1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Metall mit Gedachtinis

Klaus Deuse31. Januar 2014

Junge Materialwissenschaftler aus Bochum wagen den Sprung von der Universität in die Wirtschaft. Ihr Start-up-Unternehmen entwickelt energieeffiziente Legierungen für Kunden aus der Autobranche bis zur Medizintechnik.

https://p.dw.com/p/1AtiF
Eine Formgedächtnisfeder an einer Bierflasche (Foto: Ingpuls GmbH)
Bild: Hannover Messe

Zur Gründung einer Firma gehört nicht nur unternehmerische Risikobereitschaft, sondern ebenso das Gespür für eine ertragreiche Marktnische. Wie im Fall von Ingpuls, ein Unternehmen, das drei Materialwissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum noch vor Abschluss ihrer Promotion gegründet haben.

Ingpuls betreibt eine besondere Form von Metallverarbeitung. Denn auch Metalle haben ein "Gedächtnis". Verfügt man über das nötige Know-how, welche Metalle in einer bestimmten Kombination ein besonders starkes "Gedächtnis" entwickeln, dann lassen sich die dabei freiwerdenden Kräfte auch wirtschaftlich nutzen, ob in der Automobilindustrie oder der Medizintechnik. Und die Nachfrage nach diesen auf den jeweiligen Zweck zugeschnittenen Legierungen ist beachtlich.

Burkhard Maaß, André Kortmann und Christian Großmann haben schon an der Universität die Eigenschaften der Werkstoffe untersucht, auf denen das Unternehmen der drei Materialwissenschaftler basiert. "Im Zentrum unserer Arbeit stehen sogenannte Formgedächtnislegierungen. Das sind Metalle, die sich nach einer Verformung durch Erwärmen an ihre ursprüngliche Gestalt zurückerinnern können", erläutert der für Marketing und Vertrieb zuständige Christian Großmann.

Zwischen Nickel und Titan

Dabei kommt es vor allem auf die richtige Mischung an. Dazu gehören als Grundbestandteile in der Regel Nickel und Titan. Natürlich verrät Großmann kein Betriebsgeheimnis. Nur so viel, dass man sich auf dem Periodensystem alle Elemente ansehe, die zwischen Nickel und Titan liegen: Kupfer, Eisen, Vanadium, Chrom, Hafnium, Palladium, Platin, Silber und Niob. "Und je nachdem, was wir gerade brauchen, suchen wir uns das passende Element aus. Dann bekommt die Legierung spezifische Eigenschaften."

Eigenschaften, die die Kunden gezielt nachfragen - zum Beispiel in der Medizintechnik, für Stents, also für Implantate zur Gefäßerweiterung. Aber auch andere Branchen wie die Automobilindustrie oder Hersteller von Haushaltsgeräten haben die Vorzüge dieser Formgedächtnislegierungen entdeckt: einen geringen Material- und Energiebedarf. Das spart Produktionskosten.

Die Gründer der Ingpuls GmbH (Foto: Ingpuls GmbH)
Die Gründer der Ingpuls GmbHBild: Ingpuls GmbH

Intelligente Metalle für noble Autos

Zu den Kunden von Ingpuls gehören auch deutsche Hersteller von Premium-Fahrzeugen, von Audi über BMW bis zu Mercedes und deren Zulieferer.

Als ein Beispiel nennt André Kortmann verstellbare Außenspiegel. So lassen sich die bisher installierten kleinen Motoren durch eine Formgedächtnisfeder ersetzen. Im Schnitt, rechnet Kortmann vor, gibt es in jedem Auto rund 150 Stellsysteme, an denen statt elektrischer Motoren Formgedächtnislegierungen eingesetzt und dadurch das Gewicht verringert werden könne - "was ja auch für den Energie- und Spritverbrauch entscheidend ist".

Aber auch in der Gebäudetechnik, etwa für Heizungsventile oder für Sicherheitsmechanismen in Industrieanlagen, bietet sich der Einsatz von Formgedächtnislegierungen an. Ebenso in der Elektronik, der Messtechnik oder bei Aufzugsystemen. Inzwischen, sagt Christian Großmann nicht ohne Stolz, entwickele man Produktlösungen für Unternehmen in Indien, Australien, Österreich, Italien, Frankreich, Spanien und in der Schweiz.

Firmengründer aus Überzeugung

Die drei Jungunternehmer erwirtschaften so mit knapp einem Dutzend Mitarbeiter einen Jahresumsatz im mittleren sechsstelligen Bereich. Den Schritt in die unternehmerische Selbstständigkeit haben die drei Anfangdreißiger zu keinem Zeitpunkt bereut. Natürlich hätten sie mit ihrer Ausbildung auch woanders eine gute Stellung gefunden. Wahrscheinlich sogar mit einem höheren Gehalt. "Aber man arbeitet ja auf ein gewisses Ziel hin. Man möchte dieses Material in Bochum in großem Maßstab produzieren und auch hier Arbeitsplätze schaffen."

Den Entschluss zur Gründung ihrer GmbH haben sie übrigens bei einem gemeinsamen Frühstück zu Studentenzeiten gefasst, einschließlich der Entscheidung, kein Fremdkapital aufzunehmen. "Das Gründungskapital spart man sich zusammen. Wenn man etwas kürzertritt, dann bekommt man das auch hin."

Verwurzelt im Ruhrgebiet

Die Belange der jungen Firma haben auch weiterhin grundsätzlich Vorrang. Das setze aber von Beginn an Rückendeckung im persönlichen Bereich voraus, sagt Christian Großmann. "Zuerst haben wir deshalb unsere Frauen, die damals noch nicht unsere Frauen waren, gefragt, ob sie bereit sind, diesen Weg mit uns zu gehen."

Dass Investoren mittlerweile großes Interesse zeigen, bei Ingpuls einzusteigen, belegt, dass die Start-up-Unternehmer bisher Vieles richtig gemacht haben. Für das strategische Wachstum ihres Unternehmens halten die drei Gründer den Einstieg von Investoren für sinnvoll. Aber nur bis zu einem gewissen Anteil. Denn den Kurs der Firma wollen sie weiter selbst bestimmen. Und zwar nicht irgendwo, sondern mitten im Ruhrgebiet, in Bochum - um zu dokumentieren, dass diese Region Zukunft und wirtschaftliches Potenzial besitzt.