren", so Nyhan.

Viel stärker noch als Walz ist jedoch Kamala Harris das Ziel von falschen Behauptungen und Hass im Netz, und das schon seit Jahren. Als Frau und Person of Color kommen bei ihr sexistische und rassistische Narrative hinzu.

Mitarbeit: Rayna Breuer

Aus dem Englischen adaptiert von Uta Steinwehr